Überprüfungen der NGOs: Reaktion der deutschen Stiftungen und die Stellungnahme Russlands
Archivmeldung vom 30.03.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSeit dem 25. März werden in Russland die Büros von nichtstaatlichen organisationen in Bezug auf ihre aktuelle Tätigkeit und Finanzierung aus dem Ausland durchsucht. Betroffen sind auch die deutschen parteinahen Stiftungen. Unsere Korrespondentin Alexandra Gurkowa hat mit Vetretern der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung über die Inspektionen der russischen Staatsanwaltschaft gesprochen und bei russischen Politologen nachgefragt, was der Grund für die Überprüfungen ist.
Im Bericht von Alexandra Gurkowa bei Radio "Stimme Russlands" ist zu hören (Audiodatei kann hier heruntergeladen werden): "Im Sommer 2012 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, seit dem müssen sich Organisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland als "ausländische Agenten" registrieren lassen. Die meisten NGOs haben das bis jetzt nicht gemacht. Der Leiter des Zentrums für Deutschlandstudien Wladislaw Below meint, die Untersuchungen, die seit einigen Tagen landesweit in Nichtregierungsorganisationen stattfinden, sind gerechtfertigt.
Die Änderungen im Gesetz über NGOs gelten seit letztem November. Da ist es auch vorgeschrieben, dass alle örtlichen Behörden das Recht haben, die Institutionen zu überprüfen – nach Anmeldung der Bürger, sowie nach eigener Initiative. Keine der Organisationen hat aber bis jetzt den neuen Status anerkannt.
Mit dem Begriff ausländische Agenten bezeichnet man nicht Spione, sondern Akteure, die in Russland tätig sind, so die offizielle russische Position. Im Rahmen der Überprüfungen werden die Tätigkeiten der NGOs in Bezug auf ihre Ziele und auf die Einhaltung von Gesetzgebungen der Russischen Föderation angeschaut, so die Vertreter des Justizministeriums in einer offiziellen Stellungnahme für die STIMME RUSSLANDS.
Wie die Vertreterin der Generalstaatsanwalt Marina Gridnewa dem Nachrichtendienst Itar-Tass mitteilte, laufen die Überprüfungen der NGOs russlandweit entsprechend dem Plan der Generalstaatsanwalt für die erste Jahreshälfte 2013. Als Ergebnis der Überprüfungen sollten positive und negative Tendenzen in der Branche bestimmt werden. Unter anderem werden aufgedeckte Probleme auch durch Vervollkommnung der Gesetzgebung gelöst.
Von den Untersuchungen betroffen sind auch die deutschen politischen Stiftungen. Der Pressesprecher der Konrad-Adenauer-Stiftung Matthias Barner erzählt, was am 26. März im Petersburger Büro der CDU nahen Stiftung passiert ist.
Dienstagmorgen ist das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Petersburg erneut von Beamten der Staatsanwaltschaft und des Außerministeriums aufgesucht worden. Dabei wurden Computer beschlagnahmt mit der angeblichen Begründung man wollte die Lizenzen für verwendete Software prüfen. Das ist ein Vorgang, den wir in keiner Weise akzeptieren, das ist Besorgnis erregend. Zumal weil das die Arbeit in unserem Büro behindert.
Der Politologe Wladislaw Below meint Gesetze müssen erfüllt werden, aber die Initiative vor Ort ist nicht immer vernünftig. Im Falle der deutschen Stiftungen sollte laut Belov nur ihre russischen Partnerinstitutionen überprüft werden
Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist eine ausländische Organisation und bei Ihrer Tätigkeit in Russland sollten sie auch auf russische Gesetze achten. Die Stiftung behauptet, dass sie sich nicht in innere politische Angelegenheiten Russlands einmischt. Aber im Prinzip die Idee, dass man ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft die Rechner aus dem Büro der Stiftung holt, ist natürlich überhaupt nicht vernünftig.
Die Inspekteure tauchten im Büro der KAS ohne vorher vereinbarten Termin auf. Matthias Barner befürchtet, die Arbeit der Stiftung sei auch weiterhin bedroht, hofft jedoch auf eine gute Entwicklung in dem Fall.
Das war nicht zu erwarten, wir sind als Konrad-Adenauer-Stiftung mit unseren Büros in Moskau und St. Petersburg offiziell registriert. Wir arbeiten seit 1990 in Russland mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Und eine solche weitereichende Behinderung unserer Arbeit kann natürlich zu einer Belastung der deutsch-russischen Beziehungen führen und gerade vor diesem Hintergrund erwarten wir natürlich, dass es wieder schnell wieder zur Normalität kommt.
Wie der Leiter der Heinrich Böll Stiftung in Moskau Jens Siegert am Nachmittag am 28 März auf seiner Facebookseite mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft telefonisch versprochen heute dem Petersburger Büro die beschlagnahmten Rechner zurückzugeben. Somit sei die Überprüfung im KAS-Büro laut Siegert auch zu Ende. Die anderen NGOs werden allerdings weiter durchsucht.
Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau sah es nicht so dramatisch aus wie bei den Kollegen in Petersburg. Peter Donaiski, Leiter der Pressestelle der Friedrich-Ebert-Stiftung meint, die Stiftung möchte zu den Ereignissen keine Stellung nehmen, ist aber bereit über die letzten Ereignisse in ihrem russischen Büro zu erzählen.
Es wurden verschiedene Dokumente angeschaut, es wurden Steuerunterlagen begutachtet, es wurden Dokumente, die mit der Registrierung der Ebert-Stiftung in Moskau zu tun haben geprüft, das ist eigentlich ein eher bürokratischer Vorgang gewesen. Es ist auch nicht so, dass da überraschend jemand im Büro stand, es waren im Vorfeld Termine verabredet gewesen, und es war keine Razzia so wie es teilweise beschrieben wurde. Bei uns war es aus russischer Sicht eine reine Routineüberprüfung.
Wie dem auch sei, haben die Handlungen der örtlichen Behörden zu negativen Folgen und Empörung in ganz Europa geführt. So wurden in Berlin russische Diplomaten zum Außenministerium der BRD beordert und mussten die Lage erklären gefragt. Der Leiter des Europa-Instituts besteht jedoch darauf, dass die missglückte Initiative in Bezug auf die deutschen Stiftungen nicht von der Regierung und dem Präsidenten direkt angeordnet wurden sondern wohl von den örtlichen Behörden. Die Lage sei aber – laut Wladislaw Below- in Deutschland falsch interpretiert worden.
Das ist eine neue Welle der Kritik, wir werden es überleben, und wenn dies nun dazu führt, dass die Inhaber von diplomatischen Pässen keinen visafreien Reiseverkehr bekommen, ist es nicht so schlimm. Aber ein bitterer Nachgeschmack wird schon bleiben.
Zu der aktuellen Überprüfung von mehr als hundert NGOs in ganz Russland, meint das Justizministerium in seiner offiziellen Erklärung: sollte es zu Nachweisen der Gesetzverletzung bei einigen NGOs kommen, wird das Ministerium entsprechende Maßnahmen treffen Wladislaw Below meint, nach den Überprüfungen wird beschlossen werden, ob die NGOs das Recht hatten, sich nicht als Ausländische Akteure zu registrieren. Positiv an den Überprüfungen ist jedoch, dass es sie überhaupt gibt – so kann am Ende festgestellt werden wer wirklich gegen das neue Gesetz verstoßen hat und wer zu Unrecht verschreckt wurde."
Quelle: Text Alexandra Gurkowa - „Stimme Russlands"