Verfassungsschutz-Präsident: NSA-Debatte nicht "nicht seriös"
Archivmeldung vom 15.05.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat die Diskussion über die Zusammenarbeit von BND und NSA scharf kritisiert. "Solange die Vorwürfe nicht belastbar und belegbar sind, halte ich die Art und Weise, wie in Deutschland die Debatte gegen Partnerdienste geführt wird, für nicht seriös", sagte er in einem Interview mit dem "Handelsblatt".
Bevor man solch gewaltige Vorwürfe gegenüber den Amerikanern und anderen westlichen Diensten formuliere, müsse man sehr genau wissen, wie die konkrete Sachlage sei, so Maaßen. "Nichts ist schlimmer, als sich im Nachhinein für ungerechtfertigte Vorwürfe zu entschuldigen."
Ausländische Nachrichtendienste schränkten die Zusammenarbeit mit den deutschen Diensten im Zuge der Affäre bereits ein, warnte der BfV-Chef. Er begrüßte zwar die von SPD-Chef Sigmar Gabriel erhobene Forderung, die deutschen Nachrichtendienste finanziell besser auszustatten, zugleich warnte er: "Ich muss aber betonen: Auch starke, tüchtige deutsche Dienste sind nicht autark. Wir werden nicht ohne andere Dienste auskommen, um Deutschland wirksam vor Angriffen zu schützen."
Kontrollgremium wehrt sich gegen Vorwurf des Geheimnisverrats
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, André Hahn, wehrt sich gegen den Vorwurf des Geheimnisverrats durch Mitglieder des Ausschusses. Der Linke-Politiker sagte der "Welt": "Wir sind mit unverschämten Unterstellungen konfrontiert. Es lässt sich nachweisen, dass in vielen Fällen, in denen zuletzt geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, das Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss erst durch Presse-Veröffentlichungen über Details informiert wurden."
Auch der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, erklärte, dass in der Vergangenheit offensichtlich auch geheime Informationen von anderer Stelle "durchgestochen" wurden, "bevor auch nur ein Parlamentarier die Inhalte kennen konnte", so Flisek. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen. Alle Behörden und Ministerien, die mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses befasst sind, sollten auch in den eigenen Reihen nachschauen."
Zuvor hatte sich Unionsfraktionschef Volker Kauder über die Veröffentlichung geheimer Dokumente im Zuge der NSA-BND-Affäre empört. Dass diese Dokumente in Zeitungen oder im Internet auftauchen, sei nicht tragbar, sagte der CDU-Politiker der "Welt".
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatte es als "Skandal" bezeichnet, dass im Zuge der NSA-Affäre seit Monaten geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangten.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer, sagte der "Welt": "Es ist unsäglich und nicht akzeptabel, dass regelmäßig geheime Dokumente aus dem NSA-Untersuchungsausschuss an die Öffentlichkeit geraten. Das stellt eine starke Beeinträchtigung der Arbeit des BND insbesondere im Hinblick auf notwendige Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten dar", so der CSU-Politiker.
NSA-Affäre: US-Repräsentantenhaus stimmt für Geheimdienstreform
Das US-Repräsentantenhaus hat sich mit großer Mehrheit für eine Geheimdienstreform ausgesprochen. Für den "USA Freedom Act" voteten am Mittwochabend (Ortszeit) 388 Abgeordnete, 88 stimmten dagegen.
Mit der Reform kann das massenhafte Sammeln von Daten der US-Sicherheitsbehörde National Security Agency (NSA) eingeschränkt werden: Demnach soll künftig die Überwachung von Telefondaten, E-Mail-Verkehr und Bewegungsdaten nur noch mit einer Zustimmung durch das Gericht für die Überwachung der nationalen Auslandsgeheimdienste (FISC) erfolgen. Über die Geheimdienstreform muss aber noch der US-Senat entscheiden.
Mit dem "Freedom Act" soll der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschlossene "Patroit Act", welcher im Zuge des `Krieges gegen den Terror` verabschiedet wurde, modifiziert und verlängert werden. Das Gesetz beinhaltet Einschränkungen der US-Bürgerrechte sowie Auswirkungen für USA-Reisende.
Kauder wirft SPD in NSA-Affäre mangelnde Fairness vor
Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat der SPD in der NSA-Affäre mangelnde Fairness im Umgang mit dem Kanzleramt vorgeworfen. "Die Verlautbarungen aus der SPD-Parteizentrale sind völlig überzogen und unfair", sagte der CDU-Politiker der "Welt". "In einer Koalition, die immer auch vom Vertrauen der Partner abhängig ist, ist das kein angemessener Ton."
