Hollande will Ankaras Zusagen in Flüchtlingskrise "wachsam beobachten"
Archivmeldung vom 06.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFrankreichs Präsident François Hollande will die Einhaltung des Abkommens der Türkei mit der EU in der Flüchtlingskrise "wachsam beobachten". In einem Interview mit der "Bild" (Mittwoch) erklärte Hollande, die der Türkei zugesagten drei Milliarden Euro "werden nur dann fließen, wenn es auch konkrete Projekte zugunsten der Flüchtlinge gibt - und das werden wir überprüfen. Ebenfalls werden wir wachsam beobachten, ob und wie die Türkei gegen die Schlepper und den illegalen Handel kämpft."
Hollande betonte darüber hinaus, die EU werde "niemals darauf verzichten, die Menschenrechte, die Pressefreiheit und den Minderheiten-Schutz anzusprechen". Gleichzeitig machte Hollande deutlich, dass sich sein Land an die Zusage halten werde, in den kommenden zwei Jahren 30.000 syrische und irakische Flüchtlinge aufzunehmen: "Ich halte Wort", sagte Hollande der "Bild".
Hollande: In Flüchtlingskrise dürfen sich Vorgänge von 2015 nicht wiederholen
Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat Deutschland in der Flüchtlingskrise ermahnt, dass sich die Vorgänge des Jahres 2015 im laufenden Jahr nicht wiederholen dürfen. In einem Interview mit der "Bild" erklärte Hollande, er begrüße die Solidarität, die Deutschland unter Beweis gestellt habe. "Aber keine Frage: 2016 darf sich nicht wiederholen, was 2015 geschehen ist." Hollande mahnte, "die Antwort kann nur europäisch sein. Alles andere würde das Ende von Schengen und die Rückkehr zu nationalen Grenzen bedeuten - ein historischer Rückschritt." Diese Gefahr sei bis vor ein paar Tagen noch real gewesen, betonte Hollande: "Das hätte das Ende der Europäischen Union nach französischen und deutschen Vorstellungen bedeutet, also das Ende gemeinsamer Verantwortung und Solidarität." Er bedauere zwar, so Hollande, "dass die Europäische Union zu spät gehandelt hat. Sie hat es jedoch letztendlich geschafft, eine globale und einstimmige Antwort zu finden."
Zugleich wies der französische Präsident die Darstellung zurück, dass die offenen deutschen Grenzen massiv Flüchtlinge angezogen hätten: "Dieser Zustrom hat bereits im Frühjahr 2015 begonnen, also lange vor der von Deutschland erklärten Öffnung. Ursache für diese Dramen ist die Situation in Syrien, die Bombenangriffe des Regimes, die Gräueltaten von Daesh, dem sogenannten ISIS."
Hollande verteidigte die derzeitige Flüchtlingspolitik. "Europa hätte sich selbst Schande bereitet, wenn es Wirtschaftsflüchtlinge und Personen, die tatsächlich von der internationalen Solidarität abhängig sind, in einen Topf geworfen hätte. Diese Botschaft musste unbedingt gesendet werden." Frankreich werde wie zugesagt 30.000 syrische und irakische Flüchtlinge in den nächsten zwei Jahren aufnehmen. "Ich halte Wort", erklärte Hollande im Gespräch mit der "Bild".
Verharmlosen und Verteufeln der AfD schlechteste Antworten
Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat Deutschland nahegelegt, die AfD weder zu verteufeln noch zu verharmlosen: "Was ich weiß ist, dass sowohl das Verharmlosen als auch das Verteufeln die schlechtesten Antworten sind", sagte Hollande in einem Interview mit der "Bild" auch mit Blick auf die Erfahrungen Frankreichs im Umgang mit dem dortigen "Front National" (FN). "Man muss die falschen Lösungen anprangern, die trügerischen Vorschläge zerlegen, zeigen, dass ihre Wahl nicht nur gegen unsere Werte sondern auch gegen unsere Interessen ist. Man kann nur gewinnen, indem man den Menschen, die erwarten, dass die EU sie beschützt, Antworten liefert."
