Gertz: Wiederaufbau-Arbeit in Afghanistan nicht nur den Militärs überlassen
Archivmeldung vom 01.02.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer deutsche Bundeswehrverband hat deutlich mehr Zusammenarbeit ziviler Wiederaufbau-Verantwortlicher mit den Militärs in Afghanistan gefordert. Verbandschef Oberst Bernhard Gertz sagte gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Donnerstag-Ausgabe):
"Ich
erwarte eine Gesamtanstrengung der Bundesregierung für den
Wiederaufbau Afghanistans. Das geht nicht nur das Auswärtige Amt und
das Verteidigungsministerium an, sondern auch das Innenministerium,
das mehr für die Polizeiausbildung tun könnte, als auch insbesondere
das Entwicklungshilfeministerium." Die Ministerin müsse "die
Prioritäten richtig setzen und geeignetes Personal für den Einsatz
vor Ort bereithalten". Zugleich wies Gertz darauf hin, dass ein
Einsatz deutscher Aufklärungs-Tornados in Afghanistan mit dazu
beitragen könnte, die Zahl ziviler Opfer bei der Bekämpfung der
Taliban deutlich zu senken.
Der Wiederaufbau dürfe nicht nur mittels der Bundeswehr organisiert und finanziert werden, meinte Gertz. Der Verbands-Offizier kritisierte zugleich, dass es "ganz offensichtlich bei der Koordination der zivilen Wiederaufbaumaßnahmen im ganzen Land hapert". Während die "militärischen Anstrengungen gebündelt, konzentriert und ausreichend" seien, "ist die in deutscher Zuständigkeit ablaufende Polizei-Ausbildung zu gering, der Justizaufbau stockt, der in die Zuständigkeit der Italiener fällt, und die Bekämpfung von Drogenanbau und Drogenhandel ist so miserabel, dass Afghanistan über zwei Jahre hinweg Rekordernten und Umsätze im Rauschgiftbereich verzeichnete". Da die Regierung in Kabul "die notwendige Arbeit dabei nicht leisten kann und teilweise auch nicht will, muss sich die internationale Staatengemeinschaft, die militärisch engagiert ist, dazu entscheiden, eigene belastbare, funktionierende und zentrale Aufbaustrukturen aufzubauen", forderte Gertz.
Militärs haben intern bereits mehrfach eine geordnetere und
straffere Koordination der zivilen Hilfe begleitend zu den
militärischen Strukturen der internationalen Truppe gefordert. In
diesem Zusammenhang wurde auch die unzureichende Kontinuität bei der
Besetzung ziviler Wiederaufbau-Koordinatoren im Rahmen der als
vorbildlich geltenden PRT-Teams (Provincial Reconstruction Team)
bemängelt. Zurzeit arbeiten 21 PRT-Zentren in Afghanistan, zwei davon
im Norden unter deutscher Verantwortung. Der Sprecher des
Entwicklungshilfeministerium, Markus Weidling, betonte gegenüber der
Zeitung, dass es bei den deutschen zivilen Experten aus dem
Verantwortungsbereich des Ministeriums wegen Personalwechsels nur
kurze Vakanzen gebe. Grundsätzlich setze man durchaus die Prioritäten
richtig und lasse niemanden im Stich. Das
Bundesverteidigungsministerium zeigte sich "prinzipiell sehr
zufrieden" mit der Zusammenarbeit mit dem Ressort von Ministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) beim Wiederaufbau in Afghanistan.
Sein Sprecher, Thomas Raabe, sagte der Zeitung: "Man muss immer daran
denken, dass die Mitarbeiter dort nicht nach dem Prinzip Befehl und
Gehorsam arbeiten, wie das bei den Soldaten üblich ist. Deshalb kann
es auch zu Vakanzen kommen."
Unter Hinweis auf den bevorstehenden Beschluss über den Einsatz
modernster deutscher Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado,
insbesondere auch für den umkämpften Süden Afghanistans, betonte
Gertz: "Entscheidend ist: Die Leistung der deutschen
Aufklärungs-Tornados mit den von ihnen gelieferten Bildern können
helfen, besser und sicher zu beurteilen, ob es sich bei möglichen
Zielen tatsächlich um Kämpfer oder um Unschuldige handelt." Ganz
offensichtlich hätten auch die Verbündeten erkannt, "dass die Zahl
der so genannten Kollateralschäden entschieden zu hoch und vor allem
ausgesprochen kontraproduktiv" sei. Deshalb wäre ein deutscher
Tornado-Einsatz "sehr sinnvoll, vorausgesetzt, die Bundesregierung
gewährleistet, dass die Verbündeten die Fotos auch im entsprechenden
Sinn nutzen". Außerdem seien die deutschen Tornados "auch für die
Aufklärung im Norden zum besseren Schutz unserer eigenen Truppe
hilfreich".
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung