700 Hinweise auf Kriegsverbrechen im Russland-Ukraine-Krieg
In Deutschland werden die Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine vorangetrieben. "Den deutschen Strafverfolgungsbehörden liegen mit Stand vom Dezember 2024 über 700 Hinweise auf mögliche Kriegsverbrechen im internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vor", heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion, über die die "Welt am Sonntag" berichtet.
Mehr als "200 Zeugen" seien vernommen und "Ermittlungsverfahren gegen
Personen" eingeleitet worden. Die Anfrage zu den russischen
Kriegsverbrechen stellte der Bundestagsabgeordnete Günter Krings (CDU).
Krings sagte der "Welt am Sonntag": "Zu den in Rede stehenden Taten
gehören Folter, vorsätzliche Tötungen, sexuelle Gewalt, die
Verschleppung tausender Kinder und Attacken auf die Energieversorgung."
Die Opfer hätten ein Recht darauf, dass die gesamte Wahrheit vor den
Augen der Weltöffentlichkeit auf den Tisch komme.
Generalbundesanwalt
Jens Rommel geht derzeit in einem sogenannten
Strukturermittlungsverfahren Hinweisen auf russische Kriegsverbrechen in
der Ukraine nach. Mit den Ermittlungen wurde das Bundeskriminalamt
(BKA) beauftragt. Dessen "Zentralstelle für die Bekämpfung von
Kriegsverbrechen" kooperiert mit dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem
Internationalen Strafgerichtshof, Europol und den
Strafverfolgungsbehörden der Ukraine.
BKA-Präsident Holger Münch
sagte der "Welt am Sonntag": "Wir wollen die Verantwortlichen für
Kriegsverbrechen vor Gericht bringen. Diese Arbeit ist nicht nur ein
Beitrag zur Gerechtigkeit, sondern auch ein Signal, dass schwerste
Menschenrechtsverletzungen nicht unbeantwortet bleiben." Seine Behörde
sammelt Hinweise von Ukrainern, die nach Deutschland geflüchtet sind.
Zudem ist ein Verbindungsbeamter des BKA in Kiew tätig. Ziel der
Ermittlungen ist es Münch zufolge, durch die Vernehmung von Opfern und
Zeugen konkrete Taten herauszufinden, die Verantwortlichen zu
identifizieren und Haftbefehle zu erwirken. So könnten Täter vor Gericht
gestellt werden, in Deutschland oder dem Internationalem
Strafgerichtshof in Den Haag.
Seit Kriegsbeginn sind tausende
ukrainische Kinder nach Russland verschleppt worden. Sie leben dort in
Heimen und Pflegefamilien. Laut der Organisation "SOS Kinderdörfer
weltweit" soll es sich um mehr als 20.000 Kinder handeln. Das
Kinderhilfswerk Unicef hat derzeit keinen Zugang zu den Gebieten in der
Russischen Föderation, leistet aber technische und operative Hilfe bei
der Suche und der Zusammenführung von Familien. Aaron Greenberg,
Unichef-Berater für Kinderschutz, sagte der "Welt am Sonntag": "Unicef
ist nach wie vor tief besorgt über die Zahl der Kinder, die während des
Krieges in der Ukraine von ihren Familienangehörigen getrennt wurden."
Führende
Politiker der Ampelkoalition in Berlin fordern eine Verurteilung der
Schuldigen. Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des
Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste, sagte der
"Welt am Sonntag": "Politische Akteure in der russischen Staatsführung
tragen direkte Verantwortung für systematische Kriegsverbrechen wie das
Verschleppen von Tausenden von Kindern." Auch Michael Roth (SPD), der
Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, kritisiert die
"systematischen Deportationen" und die "gezielte Indoktrination" von
Kindern durch Russland. "Sie sind Teil einer perversen Strategie, die
ukrainische Identität auszulöschen. Bislang konnten nur etwa 1.000
Kinder gerettet werden", sagte Roth. Oberstes Ziel müsse es sein, jedes
einzelne Kind zu seiner Familie zurückzubringen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur