Russlands Rotes Kreuz alarmiert - Ukraine-Krise ist ein Krieg
Archivmeldung vom 07.08.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.08.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVergangene Woche hat die russische Rotkreuzgesellschaft bei der Führung der Organisation in Genf angefragt, ob die Lage in der Ukraine als Krieg eingestuft werden soll. Dafür gab es bislang weder eine Bestätigung noch eine Dementierung des Komitees des Roten Kreuzes. Bei einem Interview hat der Vorsitzende der internationalen Abteilung des russischen Roten Kreuzes Sergej Kobez gesagt, die Anstrengungen der Organisation weltweit werden unternommen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Nikita Miroschnitschenko geht in seinem Beitrag bei Radio "Stimme Russlands" der Frage nach: Ist es tatsächlich ein Krieg?
Auf der Webseite ist hierzu zu lesen: "Die Tätigkeit in einem Raum, wo es einen militärischen Konflikt gibt, liegt in der Kompetenz des internationalen Rotkreuzkomitees. Das russische Rote Kreuz darf keine politische Bewertung der Situation geben. Das Rotkreutz in Russland beschränkt sich auf die Hilfe den Betroffenen."
Es gibt keine genaue Frist, wann die Antwort aus Genf kommen muss. Eigentlich würde eine Bestätigung bzw. eine Dementierung nichts an der Arbeit der internationalen Rotkreuzbewegung ändern. Die Organisation bleibt unpolitisch und unparteiisch – das sei das Element des Roten Kreuzes, so Sergej Kobez. Der Vorsitzende der russischen Rotkreuzabteilung rechnet allerdings mit einer Reaktion aus Genf, die eine politische Einstufung des Konflikts mit sich bringt:
"Neutral und unparteiisch zu sein – das sind die wichtigsten Prinzipien der ganzen Rotkreuzbewegung. Deswegen wird unsere Arbeit ohne Rücksicht auf Politik durchgeführt. Wir meiden die politischen Bewertungen. Im Vordergrund steht für uns die Aufgabe, die Menschen zu schützen, die in Gefahr sind. Die russische, ukrainische und internationale Rotkreuzorganisation rufen dazu auf, allen betroffenen Zivilisten zu helfen, ohne politische Einschätzungen zu machen."
Momentan wird das Eingreifen des russischen Roten Kreuzes im südlichen Gebiet Rostow benötigt. Viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind in Rostow am Don untergebracht. Die Rotkreuzbewegung der Region hat umgerechnet mehr als eine Million Euro Spende gesammelt, um den Menschen aus dem Nachbarland zu Hilfe zu kommen. Ob es einen Fluchtkorridor aus der Ukraine nach Russland geben wird, bleibt allerdings immer noch unklar."
Rotes Kreuz über die Ukraine: Verbrechen ohne Verjährungsfrist
Mit der Thematik beschäftigt sich auch Igor Silezkij bei Radio "Stimme Russlands", in seinem Beitrag heißt es: "Der Südosten der Ukraine, wo täglich friedliche Einwohner verletzt werden, braucht eine humanitäre Mission. Mit diesem Vorschlag wandte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow an die OSZE, den Europarat, an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes und an die Uno.
Das Rote Kreuz hatte auch früher bereits inoffiziell anerkannt, dass in der Ukraine ein Krieg im Gange sei. Doch Kiew und seine westlichen Sponsoren reagierten darauf in keiner Weise: Das ist für sie nicht vorteilhaft.
Außenminister Sergej Lawrow meint, man sollte gerade unter Ägide des Roten Kreuzes eine humanitäre Mission nach Lugansk und Donezk schicken. Moskau appelliert nicht zum ersten Mal an internationale Organisationen, sich in die Situation einzumischen. Die Situation ist schwer. In den letzten Tagen sind in Lugansk im Ergebnis des Beschusses durch die ukrainische Artillerie und durch die Luftangriffe die Wasser- und Stromversorgung ausgefallen. In der Stadt funktioniert die Telefonverbindung nicht mehr. In Donezk sind mehrere große Stadtbezirke ohne Strom geblieben, da ukrainische Geschosse die Umspannwerke beschädigt haben. Lebensmittel sind in der Stadt noch vorhanden, nun aber steht das Problem, sie irgendwie zu erhalten. Die Hauptsache sind jedoch die Dutzende Toten und Verletzten bei den Angriffen der Nationalisten auf die Wohngebiete friedlicher Bürger. Zur Evakuierung der Verletzten ist ein humanitärer Korridor erforderliche. Kiew ignoriert jedoch beharrlich die Bitten, ihn zu schaffen, obwohl das Internationale Komitee des Roten Kreuzes die Lage in der Ukraine als einen „inneren Konflikt, der dem Kriegszustand nahe ist“ qualifiziert hatte:
„Die Priorität und die einzige für uns wichtige Komponente ist für uns die Verwundbarkeit der Bevölkerung“, sagt der Direktor des internationalen Departements des Russischen Roten Kreuzes Sergej Kobez. „Wir hatten stets dazu aufgerufen und werden dazu aufrufen - ohne eine Einschätzung der politischen Situation zu geben -, dass ausschließlich der Schutz der Zivilbevölkerung und eine Hilfe für alle Bedürftigen erforderlich sei.“
