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Ex-Verfassungsrichter verteidigt Karlsruher Entscheidung

Archivmeldung vom 08.02.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.02.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Das deutsche Bundesverfassungsgericht.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht.

Foto: Tobias Helfrich
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio verteidigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. "Den EuGH die EZB-Anleiheaufkäufe prüfen zu lassen, ist nicht wie vielfach interpretiert eine Unterwerfungsgeste des Bundesverfassungsgerichts", sagte di Fabio der "Welt". "Das Verfassungsgericht behält bei ultra-vires-Rechtssprechung auf jeden Fall das letzte Wort, auch wenn der EuGH das Handeln der EZB für uneingeschränkt rechtmäßig hält."

"Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht und die Pflicht zu prüfen, ob die europäischen Einrichtungen im Rahmen ihrer Kompetenzen handeln", sagte der ehemalige Verfassungsrichter. Wenn die europäischen Institutionen in wichtigen Materien handeln, die ihnen durch die Verträge gar nicht übertragen worden sind, "so wären unter Umständen die daraus hervorgehenden Rechtsakte im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich", sagte di Fabio mit Blick auf die Politik der EZB. "Der EuGH entscheidet normalerweise recht kompetenzfreundlich und versteht sich als Integrationsmotor für Europa. Das Bundesverfassungsgericht hofft aber offenbar darauf, dass auch der Luxemburger Gerichtshof der EZB gewisse Grenzen zieht", sagte di Fabio zu der scharfen Kritik der Karlsruher Richter an dem Programm der EZB.

McAllister begrüßt Karlsruher Entscheidung zum Anleihekaufprogramm der EZB

Der CDU-Spitzenkandidat für die Europawahl, David McAllister, begrüßt die Ankündigung des Bundesverfassungsgerichts, die Entscheidung über das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (OMT-Programm) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. "Die Bundesregierung hat ja selbst vor dem Bundesverfassungsgericht die Auffassung vertreten, dass die Frage der Rechtmäßigkeit solcher Ankäufe in die Zuständigkeit des EuGH falle", sagte McAllister der "Welt". Entscheidend sei, dass eine Aktivierung des Anleiheprogramms an scharfe Bedingungen geknüpft werde. Nun gelte es, die Entscheidung der Luxemburger Richter abzuwarten.

Die Kläger gegen das OMT-Programm fühlen sich bestätigt. "Das ist in erster Linie eine gute Nachricht", sagte der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider der "Welt". Der Beschluss gebe den Verfassungsbeschwerden uneingeschränkt Recht. Karlsruhe habe festgestellt, dass die Beschwerde "voraussichtlich erfolgreich" wäre, gebe aber dem EuGH zugleich die Chance, das OMT-Programm vertragskonform zu interpretieren. Schachtschneider fürchtet aber, dass der EuGH "auch in diesem Fall zu weit" gehen werde und die OMT-Maßnahmen zulasse. Karlsruhe führe klar aus, dass es sich bei dem OMT-Programm um einen ausbrechenden Rechtsakt handle, der mit dem demokratierechtlich tragenden Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung unvereinbar sei. Ein ausbrechender Rechtsakt liegt vor, wenn die Europäische Union ihre Befugnisse überschreitet. Die EU hat nur Befugnisse im Rahmen der Verträge.

Schachtschneider sagte, der EuGH pflege die Integrationsverträge weit überzogen zu interpretieren. "Ich bestreite dem Europäischen Gerichtshof die demokratische Legitimation. Er wird von den Regierungen der Mitgliedstaaten besetzt, den Gegenspielern der Bürgerrechte. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit, kann also über die Interessen der Einzelstaaten hinweggehen", sagte er.

Der Berliner Wirtschaftsrechtler Marcus Kerber sagte der "Welt", Karlsruhe sichere die deutschen Souveränitätsrechte und mache klar, dass es nicht akzeptabel sei, wenn europäische Institutionen ihre Kompetenzen überschritten. "Es gibt eine Senatsmehrheit, dass der OMT-Beschluss weit über das Primärrecht hinausgeht. An der Qualifizierung als europarechts- und damit verfassungsrechtswidrig führt kein Weg vorbei", sagte Kerber.

