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Zynischer Missbrauch

Archivmeldung vom 12.02.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.02.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Am Internationalen Gedenktag für Kindersoldaten (12. Februar) zieht UNICEF eine kritische Bilanz. Trotz eines weltweiten Verbots setzen gegenwärtig mindestens 38 Konfliktparteien in 12 Ländern in großem Stil Jungen und Mädchen als Soldaten ein.

So werden Kinder und Jugendliche in Burundi, Myanmar (Burma), der Elfenbeinküste, der Demokratischen Republik Kongo, Kolumbien, Nepal, den Philippinen, in Somalia, Sri Lanka, Sudan, dem Tschad und Uganda als Kämpfer, Leibwächter, Späher oder Träger eingesetzt. Weltweit gibt es schätzungsweise 250.000 Kindersoldaten; etwa 40 Prozent von ihnen sind Mädchen.

Heute vor fünf Jahren verabschiedeten die Vereinten Nationen ein Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention, das den Einsatz von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Krieg verbietet. Gemeinsam mit der Internationalen Koalition gegen den Einsatz von Kindersoldaten ruft UNICEF dazu auf, den politischen Druck auf Konfliktparteien zu erhöhen, keine Minderjährigen mehr einzusetzen.

„Der zynische Missbrauch von Kindern als Soldaten geht trotz der weltweiten Ächtung als Kriegsverbrechen weiter. Kinder werden von skrupellosen Machthabern und Milizenchefs ausgebeutet. Noch immer werden die Verantwortlichen kaum zur Verantwortung gezogen“, sagte Dietrich Garlichs, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.

Die internationale Kampagne „Stop Child Soldiers“ hat entscheidend zum Zustandekommen des Zusatzprotokolls zur Kinderkonvention beigetragen. Dies ist ein wichtiger politischer Meilenstein. Doch die Probleme sind weiterhin groß:

  • Nichtstaatliche Akteure: Bisher haben zwar 122 von rund 200 Staaten das Abkommen unterzeichnet, 111 haben es ratifiziert - darunter auch Deutschland. Doch viele nichtstaatliche Akteure in den Konflikten der Gegenwart fühlen sich nicht an die internationale Ächtung des Einsatzes von Kindern gebunden.
  • Sicherheitsrat: Als politischer Erfolg ist es anzusehen, dass der UN-Sicherheitsrat sich heute regelmäßig mit dem Thema befasst und eine Liste der Staaten veröffentlicht, in denen Kinder zum Kämpfen gezwungen werden. Allerdings verhängte der Sicherheitsrat nur sehr selten Sanktionen wie Waffenembargos, Kontensperrungen oder Reisebeschränkungen. Im 2006 wurden erstmals die Finanzen zweier Politiker aus der Demokratischen Republik Kongo und aus der Elfenbeinküste eingefroren.
  • Strafverfolgung: Unverständlich ist, dass die verantwortlichen Militärs und Milizenchefs bisher kaum zur Verantwortung gezogen werden. Immerhin hat der Internationale Strafgerichtshof im Januar 2007 erstmals Anklage wegen des Einsatzes von Kindern gegen den ehemaligen Kommandeur einer Miliz im Ostkongo, Thomas Lubanga, erhoben.
  • Demobilisierung: UNICEF unterstützt zusammen mit vielen anderen Hilfsorganisationen in zahlreichen Ländern Programme zur Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten. Seit 2001 nahmen weltweit rund 95.000 ehemalige minderjährige Soldaten an solchen Programmen teil. Doch wenn Krisen ausbrechen, werden auch wieder viele Minderjährige rekrutiert - so zum Beispiel gegenwärtig in Darfur und in Sri Lanka.
  • Mädchen stellen bis zu 40 Prozent der Kindersoldaten. Doch in den offiziellen Demobilisierungsprogrammen finden sie zu wenig Unterstützung. In Sierra Leone waren nur acht Prozent der Teilnehmer Mädchen - obwohl ihr Anteil an den Kindersoldaten viel höher lag. Mädchen werden häufig den Soldaten oder Anführern als „Bräute“ zugeteilt und sexuell missbraucht. Viele werden schwanger und brauchen besondere Hilfe, um wieder in ein normales Leben zurückzufinden.
  • Perspektivlosigkeit: Ehemalige Kindersoldaten sind häufig Außenseiter und werden von Nachbarn und sogar Angehörigen abgelehnt. Manche waren zu Gewalttaten gegen ihre eigene Gemeinschaft gezwungen worden. Auch haben sie meist keine Ausbildung und leiden unter Alpträumen und psychosomatischen Problemen. Aus Hoffnungslosigkeit lassen sich viele erneut rekrutieren.
  • Schlupflöcher: Das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention verbietet zwar Kampfeinsätze für Heranwachsende unter 18 Jahren. Gleichzeitig bleibt aber der freiwillige Dienst in Armeen erlaubt. Dies führt in der Praxis dazu, dass auch in Ländern, die das Zusatzprotokoll unterzeichnet haben, Minderjährige doch wieder in Krisengebieten eingesetzt werden. Zuletzt räumte die britische Regierung ein, dass Jugendliche unter 18 Jahren im Irak eingesetzt wurden. UNICEF setzt sich für eine weltweite Heraufsetzung des Mindestalters für den Soldatendienst auf 18 Jahre ein („Straight 18“).

Aussagen ehemaliger Kindersoldaten

„Ich bin mitgegangen, weil ich niemanden anderes mehr hatte.“ Fatima, Sierra Leone.

„Nachdem die Rebellen meine Familie geworden waren, habe ich alles getan, um meinem Chef zu gefallen.“ Daniel, Liberia.

„Zuerst musste ich die Lampen halten. Dann zeigten sie mir, wie man mit Handgranaten umgeht. Drei Monate später hatte ich eine AK47 und sogar ein G3-Gewehr.“ Georges, Burundi.

„Ich habe gesehen, wie sie Leuten die Hände abschnitten, wie ein 10jähriges Mädchen vergewaltigt wurde und starb… und so viele Männer und Frauen, die verbrannten. Ich habe oft im Stillen geweint, weil ich mich nicht traute, es offen zu tun.“ James, Sierra Leone.

„Das erste Mal ist es schwer zu töten. Dann wird es leichter. Du hast nicht mehr so viel Angst. Manchmal, wenn ich wütend bin, denke ich auch jetzt noch - warum bringst du diesen Menschen nicht um.“ Marie, Uganda.

Quelle: Pressemitteilung UNICEF

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