Erdogan über EU-Beitrittswunsch: Türkei wartet schon 53 Jahre vor der Tür
Archivmeldung vom 01.10.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zu Beginn der Herbsttagung des Parlaments darauf verwiesen, dass die Europäische Union ihrer Verpflichtung gegenüber der Türkei nicht nachkomme, die seit mehr als 50 Jahren „vor der Tür warten muss“. Das schreibt die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik".
Weiter heißt es im Artikel auf der Webseite: "Laut Erdogan soll im Oktober ein visumfreier Reiseverkehr mit der EU eingeführt werden. „Aber Europa erfüllt nicht sein Versprechen gegenüber der Türkei… Dass wir 53 Jahre vor der Tür der EU warten müssen, zeigt das Verhältnis der EU zu uns“, zitiert Sputnik den türkischen Präsidenten.
Der türkische Staatschef sagte außerdem, dass die Republik keine Probleme mit der Einhaltung der EU-Kriterien habe. Es hänge nur von der EU ab, wie sich die Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara weiterentwickeln werden, so Erdogan.
Zuvor hatte der zuständige Ausschuss des Europaparlaments der Visafreiheit für die Ukraine zugestimmt.
Erdogan rügt Syrien-Politik der USA als „doppelzüngig“
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Syrien-Politik der USA als doppelzüngig kritisiert. „Wir beobachten, wie die USA eine doppelzüngige Politik in Syrien betreiben. Ein Teil der US-Führung arbeitet zusammen mit den Terroristen, während der andere Teil eine Politik betreibt, die unsere Besorgtheit (wegen der Zusammenarbeit mit den Volkswehrkräften der syrischen Kurden – Anm. d. Red.) berücksichtigt. Ich glaube daran, dass die USA in der nächsten Zeit unsere Beziehungen auf eine angemessene Ebene bringen“, sagte Erdogan bei der Eröffnungszeremonie der Herbsttagung des Parlaments in Ankara.
Der türkische Staatschef kritisierte zudem den US-Kongress für die Billigung des Gesetzes, das Entschädigungsklagen gegen Saudi-Arabien wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001 ermöglichen soll.
„Das ist eine misslungene Entscheidung, sie geht mit dem Prinzip der persönlichen Verantwortung für eine Straftat auseinander. Wir erwarten, dass diese falsche Entscheidung so schnell wie möglich wieder abgeschafft wird“, so Erdogan.
Am Mittwoch hatte der Kongress Obamas Veto gegen das 9/11-Gesetz überstimmt. Im Senat wurde der Einspruch fast einstimmig abgewiesen: 97 Senatoren stimmten gegen Obamas Veto, nur einer unterstützte den Staatschef. Im Repräsentantenhaus wurde das Veto mit 348 gegen 77 Stimmen abgeschmettert.
US-Staatschef Barack Obama hatte am 24. September mit einem Veto ein Gesetz zum Klagerecht für Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 verhindert. Mit dem Gesetz hätten Hinterbliebene direkt die Regierung von Saudi-Arabien verklagen können. Laut Obama würde dies die Souveränität des Golfstaates verletzen und dazu führen, dass auch die USA verklagt werden könnten. Nach dem Senat hatte Anfang September auch das US-Repräsentantenhaus dem Gesetz zugestimmt.
Da 15 der 19 Attentäter vom 11. September aus dem saudi-arabischen Königreich stammten, waren seit den Anschlägen immer wieder Vorwürfe laut geworden, die Attentäter hätten Hilfe von offizieller Seite erhalten. Die saudi-arabische Führung wies dies stets zurück und versuchte hinter den Kulissen in Washington die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern.
Erdogan lüftet wahres Ziel des türkischen Syrien-Einsatzes
Das Ziel des Militäreinsatzes der Türkei „Schutzschild Euphrat“ im Norden Syriens ist die Schaffung einer Sicherheitszone, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnungszeremonie der Herbsttagung des Parlaments in Ankara sagte.
„Die Operation ‘Schutzschild Euphrat’ ist eine legitime Operation. Der Tag, an dem die Terrormiliz IS einen 14-jährigen Junge nach Gaziantep zu einem Anschlag schickte, bei dem 56 unserer Bürger ums Leben gekommen sind, wurde zum letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Operation begann in Dscharabulus. Wir rechnen damit, dass wir bei unserem Vormarsch weitere 5.000 Quadratkilometer des syrischen Landes befreien und daraus eine Sicherheitszone machen werden“, sagte Erdogan.
So will der Präsident nach eigenen Worten das Problem mit den Flüchtlingen an der westlichen Grenze der Türkei lösen.
Erdogan zufolge war Ankara gezwungen, seinen Syrien-Einsatz zu starten, weil weder die internationale Koalition noch die Weltgemeinschaft das Projekt einer Sicherheitszone unterstützen wollten.
„Wir schlugen jahrelang vor, eine Sicherheitszone in Syrien zu schaffen. Darauf gab es keine Einsprüche, doch gleichzeitig haben wir auch keine reale Unterstützung gesehen. Ein terroristischer Korridor, wie auch Aktionen der Arbeiterpartei Kurdistans und des IS zwangen uns, diese Operation selbständig umzusetzen. Wir haben gezeigt, dass wir das auch mit eigenen Kräften realisieren können“, so der türkische Präsident.
Ende August hatte die türkische Armee mit den verbündeten syrischen Rebellen die Anti-IS-Operation „Euphrat-Schild" in der Umgebung des syrischen Dscharabulus gestartet. Dabei sagte die Türkei, der Angriff ziele unter anderem auf die Befreiung des Gebietes von den kurdischen Milizen ab.
Erdogan will Beziehungen mit Russland auf Höchststand bringen
Der türkische Präsident Tayyip Erdogan hat die Absicht bekundet, die Beziehungen mit Russland auf ein noch höheres Niveau als vor der Krise wegen des Abschusses der russischen Su-24 im November 2015 anzuheben.
„Wir normalisieren die Beziehungen mit unseren Nachbarn. Wir verhandeln mit Russland über verschiedene Themen. Das sind die Landwirtschaft, die Energetik, die Wirtschaft und der Tourismus. Wir sind darauf eingestellt, unsere Kennzahlen auf den bisherigen Stand zu bringen und diesen sogar zu übertreffen“, sagte Erdogan zu Beginn der Herbsttagung des türkischen Parlaments in Ankara.
Erdogan hatte im Juni einen Entschuldigungsbrief an die russische Führung gerichtet und damit den ersten Schritt zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit Moskau getan. Anfang Juli fand ein Telefongespräch zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Erdogan statt. Danach informierte der russische Staatschef die Regierung über die Entscheidung, den Prozess der Normalisierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Ankara einzuleiten."
Quelle: Sputnik (Deutschland)