Scharf attackierte Hollande FN-Chefin Marine Le Pen: "Marine Le Pen versucht alles, um den `Front National` in Frankreich zu verharmlosen. Aber im Europaparlament, in Anwesenheit von Angela Merkel und mir, nimmt sie die alten Reden von der deutsch-französischen Rivalität auf. Sie ruft zur Rückkehr zu nationalen Grenzen auf, zum Austritt Frankreichs aus dem Euro sogar aus der Europäischen Union", so Hollande. "Die Gemeinsamkeit aller extremen Rechten ist die Angst."
Hollande ruft Deutschland zu mehr militärischem Einsatz auf
Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und sich stärker an Auslandseinsätzen zu beteiligen: "Unsere beiden Länder müssen sich zu einer Kraftanstrengung in unseren Verteidigungshaushalten bereit finden. Auch zu Einsätzen außerhalb Europas", sagte Hollande in einem Interview mit der "Bild". "Um uns vom Terrorismus zu befreien, sollten wir uns nicht auf eine andere Macht verlassen - selbst wenn sie zu unseren Freunden zählt."
Zugleich müsse Europa "seinen Kampf gegen den Terrorismus besser als bislang organisieren", forderte der französische Präsident in der "Bild". Dazu müsse man "als Erstes die `Gefährder` identifizieren und die Informationen zentral zusammenführen". Außerdem müsse es systematische Kontrollen an den Außengrenzen Europas geben sowie den Austausch von Fluggastdaten, betonte Hollande.
Der französische Präsident warf Europa in diesem Zusammenhang vor, viel zu langsam zu agieren. Es sei "unerträglich", wie lange manche Entscheidungen bräuchten, sagte Hollande im "Bild"-Interview: "Das ist das größte Problem Europas. Europa braucht oft zu lange, um zu entscheiden. Am Ende gelingt es immer, eine Lösung zu finden - ob bei der Bankenkrise, der Staatsschuldenkrise, der Flüchtlingskrise oder auch beim Anti-Terrorkampf. Aber die dabei verlorene Zeit müssen wir immer teurer bezahlen." Ein Grund ist laut Hollande, dass "mit 28 Mitgliedern schwieriger zu entscheiden ist als mit sechs, zwölf oder 15 Mitgliedern - wie in Zeiten, als François Mitterrand und Helmut Kohl die Fragen der deutschen Wiedervereinigung unter sich klären konnten".
Hollande lobt Zusammenarbeit mit Merkel
Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande hat die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit in den jüngsten Krisen gewürdigt. "Tatsache bleibt, dass Europa sich nur dann weiterentwickeln kann, wenn Frankreich und Deutschland im Gleichschritt gehen", sagte Hollande in einem Interview mit "Bild".
Angela Merkel und er hätten "wie unsere Vorgänger gezeigt, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind". Hollande: "Zusammen haben wir die Finanzkrise angepackt und überstanden sowie die Banken-Union beschlossen. Zusammen haben wir den Rahmen für das europäische Budget bis 2020 festgelegt. Zusammen haben wir am Verbleib Griechenlands in der Eurozone gearbeitet." Ebenso haben man in der Flüchtlingskrise die gleiche Position vertreten, die letztendlich eine Vereinbarung mit der Türkei ermöglicht habe. "Diese Krisen haben uns auf persönlicher Ebene näher gebracht, selbst wenn wir nicht die gleichen politischen Ansichten teilen."
Der Präsident betonte zugleich, dass es in der heutigen EU schwerer sei, zu Ergebnissen zu kommen als es bei den früheren Regierungschefs Helmut Kohl und Francois Mitterrand der Fall war. Mit 28 EU-Mitgliedern sei es "schwieriger zu entscheiden als mit sechs, zwölf oder 15 Mitgliedern - wie in Zeiten, als Francois Mitterand und Helmut Kohl die Fragen der deutschen Wiedervereinigung unter sich klären konnten", sagte Hollande.
Quelle: dts Nachrichtenagentur