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Zeitung: Griechenland-Paket verdoppelt deutsches Risiko

Archivmeldung vom 22.02.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.02.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Das neue Rettungspaket für Griechenland wird das Risiko für die deutschen Steuerzahler mehr als verdoppeln. Nach Berechnungen der "Welt" geht die Bundesrepublik etwas mehr als 31 Milliarden Euro neuer Risiken ein, wenn das Programm der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gesamtumfang von 130 Milliarden Euro bis 2014 vollständig ausgezahlt werden sollte. Bislang betrug das Griechenland-Risiko des deutschen Staates knapp 30 Milliarden Euro, wobei nun erstmals zehn Milliarden Euro für immer verloren sind. Denn auch die staatlichen Kreditinstitute wie Landesbanken oder Abwicklungsanstalten sind vom Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger betroffen und damit auch der Steuerzahler.

Nach der Umschuldung werden die staatlichen Geldhäuser voraussichtlich knapp zehn Milliarden Euro auf ihre Griechenland-Verbindlichkeiten abgeschrieben haben. Die Kosten dafür trägt vollständig der Fiskus auf Landes- oder Bundesebene. Auch die Abschreibungen der Commerzbank sind mit 25 Prozent in diese Berechnung eingeflossen. Nach diesen Verlusten liegt das direkte griechische Gesamtrisiko des deutschen Staates ab 2014 bei rund 51 Milliarden Euro. Dabei sind die griechischen Anleihen der europäischen Zentralbanken nicht einmal mit eingerechnet. Auch hier würde Deutschland knapp 28 Prozent von rund 40 Milliarden Euro tragen müssen, wenn es zu einem Totalausfall käme.

Linken-Chefin Lötzsch: Griechenland-Paket ist "Sterbehilfe"

Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch, hat den Euro-Ländern vorgeworfen, mit dem neuerlichen Rettungspaket für Griechenland "Sterbehilfe" zu leisten. Lötzsch erklärte am Dienstag in Berlin, dass die Finanzminister der Euro-Länder "sich nicht auf die Rettung Griechenlands, sondern auf eine Sterbehilfe geeinigt" hätten. "Der geplante Schuldenschnitt von 53,2 Prozent wird Griechenland nicht aus der Krise führen", so Lötzsch weiter, da die griechischen Schulden bis zum Jahr 2020 lediglich auf 120,5 Prozent der Wirtschaftskraft sinken würden. "Experten gehen davon aus, dass die Schuldenlast mindestens auf 80 Prozent der Wirtschaftskraft fallen müsste, damit Griechenland überhaupt eine Chance hätte, aus der Krise zu kommen", sagte Lötzsch.

Weiterhin forderte sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass diese die Einführung der Finanztransaktionssteuer auch gegen den Willen der Liberalen vorantreiben solle. "Die Kanzlerin muss jetzt für die Gauck-Erpressung einen Preis von der FDP fordern. Dieser Preis muss die Finanztransaktionssteuer sein", so die Linken-Vorsitzende.

Griechenland-Paket: Obama begrüßt Einigung und fordert weitere Anstrengungen

US-Präsident Barack Obama hat die Einigung auf ein neues Hilfspaket für Griechenland begrüßt, gleichzeitig aber angemahnt, dass weitere Schritte notwendig seien, um die europäische Staatsschuldenkrise dauerhaft einzudämmen. Nach Angaben von James Carney, Sprecher des US-Präsidenten, habe sich Obama in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Einigung unterrichten lassen. Merkel und Obama seien der Auffassung, dass neben dem neuen Griechenland-Paket auch die angestrebte Fiskalunion und die jüngsten Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) positive Schritte gewesen seien, um die Euro-Krise zu überwinden. Der US-Präsident mahnte jedoch an, dass die EU weitere Schritte unternehmen müsse, damit ein Übergreifen der Krise auf andere europäische Staaten verhindert werden könne. So müsse beispielsweise sichergestellt werden, dass die Reformen in Griechenland auch umgesetzt werden, erklärte Carney. 