Ifo-Chef Sinn begrüßt Karlsruher Entscheidung zu EZB-Anleihekaufprogramm

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) und fordert die Bundesregierung auf, eurokritischer zu werden. "Das Verfassungsgericht hat den Klägern bezüglich des OMT vollumfänglich Recht gegeben. Mit dem OMT hat die EZB ihr Mandat überschritten", sagte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts der "Welt".

Sinn hatte bei der Anhörung des Verfassungsgerichts zum OMT-Programm als Experte mitgewirkt. "Auch wenn der EuGH das OMT durchwinkt, wie zu erwarten ist, wird dieses Urteil nachhaltige Wirkungen für die deutsche Europapolitik haben, denn der Bundesbank ist nun der Rücken gestärkt worden", sagte Sinn weiter. "Sollte sich die Bundesregierung hinter dem zu erwartenden EuGH-Urteil verschanzen wollen, würde sie sicherlich auf zunehmenden Widerstand in der deutschen Bevölkerung stoßen. Da sie an Wählerstimmen interessiert ist, wird sie ihre Position nachjustieren müssen und eurokritischer werden."

Sahra Wagenknecht: Draghi & Co. endlich unter demokratische Kontrolle stellen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob der Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Europarecht vereinbar ist, an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet. Dazu erklärt Sahra Wagenknecht, Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE: "Das Anleiheprogramm der EZB würde Banken retten und Steuerzahler verhaften. Karlsruhe hat dem Grenzen gesetzt. OMT sollte einem festgelegten Rahmen für direkte Kredite der EZB an Euro-Staaten weichen. Dies würde die Zinsen für Staaten senken und die Wirtschaft ankurbeln. Draghi & Co. würden endlich unter demokratische Kontrolle gestellt. So oder so: Die EU-Verträge müssen offensichtlich geändert werden, dafür braucht es Volksabstimmungen in allen EU-Staaten. Es gilt, das Vertrauen der Europäerinnen und Europäer wiederzugewinnen, nicht das Vertrauen der Finanzmärkte."

Gauland/Henkel: Fatales Signal aus Karlsruhe

Zur Abgabe von Kompetenzen von Karlsruhe nach Luxemburg erklären der stellv. Sprecher der Alternative für Deutschland, Alexander Gauland und der Spitzenkandidat für die Europawahl, Hans-Olaf Henkel: Das Bundesverfassungsgericht teilte heute mit, den umstrittenen Beschluss der Europäischen Zentralbank über den theoretisch unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorlegen zu wollen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass das Verfassungsgericht einen Fall dem EuGH zur Prüfung vorlegt. Diese Entscheidung reiht sich in den aktuellen politischen Trend ein, immer mehr Souveränität von den Mitgliedstaaten an die Europäischen Union abzugeben.

Gerade an der hochbrisanten Entscheidung über den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen sollten die Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, maßgeblich beteiligt sein. Man kann sich an den Fingern einer Hand abzählen, wie ein Europäischer Gerichtshof, dessen Beamte den politischen Auftrag haben, unter anderem über den Kompetenzzuwachs der Europäischen Union zu wachen, in dieser Sache entscheiden werden. Sicherlich nicht im Sinne der deutschen Steuerzahler.

Es ist ein fatales Signal, wenn das Bundesverfassungsgericht nun damit beginnt, ureigene Kompetenzen nach Luxemburg zu verlagern und damit den deutschen Bürgern jede Möglichkeit einer Mitbestimmung in Deutschland nimmt. In Zukunft wird es besonders dann unerträglich sein, wenn der EuGH über die Verwendung von deutschem Steuergeld entscheiden wird.

Quelle: dts Nachrichtenagentur / Fraktion DIE LINKE. im Bundestag / Alternative für Deutschland

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