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Jahresbericht 2006 des TCHRD über die Menschenrechtslage in Tibet

Archivmeldung vom 07.03.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie hat am 2. März 2007 seinen Jahresbericht über die Menschenrechtslage in Tibet für 2006 veröffentlicht. Dieser behandelt vier Bereiche der Verletzung der Menschenrechte in Tibet: bürgerliche und politische Freiheiten, Religion, Entwicklung und Bildungswesen.

Im Jahr 2006 gab es eine ganze Reihe schlimmer Entwicklungen, und die chinesischen Behörden in Tibet ließen keinerlei Anzeichen für irgendein Nachgeben erkennen. Das ganze Jahr hindurch wurden immer wieder Verstöße gegen die Menschenrechte von uns dokumentiert, welche sowohl die bürgerlichen und politischen als auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte des tibetischen Volkes betrafen. Willkürliche Festnahmen, Inhaftierung und die Zustände in den Gefängnissen in Tibet sind ebenso entsetzlich wie eh und je. Im vergangenen Jahr zogen besonders zwei Ereignisse weltweite Aufmerksamkeit auf sich: der Start der Eisenbahnlinie Gormo-Lhasa und die Tragödie am Nangpa-Paß. Sie ließen sie allgemeine Besorgnis wegen des kulturellen Genozids in Tibet noch anwachsen und machten die Not der Tibeter deutlich, die wegen der Verletzung ihrer Rechte aus dem chinesisch besetzten Tibet fliehen.

Die Gormo-Lhasa Eisenbahn nahm im Juli 2006 offiziell ihren Betrieb auf. Seit Bekanntwerden der Pläne zu ihrem Bau war diese höchste Eisenbahnlinie der Welt ständiger Gegenstand von Kontroversen. Unter den vielfältigen Bedenken springen politische Motive und der Aspekt der ethnischen Säuberung besonders ins Auge. Daran wird deutlich, daß China die widerspenstige Region wirtschaftlich und politisch noch fester in den Griff bekommen möchte. Die Eisenbahn ist letzten Endes ein politisches Werkzeug, mit dem die tibetische Identität ausgelöscht werden soll. Die verzweifelte Lage des tibetischen Volkes wurde der internationalen Gemeinschaft am 30. September 2006 drastisch vor Augen geführt, als sie mit ansehen mußte, wie chinesische Grenzschützer willkürlich auf fliehende Tibeter schossen, wobei mindestens zwei Personen am Nangpa-Paß ums Leben kamen.

Enttäuschend war, daß das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR) kein Wort über die Tragödie verlor, um China, ein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, nicht gegen sich aufzubringen. Vertreter des Amts für Öffentliche Sicherheit in Tibet gelobten indessen in einer Video-Konferenz, "in der ersten Hälfte 2007 gegen illegale Grenzüberschreitungen scharf vorzugehen", wobei sie dies als einen Teil der Kampagne zur Bekämpfung des Separatismus und zur Förderung der Stabilität in der Region verstehen.

Im Berichtsjahr erreichten insgesamt 2.445 Tibeter, die ins Exil flohen, Dharamsala. Die meisten von ihnen sind Teenager und junge Mönche und Nonnen auf der Suche nach jener religiösen Ausbildung, die ihnen in Tibet verwehrt bleibt. Weiterhin Kinder, die von ihren Eltern auf die Flucht geschickt werden, um die tibetischen Schulen im Exil zu besuchen, weil sie nur so einen umfassenden Schulunterricht erhalten können. Außerdem verlassen Nomaden und Bauern ihr Land, denn infolge von Entwicklungsprojekten wie der Gorma-Lhasa-Eisenbahn werden sie immer häufiger von ihrem angestammten Grund und Boden vertrieben.

2006 wurden dem TCHRD 26 Fälle von Festnahmen wegen angeblicher politischer Aktivitäten bekannt. Gegenwärtig weiß man von 116 tibetischen politischen Gefangenen in Tibet. Besonders drastische Fälle in diesem Jahr waren Dolma Gyab, Sonam Gyalpo und Namkha Gyaltsen: Die gegen sie ergangenen Urteile von 8 bis 12 Jahren Gefängnis sind ausgesprochen hart.

