Pkw-Klimaentscheidung der EU-Kommission: Deutschlands klimapolitischer Salto mortale
Archivmeldung vom 19.12.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKeine Woche nach dem Abschluss der Weltklimakonferenz widerlegt Deutschland seine in Bali zelebrierte Antreiberrolle im Klimaschutz. In Brüssel verzichtete die EU-Kommission heute unter dem Trommelfeuer deutscher Lobbyisten aus Autoindustrie und Politik auf ein klares Signal in Richtung verbrauchsarme Pkw.
"Das von der EU-Kommission heute vorgestellte Konzept zur Festlegung von CO2-Grenzwerten ganzer Herstellerflotten auf der Basis des Fahrzeuggewichts ist im Ansatz falsch. Es lenkt nicht in Richtung leichterer und verbrauchsärmerer Fahrzeuge, sondern belohnt ausgerechnet die Hersteller besonders schwerer und PS-starker Modelle. Die niedrigen vorgesehenen Strafzahlungen sowie die CO2-Verrechnungsmöglichkeiten zwischen den Fahrzeugherstellern runden das beschämende Bild ab", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch zur Entscheidung der Brüsseler EU-Kommission gegen die Festlegung von Verbrauchsgrenzwerten für einzelne Pkw-Modelle.
Als "verheerend für das deutsche Ansehen im internationalen Klimaschutz" bezeichnete Resch die Rolle der deutschen Politik in den Tagen und Stunden vor der Brüsseler Entscheidung. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Wulff aus dem VW-Land-Niedersachsen und sein Kollege Beckstein aus dem BMW-Land Bayern hatten die Kommission schriftlich und mündlich vor einer Regelung gewarnt, die die deutschen Hersteller so genannter "Premium-Fahrzeuge" mit hohen Spritverbräuchen belasten würde. Ausgerechnet Umweltminister Sigmar Gabriel warf Brüssel schließlich vor, Industriepolitik gegen Deutschland zu betreiben und nicht Klimaschutz. Kritik an den deutschen Herstellern, deren Gesamtflottenverbrauch im vergangenen Jahr erstmals wieder zugenommen hatte, blieb dagegen aus. "Die deutschen Spitzenpolitiker wollen parteiübergreifend Klimakiller-Schutzzonen um die heimischen Hersteller errichten. Die Antreiberrolle im internationalen Klimaschutz war gestern, wenn es um vermeintliche nationale Interessen geht, steht Deutschland beim Klimaschutz auf der Bremse", sagte Resch.
Resch erinnerte daran, dass die heute bekannt gewordenen Brüsseler Pläne notwendig geworden waren, nachdem die europäischen Autohersteller vor allem wegen der deutschen Power-Orgien der vergangenen Jahre eine Selbstverpflichtung zum CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen für 2008 weit verfehlen. Das seitens der Kommission daraufhin festgelegte verbindliche Minderungsziel von 120 g CO2/km bis 2012 wird zwischenzeitlich offen von den Automobilherstellern mit der Entwicklung immer spritdurstigeren und schwereren Pkw hintertrieben. Im vergangenen Jahr ging in Folge dieser Klimakiller-Politik deutscher Autobauer erstmals seit 20 Jahren der durchschnittliche CO2-Ausstoß der in Europa verkauften Neuwagen sowohl bei Volkwagen wie Daimler-Chrysler (heute Daimler) nicht mehr zurück sonder stieg um 0,9 % bzw. 2,8 % gegenüber den Vorjahreswerten an.
Eine Fehlentscheidung sei auch, dass sich der CO2-Grenzwert nach den Brüsseler Plänen am Fahrzeuggewicht orientieren soll. Dieser Parameter lenke nachweislich gerade nicht in Richtung leichterer Pkw mit weniger Leistung, er bevorzuge im Gegenteil schwere Fahrzeuge bei ansonsten gleichem Fahrzeugnutzen. Resch forderte das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten auf, "dem Raubtierlobbyismus insbesondere der deutschen Herstellern und ihren Gehilfen in der Politik zu widerstehen. Was wir brauchen, sind an der Fahrzeuggrundfläche orientierte Grenzwerte, die kein Pkw-Modell überschreiten darf und Strafen bis hin zum Zulassungsverbot für Modelle, die diese Werte überschreiten. Andernfalls wird Europa seine Klimaschutzverpflichtungen weit verfehlen", sagte Resch.
Der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor der EU ist zwischen 1990 und 2005 um fast ein Drittel angestiegen. 1990 hatte der Verkehr einen Anteil von 21 Prozent am EU-weiten Treibausgasausstoß, 2005 waren es schon 27 Prozent.
Quelle: DUH