Ungarn: Nationalisten demonstrieren gegen Anti-Covid-Maßnahmen
Archivmeldung vom 16.03.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićAm 15.März organisierten die Nationalisten der Partei Mi Hazánk eine Demonstration, um das Ende der Anti-Covid-Maßnahmen zu fordern. Die Mobilisierung war trotz des wachsenden Unmuts gering, die Angst vor der Polizei war stärker. Dies berichtet das Magazin "Unser Mitteleuropa" unter Verweis auf einen Bericht in der "Visegrád Post" und "Magyar Nemzet".
Weiter berichtet das Magazin: "Der 15. März ist ein gesetzlicher Feiertag in Ungarn, an dem der Geist der Freiheit und Unabhängigkeit zu Ehren der Revolution von 1848 gefeiert wird, die die Unabhängigkeit Ungarns forderte, das damals ein Teil des österreichischen Kaiserreichs war.
Allerdings wird es in diesem Jahr aufgrund der Anti-Covid-Beschränkungen keine öffentliche Feier geben. Es muss zugegeben werden, dass es unangemessen gewesen wäre, Freiheit und Souveränität im aktuellen Kontext von Schließungen, Freiheitsbeschränkungen und Ausgangssperren zu feiern.
Trotz des Verbots von Versammlungen aus gesundheitlichen Gründen organisierte die nationalistische Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat) eine Demonstration gegen diese Maßnahmen.
Fast 2.000 Menschen versammelten sich im Zentrum von Budapest vor einem Kasino, einem Symbol der der Regierung angelasteten Doppelmoral, das bis zum 8. März offen bleiben durfte, als neue, strengere Beschränkungen aufgrund der „dritten Welle“ in Kraft traten, während Restaurants, Spas, Cafés und Bars seit Anfang November geschlossen sind, was zu immer mehr Pleiten führt und die Lebensqualität der Bürger dauerhaft verschlechtert.
„Wir wollen die neue Weltordnung von Davos nicht!“ sagte der Vorsitzender der nationalistischen Partei, der erklärte, dass hinter der Covid-Krise und den Gesundheitsmaßnahmen eine viel dunklere politische Agenda stecke.
1848 legten die ungarischen Revolutionäre einen zwölf Punkte umfassenden Forderungskatalog vor. In Anlehnung an diese berühmte Liste verlas der Vorsitzende der Nationalistischen Partei eine Liste mit sechs Punkten:
- Ende der Wirtschaftssperre: die Regierung soll diejenigen arbeiten lassen, die es wollen.
- Schutz der Risikogruppen: Diejenigen, die um ihre Gesundheit fürchten, sollen zu Hause bleiben dürfen. Diejenigen, die keine Angst haben, sollen normal leben und frei arbeiten dürfen.
- Kein Corona-Impfpass in Ungarn: Dieses Projekt ist diskriminierend, schränkt die Freiheiten ein bzw. ist die aktuelle Impfkampagne ein groß angelegter Menschenversuch.
- Wiedereröffnung der Kindergärten, Schulen und Bildungsstätten; stoppen Sie den Raub an der Gegenwart und an der Zukunft der Jugend.
- Die ungarische Regierung soll keine weiteren Kredite mehr aufnimmt, weil es an den Ungarn liegen wird, diese zurückzuzahlen. Einführung einer Pandemie-Solidaritätssteuer, die die Profiteure der Krise – multinationale Konzerne, Kasinos und die Pharmaindustrie – zahlen sollen.
- Pressefreiheit, Ende der Zensur.
Zum letzten Punkt über Pressefreiheit und Zensur betonte László Toroczkai, dass es besorgniserregend und inakzeptabel sei, dass soziale Netzwerke und viele Medien, manchmal automatisch, Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Covid und den Anti-Covid-Maßnahmen zensieren, sobald der Inhalt von der offiziellen Linie abweicht, wodurch es unmöglich wird, bestimmte Maßnahmen in einem demokratischen Rahmen zu diskutieren bzw. zu hinterfragen.
Diese Anti-Covid-Demonstration ist die vierte in Ungarn. Nach sehr milden Einschränkungen im Frühjahr 2020 gefolgt von einem beinahe normalen Sommer, änderte sich das Narrativ ab September 2020 plötzlich und wurde zunehmend härter – wie in anderen Visegrád-Ländern.
