Ehemaliger US-Sonderbotschafter belastet Steinmeier im Fall Kurnaz schwer - Rot-Grüne Bundesregierung "sendete keinerlei Signal für Freilassung"
Archivmeldung vom 01.03.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlIn der Affäre um den ehemaligen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz äußert sich nun erstmals ein ehemaliger hochrangiger US-Regierungsvertreter.
Gegenüber dem ARD-Magazin MONITOR
(01.03.2007, 21.45 Uhr im Ersten) widersprach der ehemalige
Sonderbotschafter und Guantanamo-Beauftragte Pierre Prosper
ausdrücklich der bisherigen Version von Bundesaußenminister
Steinmeier, wonach die damalige Bundesregierung "immer wieder" mit
der US-Regierung über eine mögliche Freilassung von Kurnaz gesprochen
habe und sich für dessen Freilassung eingesetzt hätte. "Von den
Deutschen kam keinerlei Signal. Die deutsche Bundesregierung hat sich
bezüglich des Kurnaz-Falles niemals an mich gewendet und ich habe
auch keinen Hinweis meines Vorgesetzten, Außenminister Colin Powell,
erhalten", sagte der Chefunterhändler des US-Außenministeriums, der
zwischen 2002 und 2005 für die Rückführung von Guantanamo-Häftlingen
in deren Herkunftsländer verantwortlich war. "Hätte die deutsche
Regierung gesagt, wir wollen Kurnaz haben, hätten wir uns sofort zu
Verhandlungen zusammen gesetzt, um eine Verständigung darüber zu
erreichen, die es ihm ermöglicht hätte, nach Hause zurück zu kehren."
"Während meiner gesamten Amtszeit hat Deutschland mir gegenüber
niemals ein Interesse bekundet, und ich war die Person, die innerhalb
der US-Regierung dafür zuständig war", sagte Prosper gegenüber
MONITOR.
Auch zur Frage, ob der Bundesregierung ein offizielles Angebot der
US-Regierung vorgelegen habe, äußerte sich Prosper gegenüber MONITOR:
Während des gesamten Zeitraums von 2002 bis 2006 sei Kurnaz "zur
Freilassung vorgesehen" gewesen, was "kein Geheimnis" gewesen sei.
"Im Fall Kurnaz wussten es Deutschland und die Türkei - oder hätten
es wissen müssen - dass die USA bereit waren, über seine Ausreise zu
sprechen." Die US-Regierung habe ein Interesse daran gehabt, Kurnaz
freizulassen. "Unser Ziel war es, die Zahl der Gefangenen in
Guantanamo drastisch zu reduzieren, und dies betraf auch Kurnaz",
erklärte der ehemalige Sonderbotschafter.
Kurnaz sei von der US-Regierung auch deshalb "zur Ausreise bestimmt" gewesen, weil es sich bei ihm nicht um einen Fall von "erhöhtem Sicherheitsrisiko" gehandelt habe. Ausschließlich Gefangene dieser Kategorie sollten in Guantanamo festgehalten werden. Diese Politik sei "in der internationalen Gemeinschaft, unter den Regierungen und über die Medien" kommuniziert worden.
In einem weiteren Punkt widersprach der ehemalige
Sonderbotschafter der bisherigen Darstellung von Steinmeier
ausdrücklich. So habe die US-Regierung von den Deutschen zu keinem
Zeitpunkt verlangt, Kurnaz in Bremen als Spitzel gegen islamistische
Fundamentalisten einzusetzen, wie Steinmeier dies behauptet hatte.
Von Herkunftsländern wie Deutschland wäre nur verlangt worden "zu
gewährleisten, dass von den Gefangenen nach deren Rückführung keine
Gefahr für die Sicherheitsinteressen der USA oder der internationalen
Gemeinschaft ausgeht".
Pierre Prosper ist von der Bush-Regierung 2001 zum "Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen" ernannt worden. In dieser Funktion sollte er zwischen 2002 und 2005 im Auftrag des US-Präsidenten und des Außenministeriums als führender Diplomat mit den Herkunftsländern der Guantanamo-Gefangenen deren Rückführung verhandeln.
Quelle: Pressemitteilung WDR