Umfrage: Deutsche Ökonomen begrüßen Hilfspaket für Griechenland

Führende deutsche Volkswirte haben die Einigung auf das zweite Rettungspaket für Griechenland begrüßt. "Das Paket verdient Respekt", sagte Oxford-Professor Clemens Fuest dem "Handelsblatt". "Zum ersten Mal hat die Politik in Europa sich den Realitäten der griechischen Krise gestellt und entschlossen gehandelt." Die Kombination aus einem Abbau des Schuldenstandes und der Budgetdefizite mit Strukturreformen für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sei richtig. Es werde allerdings wohl weitere Pakete geben müssen: "Man wird immer wieder nachverhandeln und nachsteuern müssen", sagt Fuest voraus.

Wenn die Politik Ansteckungsgefahren glaubwürdig begegne und das neue Griechenland-Paket wirklich umsetze, könne dies die Euro-Krise nachhaltig entspannen, sagte auch Holger Schmieding, der Chefvolkswirt der Berenberg Bank. "Allerdings muss die Wirtschaftspolitik absolut glaubwürdig versichern, dass Griechenland ein Sonderfall ist und es weder für Portugal noch irgendein anderes Euro-Land einen Schuldenschnitt geben wird. Sonst könnte es eine gefährliche Kettenreaktion geben."

Kritischer beurteilt der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, die jetzt von der Eurogruppe beschlossenen Maßnahmen: "Der Schuldenschnitt und die 130 Milliarden Euro sollten jetzt einmal bis deutlich über die Wahl im nächsten Jahr hinaus reichen, und darauf kommt es ja offenbar an", sagte er dem Blatt. Ein Beitrag zur Lösung langfristiger, struktureller Probleme sei das Hilfspaket aber nicht. "Indem Griechenland im Euro Erleichterung verschafft wird, wird der Druck, die Preise zu senken und wettbewerbsfähig zu werden, verringert", sagte Sinn. "Die Schuldenkrise bleibt ein Schwelbrand, der allmählich immer mehr deutsches Vermögen vernichtet."

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz, weist solche Kritik zurück. Es gebe nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera, sagte er: "Die Alternative zu dem beschlossenen Rettungspaket wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion. Dies ist aber vor allem auf Grund der Ansteckungseffekte vermutlich der risikoreichere und teurere Weg. Daran könnte die Währungsunion zerbrechen." Das Rettungspaket selbst enthalte zahlreiche Unwägbarkeiten und es bleibe abzuwarten, wie zutreffend die unterstellte Wachstumsentwicklung ist, fügte Franz hinzu.

Die Finanzminister der Euro-Zone hatten in der Nacht auf Dienstag nach zähen Verhandlungen mit den privaten Gläubigern Griechenlands ein neues Hilfspaket auf den Weg gebracht. Dieses sieht bis zum Jahr 2014 Kredite und andere Hilfen im Umfang von 130 Milliarden Euro vor. Mit dem Paket soll der griechische Schuldenberg, der derzeit über 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung beträgt, bis zum Jahr 2020 auf 120,5 Prozent verkleinert werden.

IWF lässt Beteiligung an Griechenland-Hilfe noch offen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) lässt seinen Anteil am zweiten Hilfspaket für Griechenland zunächst noch offen und knüpft dies an Bedingungen. Als Voraussetzung für einen "bedeutsamen" Beitrag zu den geplanten 130 Milliarden Euro nannte IWF-Chefin Christine Lagarde neben Reformen in Griechenland auch "zusätzliche Maßnahmen wie zum Beispiel die korrekte Schaffung eines ordentlichen Schutzwalls". Damit bekräftigte Lagarde ihre Forderung nach einer Aufstockung des Euro-Krisenfonds. Aus ihrer Sicht reiche die Summe nicht aus, um Griechenland nachhaltig aus der Schuldenkrise zu holen. Derzeit sind aus dem laufenden EFSF noch 250 Milliarden Euro Restmittel übrig, der in wenigen Monaten vom ständigen Rettungsfonds ESM abgelöst wird. Nun wollen die Staats- und Regierungschefs beim nächsten EU-Gipfel am 1. und 2. März über eine Aufstockung beraten. Indessen zeigte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble zuversichtlich, dass der Bundestag dem neuen Hilfspaket für Griechenland zustimmen wird. "Da bin ich ganz zuversichtlich", sagte Schäuble am Dienstag auf eine entsprechende Frage im Deutschlandfunk. Nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile sei eine Entscheidung getroffen worden, "die wir gut verantworten können".

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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