Seit Anfang November 2020 hat die ungarische Regierung eine Schließung der Stätten der Freizeit und des gesellschaftlichen Lebens veranlasst. Aber Anfang 2021, als die Zahlen für 2020 herauskamen, räumte die Chefärztin ein, dass von den 10.325 Opfern, die dem Covid von März 2020 bis 7. Januar 2021 zugeschrieben wurden, nur 307 keine bekannte Begleiterkrankung aufwiesen. Zsolt Bayer, ein Fidesz-naher Publizist, veröffentlichte eine Untersuchung in diesem Sinne und relativierte die Gefahr von SARS-CoV‑2 für die allgemeine Bevölkerung. Alles schien auf einen Ausweg aus der Krise hinzudeuten…
Das kommt nicht von ungefähr: Während die Regierung im Dezember die Umsetzung der von der EU geforderten Maßnahmen und insbesondere des Covid-Impfpasses ankündigte, machte sich Unmut im Land breit, das bis dahin geduldig war und auf eine Wiedereröffnung im Januar hoffte.
Seitdem und angesichts der Verlängerung der Maßnahmen organisiert sich der Protest, wenn auch mühsam, da sich die verschiedenen Gesichter der Anti-Covid-Bewegung nicht einigen können. Am 1. Februar organisierte die libertäre Partei Le az Adók 75%-ával Párt (Partei für die Abschaffung von 75% der Steuern) ihre erste Demonstration, zu der rund tausend Menschen auf dem Heldenplatz zusammenkamen. Am 28. Februar versammelte die Organisation Orvosok és Egészségügyi Dolgozók a Tisztánlátásért (Ärzte und Pfleger für Klarheit) 5.000 Menschen auf dem Heldenplatz.
An der Demonstration der nationalistischen Mi-Hazánk-Partei, die sich selbst als „Partei der Wiedereröffnung“ bezeichnet, nahmen höchstens 2.000 Menschen teil. Eine bescheidene Versammlung angesichts der Herausforderung, da es ein Feiertag war und das Wetter mild war. Die Angst – nicht vor dem Virus, sondern vor der Polizei – scheint die Oberhand gehabt zu haben.
Der Polizeieinsatz war in der Tat massiv, wenn auch gewaltfrei: Mehrere hundert Polizisten kontrollierten massenhaft Teilnehmer und notierten deren Daten, um sie, wie bei den Teilnehmern der anderen oben genannten Demonstrationen, später mit einem Bußgeld belegen zu können. Es wurden jedoch keine Festnahmen oder Gewaltanwendung beobachtet.
Wenn zu Beginn der Demonstration der Polizeikordon, der den Umzug zu blockieren versuchte, angesichts der Rufe der schnell wütenden und drohenden Demonstranten sofort nachgab, konnten die Ordnungskräfte bei der Ankunft am Parlament die Kontrolle wiedererlangen und die Demonstration auflösen, indem sie Kontrollen bei allen oder beinahe allen Teilnehmern durchführten.
Während die nationale Konsultation zur Wiedereröffnung noch läuft, hat die „3. Welle“ die Umsetzung der härtesten Maßnahmen (Schließung von „nicht lebensnotwendigen“ Geschäften) seit einem Jahr im nachhinein gerechtfertigt. Schlimmer noch: Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte am vergangenen Sonntag im Radio sogar, dass „die Wiedereröffnung derzeit unvorhersehbar“ sei.
Ein Jahr vor den Parlamentswahlen ist die Situation schwierig für die ungarische Regierung, deren Wählerschaft unter der Last der endlosen und repressiven Anti-Covid-Maßnahmen wegbricht. Die Unzufriedenheit der durch die Einschränkungen ruinierten Kleingewerbetreibenden sowie der Ärger und die Angst eines Teils der Bevölkerung vor der dauerhaften Errichtung einer „neuen Covid-Normalität“ werden der liberalen Opposition, die noch mehr Einschränkungen der Freiheiten fordert und die konservative Regierung für ihre Laxheit angreift, nicht von vornherein zugute kommen; es bleibt abzuwarten, ob Mi Hazánk trotz seines Images als radikale Partei von einer Stimmenverschiebung der enttäuschten, über das Krisenmanagement verärgerten Fidesz-Wähler profitieren wird können.
- Datenbasis: VISEGRÁD POST
Quelle: Unser Mitteleuropa