Experte: „Schäuble will nicht zugeben, dass der Euro gescheitert ist“
Archivmeldung vom 27.10.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt„Weiter, immer weiter!“ Dieser Spruch stammt vom ehemaligen Nationaltorwart Oliver Kahn. Er gilt aber auch für die Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank. Sie wird auch künftig Staatsanleihen maroder Mitgliedsstaaten kaufen. Und das auf Kosten der deutschen Sparer, wie ein Experte meint. Eigentlich sollte Ende des Jahres Schluss sein. Aber Pustekuchen. Am Donnerstag verkündete die Europäische Zentralbank (EZB), dass sie weiterhin Staatsanleihen wirtschaftlich angeschlagener Euro-Länder kaufen wird. Künftig gibt sie aber „nur noch“ 30 Milliarden Euro im Monat dafür aus. Bisher war die Summe doppelt so hoch. Hans-Olaf Henkel, EU-Abgeordneter der Liberal-Konservativen Reformer (LKR) und ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist bekennender Gegner der Finanzpolitik. „Diese Finanzpolitik geht auf Kosten der deutschen Sparer und der deutschen Steuerzahler. Irgendwann fällt sie uns auf die Füße“, fürchtet Henkel. . Dies berichtet das russische online Magazin "Sputnik".
Weiter ist in dem Interviews zu lesen: "Was steckt hinter dieser Geldpolitik? Wir wollen das einmal erklären: Im Euro-Raum gibt es Geber- und Nehmerländer. Deutschland, Österreich und die Niederlande sind Nettozahler. Ihren Volkswirtschaften geht es gut. Daneben gibt es Italien, Griechenland und Spanien. Die Wirtschaft in diesen Ländern liegt ziemlich am Boden. Um ihnen wieder auf die Beine zu helfen, kauft die EZB bei Geschäftsbanken Staats- und Unternehmensanleihen aus diesen Ländern.
Diese Banken erwerben mit dem Geld Anleihen oder Aktien von Unternehmen. Dadurch bekommen wiederum die Unternehmen frisches Geld, das sie in Produktionsanlagen und die Produktentwicklung investieren können. In der Theorie lässt dieses Modell die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen steigen – und kurbelt so die Wirtschaft an.
Die Praxis dagegen ist deutlich grauer. Seit 2015, so lange läuft die Sache mit den Anleihekäufen bereits, hat die EZB etwa 2,5 Billionen Euro in den Markt gepumpt. Vielen ist es genug. Bundesbankchef Jens Weidmann möchte den Kurs der EZB schon lange stoppen. Laut Henkel hat er aber keine Chance:
„Weil Deutschland im EZB-Rat die gleiche Stimme hat wie Malta oder Zypern. Sie müssen sich das so vorstellen: Die sogenannten Schuldnerländer sind den Geberländern zahlenmäßig überlegen. Das heißt sie können Herrn Draghi jedes Mal auffordern, weiter Geld zu drucken. Und genau das passiert.“
Deutschland hat in diesem System ein Saldo von über 800 Milliarden Euro plus. „So hoch standen die anderen Länder noch nie bei uns in der Kreise“, erklärt Henkel. Er hat keine Hoffnung, dass diese Schulden irgendwann zurückgezahlt werden. „Ich habe jahrelang in der Wirtschaft gearbeitet. Wenn wir einen Schuldner hatten, der pleite war, dann mussten wir seine Forderung auf null stellen.“
Im Klartext: Die Zahlungen einstellen. Die Verantwortung für die Situation sieht Henkel auch bei der Bunderegierung: „Herr Schäuble will nicht zugeben, dass der Euro gescheitert ist. So wirft er gutem Geld weiterhin gutes Geld hinterher, um den Fehler nicht zugeben zu müssen.“ Das wolle auch EZB-Chef Draghi nicht. Italien sei inzwischen der größte Gläubiger in diesem Finanzsystem.
Angesichts der aktuellen Finanzpolitik dort geht Henkel nicht davon aus, dass sich die Haltung der Italiener ändern werde, geschweige denn, dass sie ihre Schulden erstatten.
Im September 2018 entscheidet die EZB wieder, ob sie den Kauf der Staatsanleihen fortsetzen wird.
Das komplette Interview mit Hans-Olaf Henkel zum Nachhören: https://de.sputniknews.com/wirtschaft/20171027318057806-experte-schaeuble-will-nicht-zugeben-dass-der-euro-gescheitert-ist/
Quelle: Sputnik (Deutschland)