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Paschinjan riskiert den armenischen Staat

Archivmeldung vom 20.01.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.01.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Nikol Paschinjan (2021)
Nikol Paschinjan (2021)

Lizenz: CC-BY 4.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Premierminister Armeniens, Nikol Paschinjan, sorgte für eine Reihe kleiner Sensationen: Er lehnte die Teilnahme an den OVKS-Übungen ab und deutete an, dass die russischen Friedenstruppen im Südkaukasus durch UN-Truppen ersetzt werden könnten. Warum wird Paschinjans Wunsch, Moskaus Einfluss in der Region zu verringern und die Lösung der Probleme Eriwans mit Baku und Ankara dem Westen anzuvertrauen, Armenien dem Risiko des Verlusts der Staatlichkeit aussetzen? Dies analysiert Gevorg Mirzayan im Magazin "RT DE".

Weiter analysiert Mirzayan  auf RT DE: "Neulich verkündete Nikol Paschinjan, dass Armenien auf die Durchführung der für diesen Monat geplanten OVKS-Übungen "Unbreakable Brotherhood 2023", die auf armenischem Gebiet stattfinden sollte, verzichtet. Die Erklärung ist der Ausdruck von Unzufriedenheit mit der Haltung Russlands in Bezug auf den Latschin-Korridor (der Zuständigkeitsbereich der russischen Friedenstruppen, der faktisch von den sogenannten Umweltschützern aus Aserbaidschan eingenommen wurde und eine Blockade zum Berg-Karabach errichtet haben).

Des Weiteren stellte Paschinjan die Aussicht auf eine künftige Friedensmission Russlands in Berg-Karabach (zu der er UN-Friedenstruppen anstelle der Russen einladen könnte) und die Präsenz russischen Militärs auf armenischem Gebiet infrage.

"In jüngster Zeit begründete Aserbaidschan mit den Kontakten im Westen sein aggressives Vorgehen mit der Befürchtung, Armenien und Russland würden gemeinsame aggressive Aktionen gegen Aserbaidschan vorbereiten. Unter den Bedingungen des Stillschweigens der russischen Kollegen scheint die militärische Präsenz Russlands in Armenien nicht nur keine Garantie für die Sicherheit Armeniens zu sein, sondern im Gegenteil eine Bedrohung für die Sicherheit der Republik",

so der Premierminister.

Die Worte von Paschinjan sind die logische Konsequenz aus zwei Trends. Der erste ist die systematische Politik Aserbaidschans und der Türkei, den Friedensprozess in Karabach zu untergraben. Es gibt sowohl eine taktische als auch eine strategische Dimension.

In taktischer Hinsicht nutzt Aserbaidschan die Konzentration russischer Ressourcen im Gebiet der militärischen Spezialoperation, um das ohnehin siegreiche Resultat des zweiten Karabach-Krieges zu revidieren. Insbesondere versuchen sie, den von Moskau geretteten Teil von Berg-Karabach durch eine Blockade auszuschalten, indem sie die Armenier dort zwingen, ihre Häuser zu verlassen. Offenbar glaubt Aserbaidschan, dass Moskau sich einer solchen Politik nicht in den Weg stellen wird.

"Russland, in einem Konflikt in der Ukraine verwickelt und angesichts einer Verschärfung der Konfrontation mit dem Westen, ist hier und jetzt stärker auf das Tandem Ankara-Baku angewiesen",

meint der Politikwissenschaftler Sergej Markedonow.

In strategischer Hinsicht besteht das Ziel der türkischen Politik darin, das russisch-armenische Bündnis zu sprengen und Russland aus dem Gebiet des Südkaukasus zu verdrängen.

"Nach dem Abschluss der Spezialoperation sollte sich Russland mit der Situation tiefgründig befassen. Sollte aber Russland jetzt aus Armenien verdrängt werden, so wird es seine Präsenz in der Region verlieren und damit auch die Möglichkeit, sich mit dieser Frage zu befassen",

so der armenische Journalist Hayk Khalatyan gegenüber Wsgljad.