Für die Tätigkeit des Roten Kreuzes besitzen die Nuancen einer Bestimmung der Situation in der Ukraine möglicherweise keine besondere Bedeutung. Wie die Leiter der Organisation erklären, bleibe die Erleichterung der Leiden der Menschen und die Hilfe für jene, die in eine schlimme Situation geraten seien, in jedem Fall die Hauptaufgabe der Bewegung. Doch der Meinung einer solchen einflussreichen Organisation schenken natürlich auch die anderen internationalen Institute Gehör. Die Tatsache zu bestreiten, dass Kiew einen Krieg gegen das eigene Volk führt, ist bereits unmöglich. Die Agentur der Uno für Flüchtlingsangelegenheiten musste letztendlich zugeben, dass seit Jahresbeginn 730.000 Menschen aus der Ukraine nach Russland geflohen sind. Die westlichen Hauptstädte können ihre Rhetorik leider nicht mehr einfach ändern, meint der Direktor des Europäischen Zentrums für geopolitische Analyse Mateusz Piskorski. Konkret sagte er Folgendes:
„Die Anerkennung der Tatsache, dass eine humanitäre Katastrophe, ein Flüchtlingsproblem besteht, bedeutet, dass die Kiewer Behörden nicht in der Lage sind, die elementarsten Pflichten der Staatsstrukturen in diesen Gebieten auszuüben. Juristisch und politikwissenschaftlich gesehen heißt das, dass Kiew außerstande ist, seinen eigenen Bürgern im Südosten des Landes, die sie einer sogenannten ‚Antiterroroperation‘ unterziehen, Sicherheit, Gesundheit und das Leben zu garantieren. Deshalb wäre es für Kiew und seine Sponsoren natürlich sehr unbequem, zuzugeben, dass die Ukraine im gegenwärtigen Zustand ein nicht Zustande gekommener Staat sei.“
Die Anerkennung der Antiterroroperation Kiews als Krieg wird nicht nur die politische, sondern auch die juristische Komponente des Konflikts ändern. Zum Beispiel würde dann für alle Schuldigen an der massenweisen Vernichtung der Zivilbevölkerung der Artikel über Kriegsverbrechen gelten. Und derartige Verbrechen besitzen keine Verjährungsfrist."
Städte in Südukraine am Rande der Katastrophe
Lawrow vergleicht, wie Susanne Brammerloh bei Radio "Stimme Russlands" berichtet, die humanitäre Katastrophe in der Ukraine mit der Situation im Gazastreifen.
Im Beitrag heißt es :"Lugansk und Schachtjorsk werden immer mehr zu Geisterstädten. Das ukrainische Militär plant offensichtlich die Erstürmung von Donezk. Die Einwohner von Lugansk verlassen die Stadt. Bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist weggezogen, meldet der Stadtrat. Derzeit bleiben dort unter Bedingungen einer humanitären Katastrophe etwa 250.000 Menschen von 464.000 zurück.
Die meisten von ihnen konnten die Stadt aus verschiedenen Gründen nicht verlassen. In Lugansk gibt es weder Strom noch Wasser, Internet sowie Telefonverbindung. Die Vorräte an Lebensmitteln und Treibstoff sind zur Neige gegangen.
Zahlreiche Zerstörungen und verbrannte Fahrzeuge sind zurzeit in Schachtjorsk zu sehen. Viele Wohnhäuser, Tankstellen und Läden sind beschädigt worden. Auf der Straße gibt es fast keine Menschen, die wenigen Einwohner, die dort geblieben sind, verstecken sich in Kellern und Bunkern. Die Stadt hat praktisch keinen Strom.
Das ukrainische Militär bereitet sich auf die Erstürmung von Donezk vor, erklärte am Montag der Sprecher des Infozentrums des Rates der nationalen Sicherheit und Verteidigung der Ukraine, Andrej Lyssenko.
„Informationen darüber, mit welchen Mitteln und wann die Erstürmung passiert, werden nicht verbreitet. Alle Informationen werden nach Beendigung der Operation bereitgestellt. Jetzt laufen vorbereitende Maßnahmen“, sagte er.
Die Behörden der selbsternannten Republik Donezk sprechen ihrerseits von Hunderten Militärfahrzeuge und Artillerie, die von den Sicherheitskräften um Donezk zusammengezogen werden, darunter Raketensysteme Uragan, Smertsch, Grad und Totschka-U.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat erklärt, er werde an die OSZE, den Europarat, das Internationale Rote Kreuz und die Uno einen Brief mit der Bitte schicken, eine humanitäre Mission im Südosten der Ukraine einzurichten, wo Tag für Tag friedliche Menschen sterben und verwundet werden.
Lawrow betonte, er werde dies nicht zum ersten Mal tun. Seinen Worten zufolge ist die humanitäre Katastrophe in der Ukraine durchaus mit der Situation im Gazastreifen vergleichbar. Lawrow gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass „die Weltgemeinschaft die Krise in der Ukraine nicht vergisst, die man bisher vor der Öffentlichkeit zu verbergen versucht“."
Russland will Initiative humanitärer Mission für Ostukraine durchsetzen
Russland wird sich nach Kräften bemühen, die Initiative zur Bildung einer humanitären Mission für die Ostukraine durchzusetzen. Das teilte das russische Außenministerium, wie Radio "Stimme Russlands" unter Berufung auf die Nachrichtenagentur RIA Novosti meldet, bereits am vergangenen Dienstag mit.
„Die russische Seite hält es für notwendig, die internationale Gemeinschaft zur Erweisung von Soforthilfe für die Bevölkerung der Gebiete Donezk und Lugansk zu mobilisieren, die am Rande einer humanitären Katastrophe stehen“, hieß es."
FOTOSTRECKE: Einwohner von Schachtjorsk verstecken sich unter der Erde
Quelle: Text Nikita Miroschnitschenko / Igor Silezkij / Susanne Brammerloh - „Stimme Russlands"