Steinmeier warnt vor Ausweitung der Krim-Krise
Archivmeldung vom 24.03.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach seinem Besuch in der Ukraine hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eindringlich vor einer Ausweitung der Krise gewarnt. "Ich mache mir große Sorgen, dass der völkerrechtswidrige Versuch, 25 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs international anerkannte Grenzen in unserer europäischen Nachbarschaft zu korrigieren, die Büchse der Pandora öffnet", sagte Steinmeier der "Welt am Sonntag".
Er frage sich auch, ob im Vielvölkerstaat Russland die möglichen Auswirkungen bis zum Ende durchdacht worden seien. Zwar sei die beschlossene OSZE-Beobachtermission für die Ukraine ein erster Schritt in Richtung Deeskalation. Doch die Situation vor allem in der Ostukraine sei "immer noch alles andere als stabil". Davon habe er sich in Donezk selbst ein Bild machen können. Einige in Moskau empfänden 20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion einen "tief sitzenden Phantomschmerz", stellte Steinmeier fest.
Der SPD-Politiker drohte: "Sollte Russland über die Krim hinausgreifen, werden wir in Europa einschneidende Maßnahmen beschließen, selbst wenn wir hierfür wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen." Der Außenminister wies zudem Kritik zurück, der Westen trete Russland nicht hart genug entgegen. "Ich kann in unserer Politik keine Schwäche erkennen", sagte Steinmeier. "Es ist gut und wichtig, dass Europa und die USA in dieser Krise in enger Abstimmung handeln. Wir senden klare Botschaften, wir reagieren schnell und geschlossen."
Steinmeier gab allerdings zu bedenken, dass Wirtschaftssanktionen immer beiden Seiten schadeten. "Und Sanktionen allein sind noch keine kluge Außenpolitik", mahnte er. "Wir müssen deshalb kühlen Kopf behalten, den Konflikt vom Ende her denken und unsere Politik gegenüber Russland so gestalten, dass es nicht zu gefährlichen Automatismen kommt."
Steinmeier: Übergangsregierung in Kiew soll sich "von extremistischen Kräften distanzieren"
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die ukrainische Übergangsregierung dazu aufgefordert, sich "von extremistischen Kräften" zu distanzieren. Zwar habe sich "der ganz überwiegende Teil der Menschen auf dem Maidan für demokratische Werte eingesetzt", sagte der Bundesaußenminister im Gespräch mit der "Welt". "Wir verschließen unsere Augen aber auch vor den extremistischen Rändern nicht. Ich habe Ministerpräsident Jazenjuk deshalb in Kiew noch einmal klar gesagt, dass wir erwarten, dass die neue politische Führung in Kiew die Rechte und Interessen aller Ukrainer - unabhängig von Herkunft, Religion oder Sprache - schützt und sich von extremistischen Kräften distanziert."
Der Versuch der Übergangsregierung in Kiew, "die russische Sprache zurückzudrängen", sei ein Fehler gewesen, der "glücklicherweise korrigiert" wurde, so Steinmeier. Zurückhaltend äußerte sich der Außenminister mit Blick auf eine etwaige EU-Mitgliedschaft der Ukraine. "Die Ukraine hat mit der Unterzeichnung des politischen Teils des Assoziationsabkommen einen ersten Schritt in Richtung Europa getan. Jetzt geht es vordringlich um die politische und wirtschaftliche Stabilisierung der Ukraine. Hier hat die Europäische Union umfangreiche finanzielle Unterstützung angeboten und hierauf sollten wir uns alle zunächst konzentrieren", sagte Steinmeier.
Bericht: Bundesregierung will keine direkte Finanzhilfe für die Ukraine
Die Bundesregierung will der Ukraine bis auf weiteres keine direkte Finanzhilfe gewähren. Das berichtet der "Spiegel" unter Berufung auf Kreise im Finanzministerium. Auch die anderen Hilfen für die Ukraine belasten den Bundeshaushalt zunächst nicht. Dies geht aus einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums hervor, die dem "Spiegel" vorliegt. Die Gelder für das 11-Milliarden-Euro-Hilfspaket stammen danach aus drei Quellen. Bis zu einer Milliarde Euro könnte die EU als Darlehen vergeben.
