Eurokrise: Man muss über „Dexit“ nachdenken – Experte
Archivmeldung vom 24.09.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Wiederholung des Krisenszenarios droht in Griechenland so oder so, von der Regierung in Athen ganz abgesehen, meint Wirtschaftsprofessor Rolf Weder. Man müsse aber allem voran die Ungleichgewichte in der Eurozone beseitigen, etwa durch einen „Dexit“. Das berichtet die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik".
Im Bericht heißt es weiter: "Nach den Parlamentswahlen am 20. September soll von einem Grexit weniger die Rede sein: Alexis Tsipras hat nun eine zweite Chance für die Umsetzung der Reformen. Das Gute an der Wiederwahl sei es, dass derjenige am Verhandlungstisch mit den Gläubigern sitzt, der dieses Reformpaket geschnürt habe, erklärt Rolf Weder, Professor Außenwirtschaft und Europäische Integration an der Universität Basel, gegenüber Sputniknews.
Die Wiederholung des Krisenszenarios drohe allerdings so oder so. Es habe nicht mit der Regierung zu tun, sondern mit den Ungleichgewichten innerhalb der Eurozone: „Es gibt große Ungleichgewichte zwischen den anderen verbleibenden Ländern in der Währungsunion, die im Hintergrund drohen. Man weiß, dass Spanien, Frankreich, Italien relativ große Arbeitslosigkeiten haben. Dort müssen größere Reformprozesse notwendig sein, z. B. dass der Staatssektor kleiner wird, die Löhne flexibilisiert werden“.
Wenn man der Meinung ist, dass das kaum machbar ist, dann wäre Weder zufolge ein Dexit, ein Ausstieg Deutschlands aus der Währungsunion zu erwägen, „insofern ein Vorteil, dass sich zumindest zwischen der großen Volkswirtschaft Deutschland und den anderen Ländern der Wechselkurs anpassen könnte“. Es gebe immer noch einen riesigen Anpassungsbedarf zwischen Nord und Süd, der über Wechselkurs sehr schön und sehr einfach passieren würde. „Das ist aber nicht erlaubt, weil es eben eine Währungsunion gibt, in der es einen immer größeren politischen und ökonomischen Sprengstoff geben wird. Um das zu verhindern, könnte man über das Austreten Deutschlands aus der Währungsunion nachdenken“, so der Experte.
Die Krise gebe es aufgrund der Existenz dieser gemeinschaftlichen Währung, sagt Weder weiter. Eine Strategie wäre es jetzt, noch mehr in Richtung politische Integration gehen, d.h. Transfers in einer schlechten Konjunktursituation geben, Fiskalpolitik koordinieren und auch mögliche größere Wanderungen innerhalb der Eurozone akzeptieren.
„Diese Variante stört im Moment nicht stark, hat aber langfristig ein Problem“, so der Experte. Die zweite Möglichkeit wäre die Notbremse, also die Auflösung des Konstruktes. „Diese Variante wäre langfristig gut, weil die Länder wieder viel mehr ihre eigene Verantwortung in den Vordergrund stellen würden und ein wichtiger Anpassungsmechanismus über Wechselkurse wieder etabliert würde“, erklärt Rolf Weder. Der Austritt eines Landes, so schlimm es auch töne, wäre ein weniger großer Crash als wenn man den ganzen Euro einfach von heute auf morgen auflöse. „Der Austritt Deutschlands wäre daher vielleicht gar nicht das Schlimmste, obwohl das auch politisch ein Tabu ist“, fügt er hinzu.
Quelle: Sputnik (Deutschland)