Hervorzuheben ist, dass man mithilfe regionaler Machthaber und auf Veranlassung der aserbaidschanischen Seite versucht, Russland aus Armenien zu vertreiben. "Die Fernsteuerung der antirussischen Stimmung in Armenien liegt jetzt in den Händen Bakus. Mit seinen Handlungen versucht Aserbaidschan, Russland in den Augen der armenischen Gesellschaft zu diskreditieren, um einen Keil in die bilateralen Beziehungen zu treiben", so Khalatyan.

Man würde meinen, dass die armenische Führung im Gegensatz zu gewöhnlichen Bürgern mit den Feinheiten der Geopolitik vertraut sein sollte. Und sie müsste es verstehen, dass ein Bruch in den russisch-armenischen Beziehungen für Moskau zwar Probleme mit sich brächte, für Armenien, verbunden mit dem Verlust der Staatlichkeit, aber eine echte Katastrophe sein würde.

Es gibt aber noch einen zweiten Trend. Einigen Experten zufolge könnte die Regierung Paschinjan selbst daran interessiert sein, Russland aus Armenien zu verdrängen. Zum Teil aus persönlichen Gründen des Premierministers (vor seinem Amtsantritt war er ein Gegner der OVKS und der eurasischen Integration), zum Teil aber auch im Interesse der Amerikaner und Europäer, an denen sich der jetzige Premierminister orientiert.

"Verlautbarungen, dass Armenien in Bezug auf die OVKS nichts unternehmen wird, ist keine Stärkung Armeniens in irgendeiner Weise. Es zeugt nur davon, dass die Regierung Paschinjan einen verräterischen Kurs gegenüber seinem Verbündeten fährt, mit dem Wunsch, den Westen in die Region zu locken. In der Hoffnung, dass der Westen, die Vereinigten Staaten und Frankreich das Problem Türkei und Aserbaidschan aus dem Weg räumen. Doch das haben sie nie getan und werden es auch nicht tun. Denn das einzig Wichtige für sie, insbesondere für die Vereinigten Staaten, ist es, Russland aus der Region zu verdrängen. Alles andere – das Schicksal der armenischen Bevölkerung und Berg-Karabachs – interessiert sie nur wenig",

sagte Konstantin Zatulin, erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses der Staatsduma für die GUS und die Beziehungen zu russischen Staatsangehörigen im Ausland.

"Ich bezweifle, dass es andere Friedenstruppen geben wird. Dass der Westen sich dafür entscheidet und dass Aserbaidschan es zulässt",

stimmt Khalatyan zu.

Wie dem auch sei, Frankreich und die USA (die Jerewan rhetorisch unterstützen), lassen sich mithilfe der Öffentlichkeitsarbeit (besonders durch antirussische Medien) in Armenien als echte Alternative zu den russischen Friedenstruppen positionieren. Der Bevölkerung wird eine Wahlmöglichkeit vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht gibt, und auf dieser Grundlage wird dann der Abzug russischer Truppen und integraler Strukturen aus Armenien gefordert.

In Moskau ist man sich darüber im Klaren, aber im Moment versucht man, eine Eskalation zu vermeiden. "Diese Erklärung des armenischen Premierministers ist ziemlich frisch. Ich denke, die Kollegen werden über die OVKS in Kontakt bleiben und die Einzelheiten der armenischen Position klären. (…) Auf jeden Fall ist Armenien unser sehr enger Verbündeter, und wir werden den Dialog fortsetzen, auch in den Fragen, die jetzt sehr kompliziert erscheinen", kommentierte der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow die Absage der Übungen.

Allerdings gibt es noch andere Fronten, die relativ weit von Berg-Karabach entfernt sind, wo das Verhalten sowohl von Jerewan als auch von Baku beeinflusst werden kann. Je erfolgreicher die militärische Spezialoperation Russlands in der Ukraine voranschreitet, desto vorsichtiger werden Moskaus Feinde im Südkaukasus sein. Denn eine Intrige gegen Russland in der Hoffnung, dass es nicht die Kraft haben wird, diesen Intrigen nachzugehen, ist eine Sache. Eine ganz andere Sache ist es zu verstehen, dass Russland nach dem Sieg definitiv auf all jene reagieren wird, die versucht haben, seine "Stunde der Not" zu missbrauchen.

Das betrifft im Übrigen nicht nur Armenien und Aserbaidschan."

Quelle: RT DE

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