Daneben soll die Ukraine von 2014 bis 2020 Entwicklungsunterstützung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro erhalten. Schließlich gewähren die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zusammen Darlehen in Höhe von bis zu acht Milliarden Euro.
Der stellvertretende CDU-Chef Armin Laschet hat zugleich vor Sanktionen gegen Russland gewarnt. "Wenn wir Wirtschaftssanktionen verhängen, sie am Ende aber vor allem uns treffen, ist niemandem damit gedient", sagte Laschet dem Nachrichten-Magazin.
Umfrage: Jeder Dritte hält Sanktionen des Westens in Krim-Krise für "übertrieben"
Laut einer Umfrage hält mit 34 Prozent mehr als jeder dritte Deutsche die heftige Kritik der EU und den USA in der Krim-Krise sowie die beschlossenen Sanktionen gegen Russland für "übertrieben". In der repräsentativen Umfrage von TNS Forschung im Auftrag des Nachrichten-Magazins "Der Spiegel" gaben 60 Prozent der Befragten an, dass sie die Reaktionen des Westens für angemessen halten. 55 Prozent äußerten zudem viel oder etwas Verständnis dafür, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine und besonders die Krim als Teil der russischen Einflusszone betrachtet. 54 Prozent der Deutschen sprachen sich überdies dafür aus, dass der Westen die Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim durch Russland akzeptieren solle.
Führende SPD-Linke kritisieren Linkspartei in Ukraine-Krise
Führende SPD-Linke kritisieren die Linkspartei für ihre Haltung in der Ukraine-Krise. Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner sagte der "Welt": "Sowohl Diktion als auch Inhalt der Vorwürfe von Teilen der Linken an die Adresse von Frank-Walter Steinmeier sind jenseits von Gut und Böse." Bei der Linkspartei bestehe "ein großer Veränderungsbedarf, damit Rot-Rot-Grün nach 2017 eine realistische Option im Bund sein kann".
Die Unterschiede gerade in der Außen- und Europapolitik seien noch "sehr groß", so Stegner weiter. Auch wegen der Europawahl sehe er derzeit keine Grundlage für eine Annäherung: Bei der Abstimmung seien die SPD und künftige mögliche Koalitionspartner Konkurrenten: Erst danach gehe es darum, "kontinuierliche und verlässliche Kontakte zu den drei kleineren Parteien zu wahren beziehungsweise aufzubauen".
Der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Sieling, erklärte, es gebe "grundsätzliche Unterschiede", die sich "nicht einfach nur auf die Tagespolitik" reduzieren ließen. Man habe es zwar nicht mit einem Bruch zwischen SPD und Linkspartei zu tun. Aber: Die Linkspartei müsse "erstmal wichtige Themen für sich klären".
Hilde Mattheis, Vorsitzende des Vereins Demokratische Linke 21, erklärte: "Ich teile die Kritik an manchen Äußerungen aus der Linkspartei." Die Bundestagsabgeordnete fügte aber an: "Ich warne davor, aufgrund einzelner Unstimmigkeiten gleich das bestehende Fundament für eine mögliche Zusammenarbeit infrage zu stellen".
Der Berliner SPD-Landeschef Jan Stöß sagte der "Welt": "Die aktuelle Debatte zeigt, dass es noch ein weiter Weg ist, bis wir mit den Linken zusammen regieren können." Stöß fügte an, dass derzeit "viel Irrationalität" auf beiden Seiten im Spiel sei. "Wir werden beide aufeinander zugehen müssen."
Die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann sagte: "Einige Aussagen, die im Zusammenhang mit der Ukraine von Teilen der Linkspartei kamen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen." Man dürfe sich aber nicht an den Unterschieden aufreiben, sondern müsse sich "darüber austauschen, wo unsere Gemeinsamkeiten liegen".
Quelle: dts Nachrichtenagentur