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Das neue Usbekistan

Archivmeldung vom 11.09.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.09.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Feierlichkeiten zum 30. Unabhängigkeitstag der Republik Usbekistan in Taschkent am 31. August 2021  Bild: Berliner Telegraph UG Fotograf: Alexander Mermelstein
Feierlichkeiten zum 30. Unabhängigkeitstag der Republik Usbekistan in Taschkent am 31. August 2021 Bild: Berliner Telegraph UG Fotograf: Alexander Mermelstein

Usbekistan begeht in diesen Tagen den 30. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Bundespräsident Steinmeier gratulierte seinem usbekischen Amtskollegen Shavkat Mirziyoyev in einem Telefongespräch. Die beiden Länder unterhalten schon seit langem gute Beziehungen. Nur dank der guten Zusammenarbeit mit Usbekistan war es Ende August möglich, so viele Menschen aus Afghanistan zu evakuieren.

Usbekistan liegt im Herzen der alten Seidenstraße und ist berühmt für seine alte Kultur und seine prächtigen Bauwerke. Sie zu besuchen ist seit 2019 ganz einfach: für europäische Bürgerinnen und Bürger ist kein Visum mehr erforderlich, und in Usbekistan erwarten zahlreiche Hotels mit internationalem Standard die Besucher.

Das neue Usbekistan zeigt seine Offenheit

Das Land befindet sich mitten in der Transformation zur Marktwirtschaft. Auch die Demokratisierung schreitet Schritt für Schritt voran. Viele Jahre lang war das Land von seinen Nachbarn und dem Rest der Welt abgeschottet. Rund 35 Millionen Usbeken lebten jahrelang in Isolation, bis Präsident Shavkat Mirziyoyev als Nachfolger des im September 2016 verstorbenen Islam Karimov zunächst provisorisch ins Amt kam. Bei den Wahlen im Dezember 2016 unterstützte ihn die usbekische Bevölkerung und er wurde zum neuen Präsidenten des Landes gewählt. Schon bald nach seinem Amtsantritt entwickelte sich nicht nur in Usbekistan, sondern in der gesamten zentralasiatischen Region eine völlig neue Dynamik, bei der die Länder zusammenkamen und nun zusammenarbeiten. Seit der Konferenz von Samarkand im November 2017 ist das Vertrauen zwischen Usbekistan, Kasachstan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan gewachsen, und es wurde ein gemeinsamer regionaler Rahmen für die Interaktion geschaffen. Das Vertrauen ineinander wächst. Gemeinsame Projekte, neue Straßen und Eisenbahnlinien stärken die regionalen Bindungen und damit die Aussichten auf Investitionen, neue Arbeitsplätze und ein besseres Leben.

Der Wechsel in Usbekistan kam nicht überraschend. Dies wurde bereits in der ersten Rede von Präsident Schawkat Mirziyoyev deutlich, als er seine Landsleute zur Zusammenarbeit aufrief. Er wies darauf hin, dass das Land zahlreiche Reformen benötige, die gemeinsam durchgeführt werden müssten, da nur so die zahlreichen anstehenden Herausforderungen bewältigt werden könnten. Jeder hatte einen Beitrag zu leisten.

Seitdem ist viel passiert. Der Präsident hat sein Programm Schritt für Schritt umgesetzt. Zunächst besuchte er alle Nachbarn in der Umgebung und löste gemeinsam mit ihnen die zahlreichen Konflikte, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten: Konflikte um Wasser, Energie und nicht festgelegte Grenzen. Zugleich hat das Land eine Reform nach der anderen durchgeführt.

Bildung holt auf

Im Bereich der Bildung gibt es einen großen Nachholbedarf. Drei Minister teilten die Bereiche Vorschul-, Sekundar- und Hochschulbildung auf. Neue Lehrpläne haben alte Fächer und Lehrmethoden ersetzt. In den Schulen sind Fremdsprachen, insbesondere Englisch, aber auch Deutsch, gefragt. Die Nachfrage ist so groß, dass es einen Mangel an Lehrern gibt. Gegenwärtig lernen 300 000 Schüler Deutsch - nicht mitgezählt die, die es bereits können.

An den Universitäten werden neue Fächer gelehrt. Wer Touristen in sein Land locken will, braucht Kenntnisse über Märkte und Menschen, Hotels und andere Länder, Lebensmittel und Sprachen. Dozenten aus dem Ausland sind gefragt, weil sie neue Techniken ins Land bringen. Der soziale Sektor wird derzeit reformiert, und vieles befindet sich im Aufbau und im Wachstum.

Wirtschaftswachstum trotz Coronavirus

Wachstum in Zeiten einer Pandemie scheint unmöglich. Tatsächlich aber ist die usbekische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 1,6 % gewachsen. Neue politische Maßnahmen haben entscheidend dazu beigetragen: Handel mit den Nachbarn, Investitionen, neue internationale Kontakte und die gute Nachricht, dass soziale Fragen auf der Agenda der Regierung stehen und zur Verbesserung der Lebensbedingungen im Land beitragen.

Der Handel mit den Nachbarn, der zuvor durch Konflikte blockiert war, hat erheblich zugenommen. Die Grenzen sind offen und der Zustrom nimmt zu. Autos aus Tadschikistan gehören mittlerweile zum Alltag in Taschkent, wo neue Einkaufszentren die Nachbarn anlocken.

Das günstige Klima hat auch Investoren aus dem Ausland angezogen. In diesem Jahr werden Investitionen aus Deutschland in Höhe von 1 Mrd. USD für gemeinsame Projekte erwartet, z. B. in der Textil- und Lebensmittelindustrie, der Pharmazie, der Landwirtschaft und der Baustoffindustrie. Das kürzlich eröffnete Taschkenter Büro der staatlichen deutschen Entwicklungsbank (KfW) soll diese Entwicklung weiter stärken. Darüber hinaus wurden 2020 in Taschkent Repräsentanzen der Industrie- und Handelskammern im Ausland und des Bundesverbands der kleinen und mittleren Unternehmen eröffnet. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Usbekistan und Deutschland stärkt die Beziehungen zwischen den beiden Ländern und ermöglicht den Austausch wertvoller Erfahrungen.

Regionale Zusammenarbeit lockt Investoren an die neue Seidenstraße

Große Unternehmen haben diese noch junge Region entdeckt, denn die regionale Zusammenarbeit hat den zentralasiatischen Wirtschaftsraum, in dem rund 70 Millionen Menschen leben, zu einem interessanten Markt gemacht. Dort wird praktisch alles benötigt, vom täglichen Bedarf bis hin zu kompletten Industrieanlagen. Usbekistan liegt im Zentrum der neuen Seidenstraße und kann daher von den immer stärker werdenden Verkehrsverbindungen mit China und Europa profitieren.

Ein Anschluss an die neue Seidenstraße würde der Baumwollindustrie den Weg zu neuen Märkten öffnen. Seit Jahrzehnten ist sie der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Usbekistan. Er ist immer noch wichtig, aber andere Sektoren werden immer wichtiger. Vor einigen Wochen hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine UN-Organisation, nach umfangreichen Untersuchungen bestätigt, dass Kinder- und Zwangsarbeit nicht mehr existieren - sie gehören der Vergangenheit an. Da die Baumwollpreise dann steigen könnten, hat die Regierung neue Schritte geplant: Die Anbaufläche wurde reduziert und die Rohbaumwolle muss nun im Land verarbeitet werden. Anstelle der langen Transportwege entstehen nun Wirtschaftszentren, so genannte Cluster, in denen Industrieparks die Rohbaumwolle zu fertigen Stoffen verarbeiten - und damit gute, marktgerechte Preise erzielen.

Innovation am Aralsee

Ähnliche Industriecluster sind für die Aralsee-Region geplant. Der Aralsee, der eine Fläche von der Größe Bayerns hat, also etwa 68.000 Quadratkilometer, ist zu 90 Prozent ausgetrocknet. Die Katastrophe dort ist menschengemacht. Der Klimawandel verschlimmert die Situation. Die Flüsse Amu Darya und Syr Darya bewässern zahlreiche Baumwollfelder. Früher brachten sie Wasser in den Aralsee, aber je mehr Baumwolle auf den Feldern angebaut wurde, desto weniger Wasser erreichte den See. Der Wasserstand sank von Jahr zu Jahr, zunächst unmerklich, dann mit immer dramatischeren Folgen. Heute sind nur noch zehn Prozent dessen übrig, was in den 1970er Jahren ein majestätisches Gewässer war. Die Fischkonserven, die die Fischfabrik Muinak in den 1980er Jahren herstellte, sind heute nur noch im örtlichen Museum zu sehen. Millionen von Menschen haben durch das Verschwinden des Wassers ihre Lebensgrundlage verloren.

Internationale Experten suchen nun nach Lösungen für die anstehenden Herausforderungen. Im Oktober 2019 sind sie zu einer Konferenz in Nukus, direkt am Ufer des Aralsees, eingeladen worden, damit sie sich selbst ein Bild machen können.

Die UNO hat die Schirmherrschaft über die Region übernommen, da davon auszugehen ist, dass der globale Klimawandel auch in anderen Teilen der Welt Situationen wie am Aralsee hervorrufen wird. Es gibt eine Reihe von Fragen, die auf der Tagesordnung stehen: Wie kann die Verwüstung gestoppt werden? Wer kann Sandstürme aufhalten, die das Leben auf Hunderten von Kilometern zum Erliegen bringen? Welche Konzepte gibt es, um vergifteten Boden wieder fruchtbar zu machen? Es wird Wissen aus der ganzen Welt zusammengetragen und neue Perspektiven für die Region entwickelt. Sie muss zu einem Zentrum für Technologie und Innovation in Zentralasien werden. Die ersten Schritte sind bereits unternommen worden: Unternehmen, die sich mit dem Thema befassen, erhalten Sonderkonditionen.

Eine neue Fabrik in Nukus verarbeitet Baumwolle nach dem neuen Konzept und schafft 700 neue Arbeitsplätze.

Der Aufruf aus der Aralsee-Region an die Welt wird durch die EU, die UN, das UNDP und andere internationale Organisationen unterstützt. Mit neuen Technologien, Innovationen und Investitionen muss nun wieder Leben in die Aralsee-Region kommen. Gleichzeitig eröffnet die Öffnung Usbekistans viele neue Perspektiven für die gesamte Region. Jetzt arbeiten nicht nur die Nachbarn zusammen, sondern Usbekistan hat seinen rechtmäßigen Platz auf der internationalen Bühne eingenommen.

Die EU unterstützt die Entwicklung in der Region, in Usbekistan und in ganz Zentralasien. Im Mai 2019 nahm sie die zweite Zentralasienstrategie an, die auf eine stabile und nachhaltige positive Entwicklung in der gesamten Region abzielt: Wasserwirtschaft, Gesundheit und Bildung, Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit und zur Bekämpfung der Korruption, Kampf gegen Kriminalität und Drogenhandel und viele andere Themen. Die regionale Zusammenarbeit ist in dieser Hinsicht entscheidend. Usbekistan hat es auf den Weg gebracht. Die Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU hat eine Sonderstellung.

Luftbrücke Kabul-Afghanistan

Die neue Situation in Afghanistan mit der plötzlichen Machtübernahme durch die Taliban erforderte schnelles Handeln und die Evakuierung Tausender von Menschen. Usbekistan hat es ihnen ermöglicht, durch Lufttransporte zwischen Kabul und Taschkent aus der Gefahrenzone zu entkommen.

Usbekistan kennt seine Nachbarn im Süden gut und beliefert Afghanistan mit etwa der Hälfte des Strombedarfs des Landes. In den vergangenen zwei Jahren hat Usbekistan den Handel in den nördlichen Provinzen Afghanistans gefördert. Auch mit den Taliban hat es Gespräche gegeben. Es ist noch nicht klar, ob dies zu einer positiven Entwicklung führen wird.