Zusätzlich zu der laufenden Kampagne der patriotischen Umerziehung, die nun in allen Teilen Tibets durchgeführt wird, trat ab 1. Januar 2007 eine neue, speziell die religiösen Angelegenheiten in der TAR regelnde Verordnung in Kraft. Sie umfaßt 5 Kapitel mit 56 Artikeln und bezweckt, der monastischen Gemeinschaft Loyalität zum Staat einzubleuen und das Andenken des Dalai Lama aus den Herzen und Gemütern des tibetischen Volkes zu tilgen. Angesichts dieser neuen TAR-spezifischen Religions-Verordnung wird die religiöse Repression 2007 sicherlich noch schärfere Formen annehmen.

2006 kam es zu zwei bedeutsamen Veränderungen in der politischen Führungsriege der sogenannten Autonomen Region Tibet (TAR). Die erste war die Ernennung des Hardliners Zhang Qingli zu ihrem neuen Parteisekretär am 20. Mai 2006. Er war schon seit November 2005 amtierender Parteisekretär gewesen und übernahm im Juni 2006 die volle Verantwortung für dieses Amt. Die zweite betraf die ethnische Zusammensetzung des Kommunistischen Parteikomitees von Lhasa, in dem nun nur noch acht Tibeter, d.h. 26% seiner 30 Mitglieder, sitzen.

Das Gefängnis Chushul (chin. Qushui) in Tibet, das um den April 2005 seine Funktion aufnahm, geriet 2006 ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Dr. Manfred Nowak, schilderte in seinem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat die grausigen Bedingungen in dieser Haftanstalt und forderte die Freilassung von drei Häftlingen (Jigme Gyatso, Bangri Jigme Rinpoche und Lobsang Tsultrim), mit denen er zusammengetroffen war und die wegen "eines politischen Verbrechens und möglicherweise aufgrund eines durch Folter erpreßten Geständnisses" verurteilt worden waren. Dieses neue Gefängnis dient vor allem der Inhaftierung von Tibetern mit sehr langen Haftstrafen. Bisher weiß man recht wenig über diese Anstalt, aber dem Bericht des Sonderberichterstatters nach zu schließen, sind die Bedingungen und die Mißhandlungen im Chushul Gefängnis noch schlimmer als in dem berüchtigten Drapchi-Gefängnis. Wie man hörte, wurde eine ganze Reihe von tibetischen politischen Langzeit-Gefangenen von Drapchi nach Chushul verlegt.

Der Zustand des Bildungswesens in Tibet ist katastrophal. Etwa die Hälfte der den Exodus antretenden Tibeter sind Minderjährige unter 18 Jahren, die eine Möglichkeit zum Schulbesuch im Exil in Indien suchen. Die meisten der Flüchtlinge, welche die Tragödie am Nangpa-Paß miterlebten, sind Minderjährige. Für viele Tibeter, welche einen höheren Bildungsabschluß haben, stellt die diskriminierende Praxis der chinesischen Behörden, tibetischen Bewerbern bei der Einstellung zum öffentlichen Dienst kaum eine Chance einzuräumen, ein unüberwindliches Hindernis dar. Ende Oktober 2006 protestierten tibetische Studenten der Tibet-Universität vor Regierungsgebäuden in Lhasa dagegen, daß die Behörden tibetische Hochschulabsolventen bei der Stellenvergabe massiv benachteiligten. Chinesen vom Festland, die sich in Tibet gefälschte Haushaltsregistrierungszertifikate (houkou) beschaffen, erschleichen sich auf diese Weise die Arbeitsplätze, die für Tibeter vorgesehen sind.

In den ersten Monaten 2006 kritisierten Menschenrechtsorganisationen und Verfechter der Meinungsfreiheit die Internet-Riesen Google und Yahoo Inc. Google beugte sich dem offiziellen Diktat der Chinesen und zensierte seinen Suchmaschinendienst in China. Microsoft und Cisco waren schon vorher wegen ihrer Rückgratlosigkeit bei der Filterung von Informationen für Internet-Nutzer in China in die Kritik geraten, und Google und Yahoo folgten auf dem Fuß. Es ist äußerst bedauerlich, daß Internet-Großkonzerne repressiven Staaten wie China bei der Verfolgung von Online-Dissidenten behilflich sind und Millionen von wißbegierigen Bürgern den Zugang zu korrekter Information verwehren.

Quelle: Pressemitteilung Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)

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