Boykott der Euro 2012 im Rahmen eines Treffens in Berlin abgelehnt
Archivmeldung vom 25.05.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist wichtig, Sport und Politik zu trennen. Ein Boykott der Euro 2012 in der Ukraine wäre kontraproduktiv und falsch. Zu diesem Schluss kamen am Mittwoch Delegierte aus Politik, Wirtschaft und der Zivilbevölkerung im Rahmen einer Konferenz in Berlin, bei der es um den Weg der Ukraine in Richtung EU-Integration ging.
"Sport und Politik sollte man nicht vermischen", sagte Dmytro Spivak, Mitglied der sozialdemokratischen ukrainischen Oppositionspartei Ukrainia Vpered. Ausserdem habe die Geschichte gezeigt, dass man mit Boykotten "nichts bewirken kann." Ein möglicher Boykott der Euro 2012 in der Ukraine "würde daher nicht der Regierung, sondern vielmehr den Menschen und der Wirtschaft schaden." Ausserdem schlug er vor, alle Unstimmigkeiten zwischen den Oppositionsparteien ruhen zu lassen, bis das Turnier vorüber ist.
Karl-Georg Wellmann, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, machte deutlich, dass jede weitere Isolation das Land in die Arme Russlands treiben könne. "Es liegt nicht in unserem Interesse, dass die Ukraine Teil des russischen Imperiums wird", sagte er und merkte an, dass man das Land als "einen unabhängigen, von uns unterstützten europäischen Staat mit wachsendem Reichtum und Wohlstand betrachten muss. Das Land gehört zum Westen ... die Ukraine ist Teil Europas und Kiew eine europäische Hauptstadt."
Die kürzlichen Äusserungen von Bundeskanzlerin Andrea Merkel, die das autoritäre Weissrussland und die Ukraine kurzerhand in einen Topf warf, nannte er einen "Versprecher". Ausserdem wies er darauf hin, dass "in Weissrussland im Gegensatz zur Ukraine eine Diktatur regiert und die beiden Länder daher nicht vergleichbar sind."
Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, unterstützt diese Haltung und bezeichnete Merkels Äusserungen als "nicht richtig". Ausserdem erklärte er, dass die deutsche Wirtschaft "ihren Standpunkt nicht teilt."
Wellmann äusserte sich auch zur Debatte rund um die ehemalige ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko, deren angebliche Misshandlung in Gefangenschaft und darauffolgender Hungerstreik Rufe nach einem Boykott laut werden liessen. "Für die Presse ist diese Geschichte das Beste, was ihr passieren konnte", so Wellmann. "Auf der einen Seite der weisse, unschuldige Engel - und auf der anderen Oligarchen und Stalinisten, die ihn foltern. Nur entspricht diese Geschichte nicht den Tatsachen."
Timoschenko kam im vergangenen Oktober ins Gefängnis und sitzt derzeit eine 7-jährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ab. Ihr wird vorgeworfen, während ihrer Amtszeit als Premierministerin im Jahr 2009 einen umstrittenen Gasvertrag mit Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin unterzeichnet zu haben. Dieses Geschäft sorgte für steigende Profite beim russischen Unternehmen Gazprom und resultierte in überhöhten Gaspreisen, die in jüngsten Jahren beinahe das Ende der Ukraine bedeutet hätten. Bis heute ist Putin ein grosser Fürsprecher Timoschenkos.
Kost Bondarenko, Leiter des Instituts für ukrainische Politik, erklärte, dass laut neuesten Umfragen nur 16 % der ukrainischen Bevölkerung Timoschenko zugeneigt sind und 70 % ihr gegenüber eine negative Grundhaltung vertreten. Ausserdem ging aus der Umfrage hervor, dass 66 % der ukrainischen Bevölkerung der Meinung sind, sie würde nicht politisch verfolgt, oder diesbezüglich überhaupt keine Meinung haben.
Der ehemalige Präsident Leonid Krawtschuk lobte unterdessen die positiven Entwicklungen in der Ukraine, darunter die jüngsten Wahlreformen, die Parlamentsabgeordnete der Regierung und der Opposition gemeinsam verabschiedeten. Die Reformen wurden auch von der Venedig-Kommission des Europarats gelobt, die in Verfassungsfragen als Beratungsorgan des Rats auftritt.
Auch hinsichtlich der grossen Bedeutung von offenen und fairen Parlamentswahlen im kommenden Oktober waren sich die Teilnehmer einig. Diese gelten nämlich als letzte Hürde vor der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union.
"Die Ukraine ist ein wesentlicher Teil Europas und das wird sich auch nicht ändern", so Krawtschuk.
Um seinen Standpunkt bezüglich des europäischen Charakters der Ukraine sowie ihrer Bemühungen zu verdeutlichen, sich aus Russlands Umklammerung zu befreien, erinnerte Ex-Präsident Krawtschuk an ein Gespräch mit Michail Gorbatschow: "Gorbatschow hat mir einst gesagt, dass es ohne die Ukraine keine Sowjetunion gäbe. Heute sieht man es in Russland vielleicht eher so, dass es ohne die Ukraine keine Eurasische Union geben wird."
Quelle: Ministry of Foreign Affairs of Ukraine (ots)