Die deutsch-usbekische Zusammenarbeit nimmt deutlich zu

Es besteht Grund zu der Annahme, dass die deutsch-usbekische Zusammenarbeit in den kommenden Jahren mit neuen gemeinsamen Projekten weiter wachsen wird. Den Grundstein dafür legten der Besuch von Präsident Shavkat Mirziyoyev in Berlin im Januar 2019 und nur vier Monate später der Gegenbesuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Taschkent im Mai 2019.Die Gespräche zwischen den beiden Präsidenten vor einigen Tagen und der Besuch von Außenminister Maas haben die guten Beziehungen weiter gestärkt. Aber es gibt noch viel zu tun.

Wahlen im Oktober

Nach fünf Jahren werden in Usbekistan Ende Oktober wieder Wahlen stattfinden. Es gilt als wahrscheinlich, dass Präsident Shavkat Mirziyoyev weitermachen kann. Der eingeleitete Reformkurs zielt auf eine weitere Öffnung der Gesellschaft und soziale Reformen, auf eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie auf die Einbeziehung und Beteiligung der Bevölkerung, insbesondere der Jugendlichen.

Anfang September stellte der derzeitige Staatschef auf einem Kongress der Liberaldemokratischen Partei Usbekistans, die die Interessen der Unternehmer vertritt, sein Programm "Strategie des neuen Usbekistan" vor und wurde einstimmig als Kandidat der Partei für die am 24. Oktober stattfindenden Präsidentschaftswahlen bestätigt.

Das Wahlprogramm sieht umfassende politische Reformen vor, darunter die Liberalisierung des Wahlrechts auf kommunaler Ebene. Darüber hinaus sollen die Rechte und Freiheiten aller Menschen in Usbekistan unabhängig von ihrer Nation, Sprache und Religion geschützt und ihnen ein garantiertes Einkommen, eine medizinische Versorgung, eine Wohnung und eine hochwertige Bildung geboten werden.

Der Präsident Usbekistans hat außerdem Pläne für ein landesweites "Yashil makon"-Programm ("Grünraum") angekündigt, in dessen Rahmen jährlich 200 Millionen Bäume im Land gepflanzt werden sollen und ein unbefristetes Moratorium für das Fällen von Bäumen gilt. Gleichzeitig will Usbekistan auch aktiv green economy entwickeln. Insbesondere plant das Land in den nächsten fünf Jahren die Inbetriebnahme von Wind-, Solar- und Wasserkraftwerken mit der Gesamtkapazität von mehr als 5 Tausend Megawatt. Außerdem werden im nächsten Jahr 320 Elektrobusse in Taschkent eingesetzt, und es wird ein spezielles Programm für die Entwicklung des Elektroverkehrs entwickelt. Als Ergebnis all dieser Veränderungen ist geplant, die Menge der in die Atmosphäre ausgestoßenen schädlichen Gase um 10 % zu verringern und die Energieeffizienz der Wirtschaft um 20 % zu steigern.

Neben anderen konkreten Reformschritten kündigte Shavkat Mirziyoyev auch die Senkung der Steuerlast, einschließlich der Mehrwertsteuer und der Grundsteuer, an, was bei den Unternehmern auf große Zustimmung stieß. Der Beitritt Usbekistans zur Welthandelsorganisation (WTO) wird beschleunigt.

In den nächsten fünf Jahren soll das Pro-Kopf-BIP um das 1,6-fache steigen und 120 Milliarden Dollar in die usbekische Wirtschaft fließen, davon mindestens 70 Milliarden Dollar an ausländischen Investitionen. Darüber hinaus soll die usbekische Entwicklungsbank gegründet werden, um Industrieprojekte zu finanzieren und die Infrastruktur in den Regionen aufzubauen. Das Land will seine Traditionen bewahren und lädt Besucher und Investoren ein, Usbekistan besser kennen zu lernen. Die Türen sind offen.

Quelle: Berliner Telegraph UG (ots)

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