Mit Blick auf die Sozialdemokraten erklärte der Fraktionschef, wenn ein Koalitionspartner nervös werde, müsse der andere umso ruhiger bleiben. Führende SPD-Politiker hatten zuvor dem Kanzleramt vorgeworfen, die Öffentlichkeit in der NSA-Affäre getäuscht zu haben.
Der Vorwurf zielt vor allem auf den damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla: Dieser habe 2013 aus wahlkampftaktischen Gründen eindeutig die Unwahrheit über die Verhandlungen zu einem sogenannten No-Spy-Abkommen mit den USA gesagt. Kauder verteidigte den früheren Kanzleramtsminister: "Ich habe keinen Anlass, an Ronald Pofallas damaliger Aussage zu zweifeln."
Auch sehe er nach den derzeitigen Erkenntnissen keinen Skandal, "auch wenn es Versäumnisse gegeben haben könnte, weil nicht alle unzulässigen Anfragen entfernt wurden". Kauder bezeichnete die derzeitige Diskussion über die Nachrichtendienste und speziell den BND als "wirklich schlimm".
Noch bevor das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium getagt habe, "wissen die Kritiker schon, was passiert ist und wer die Schuld trägt". Das sei wenig seriös. "Aber so verhalten sich Teile der Opposition und leider auch Teile der SPD", erklärte der CDU-Politiker. Er forderte eine Rückbesinnung darauf, dass Nachrichtendienstkontrolle und permanente Skandalisierung der Nachrichtendienste sich ausschließen. "Insbesondere von der SPD erhoffe ich mir hier Einsicht."
Kauder beklagt Geheimnisverrat in Bundestagsgremien
Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat Fälle von Geheimnisverrat in Bundestagsgremien beklagt. "Ein Parlament und speziell ein Untersuchungsausschuss wird doch seinen Aufgaben nicht gerecht, wenn als geheim eingestufte Dokumente in Zeitungen oder im Internet auftauchen", sagte der CDU-Politiker. Das sei nicht tragbar und stelle das Modell der Kontrolle der Nachrichtendienste in Frage.
"Nach unseren Erfahrungen liegt der Verdacht leider sehr nahe, dass manche in einem Untersuchungsausschuss nach dem Motto handeln: Wenn es politisch opportun ist, vorverurteilen wir nicht nur, sondern brechen notfalls auch die Vertraulichkeit und damit das Recht", kritisierte er. Es sei höchste Zeit, dass auch bei der Kontrolle der Nachrichtendienste Recht und Gesetz strikt beachtet werden. Diese Aufgabe hätten alle Abgeordneten und Mitarbeiter in dem jeweiligen Gremium, so Kauder.
Er stellte zudem klar, dass es zum Wesen der Kontrolle der Nachrichtendienste gehöre, dass nicht alle Erkenntnisse ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsweisen in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden können. "Dazu gibt es aber das Kontrollgremium und dazu gehört auch, dass beispielsweise der Untersuchungsausschuss teilweise geheim tagen muss." Er sagte weiter: "Dass jetzt, nachdem Dokumente des NSA-Untersuchungsausschusses in Wikileaks aufgetaucht sind, sich die Grünen betroffen zeigen, aber gleich die Regierung verdächtigen, ist eine neue Variante in dem Spiel."
Kauder kritisierte auch, dass Staatsanwaltschaften wie in Niedersachsen Ermittlungsergebnisse durchstechen. "Das geht in einem Rechtsstaat nicht." Kauder bezweifelte außerdem, dass die Bundesregierung der von SPD und Opposition geforderten Herausgabe der NSA-Spionage-Listen für den Bundesnachrichtendienst nachkommen wird. "Wenn die Amerikaner nicht dazu bereit sind, wird die Bundesregierung es schwer haben, die Anfrage positiv zu beantworten", sagte Kauder im Interview der "Welt".
Der CDU-Politiker erklärte, dass es offenbar detaillierte Festlegungen über die Zusammenarbeit gebe, die noch in der Zeit des Kanzleramtsministers Steinmeier abgeschlossen worden seien. "Generell sind wir auf die Kooperation angewiesen, was die einseitige Bekanntgabe von Suchanfragen auch von daher schwierig macht", warnte Kauder.
Quelle: dts Nachrichtenagentur