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Was Russland hätte besser machen können: Enttäuschtes Vertrauen

Archivmeldung vom 28.10.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.10.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Kiew, 25.01.2014
Kiew, 25.01.2014

Bild: www.globallookpress.com / Siarhei Balai

Im Nachhinein ist man meist klüger. Dies gilt für den Kreml, aber noch mehr für Brüssel und Berlin. Offensichtlich wurden das Potenzial und die Bereitschaft der US-Führung zur Eindämmung Russlands unterschätzt. Manche Fehler sind allerdings "hausgemacht". Teil 2 einer vierteiligen Serie. Dies analysiert Bernd Murawski im Magazin "RT DE".

Weiter analysiert Murawski auf RT DE: "Teil 1 finden Sie hier.

In diesem vierteiligen Beitrag wird die Frage erörtert, welche alternativen Optionen sich Russland zur Durchsetzung seiner politisch-strategischen Ziele geboten hätten. Dabei ist Moskaus schwache Ausgangsposition Ende der 90er Jahre ebenso zu berücksichtigen wie die Interessen der westlichen Staaten und das globale Kräfteverhältnis. Im Zentrum der folgenden Betrachtungen stehen die russisch-deutschen Beziehungen, die sich besonders im letzten Jahrzehnt massiv verschlechtert haben.

Im ersten Teil wurde die Bedeutung wirtschaftlicher Abhängigkeiten erörtert, die beidseitig bestehen und den Handlungsspielraum der politischen Akteure limitieren. Dieser zweite Teil problematisiert die russischen Entscheidungen während des Post-Maidan-Zeitraums. Da die Wertediskussion im russisch-westlichen Verhältnis eine wachsende Rolle spielt, werden im dritten Teil russische Argumentationsschwächen thematisiert. Der vierte und letzte Teil hinterfragt die militärstrategischen Entscheidungen des Kremls im Ukraine-Konflikt.

Russische Kooperationsbereitschaft

Als die ukrainische Regierung auf Betreiben der USA im Jahr 2014 gestürzt wurde, befand sich die russische Volkswirtschaft in einem weitaus fragileren Zustand als heute. Dies mag erklären, warum die Moskauer Führung trotz vorangegangener westlicher Regime-Change-Aktivitäten bereit war, zusammen mit Berlin und Paris an Konfliktlösungen zu arbeiten. Hinzu trat wohl eine gewisse Naivität, die auf den bis dahin guten Beziehungen zu den europäischen Partnern und einer Überschätzung ihrer politischen Handlungsfreiheit beruhte.

Spätestens die im Westen artikulierte Genugtuung über den Regierungssturz durch militante Kräfte des Maidan hätte die Alarmglocken läuten lassen müssen. Schließlich haben Deutschland, Frankreich und Polen als Garantiemächte die Verantwortung übernommen, dass die Vereinbarung zwischen der ukrainischen Regierung und der Opposition für eine Übergangslösung umgesetzt wird.

Trotz dieses Rückschlags war die russische Führung weiterhin bereit, mit Deutschland und Frankreich zu kooperieren, obwohl sie dafür eigene Interessen opfern musste. So wurde das erste Minsker Abkommen zu einem Zeitpunkt geschlossen, als die ostukrainischen Separatisten mit Unterstützung russischer Freiwilliger auf dem Vormarsch waren.

Vorausgegangen waren im Mai 2014 Volksabstimmungen in den Gebieten Donezk und Lugansk, in denen sich eine überwältigende Mehrheit der Bürger für eine Abspaltung von Kiew aussprach. Russland hätte zu jener Zeit die Referenden anerkennen und eigenen Truppen entsenden können, um ein Vordringen der großenteils aus ultranationalistischen Bataillonen bestehenden ukrainischen Einheiten zu verhindern. Dies geschah jedoch nicht, woraufhin die Donezker und Lugansker Separatisten bis Ende Juli große Gebiete verloren.

Der Gegenangriff begann im August und hätte wohl zu einer Rückeroberung des gesamten Territoriums dieser Gebiete geführt, wenn der Kreml nicht zuvor einer Verhandlungslösung mit dem Westen zugestimmt hätte. Nach einem späteren Neuaufflammen der Kämpfe, bei denen es auf beiden Seiten kaum Geländegewinne gab, griffen die Garantiemächte erneut ein und drängten Kiew und die Donbass-Führer zur Akzeptanz des Minsk II-Vertragswerks.

Trotz seiner Verhandlungsbereitschaft konnte Russland Sanktionen nicht verhindern, die der Westen nach der Aufnahme der Krim in den russischen Staatsverband verhängte. Dieser Schritt wurde von den politischen Führungen der EU-Staaten als unverzeihlicher Affront empfunden, obwohl sie sechs Jahre zuvor ähnlich handelten, als sie die Sezession des Kosovo unterstützten.

Warum die russische Führung das Sanktionsrisiko einging und sich nicht für den Status eines eingefrorenen Konflikts bei gleichzeitiger Stationierung von "Friedenstruppen" entschied, dürfte weiterhin Gegenstand von Spekulationen sein. Möglicherweise hoffte der Kreml auf deutsche Unterstützung, was die wiederholte Verwendung des Begriffs "Wiedervereinigung" und Verweise auf die sowjetische Haltung im Jahr 1990 nahelegen. Dies misslang, dagegen konnte ein propagandistischer Sieg an der Heimatfront errungen werden. Der Anschluss der Krim löste eine Woge des Patriotismus aus, verschaffte dem russischen Präsidenten Sympathiepunkte und erhielt sogar Unterstützung aus Kreisen westlich-orientierter Oppositioneller.

Außenpolitisch war die Übernahme der Krim durch Russland eher ein Fiasko. Der Vorwurf des Völkerrechtsbruchs und die Nichtanerkennung des neu geschaffenen Status quo durch fast die gesamte Staatengemeinschaft bedeuteten einen herben Rückschlag für die russische Diplomatie.

Eine mögliche Alternative

Ob eine alleinige Stationierung russischer Militäreinheiten auf der Krim wie auch im Donbass zu westlichen Sanktionen geführt hätte, lässt sich schwer beantworten. Angesichts des gewaltsamen Regierungswechsels und der mangelnden Legitimität der neuen Kiewer Führung hätte der Westen eine Präsenz russischer Truppen wahrscheinlich akzeptiert, wobei diese als vorübergehende Maßnahme zur Entschärfung des Konflikts interpretiert worden wäre. Moskau hätte den Abzug der Militäreinheiten in Aussicht gestellt, nachdem das ukrainische Parlament eine föderale Ordnung mit einer Autonomieregelung für die betroffenen Gebiete verabschiedet und den neutralen Status des Landes bekräftigt hätte.

In den folgenden acht Jahren drängte nicht nur Moskau auf die Umsetzung des Minsker Abkommens, sondern es gab auch westliche Versuche in diese Richtung. Erwähnt sei die sogenannte Steinmeier-Formel, gemäß der ein zuvor vom ukrainischen Parlament beschlossener Autonomiestatus in Kraft treten würde, nachdem in der Donbass-Region Wahlen abgehalten und deren Ergebnisse von der OSZE bestätigt worden wären. Die ukrainische Regierung lehnte diesen Vorschlag ebenso ab wie andere Initiativen im Rahmen des Normandie-Formats, wobei sie Rückendeckung aus den USA erhielt. Als Berlin und Paris im Dezember letzten Jahres bekannt gaben, nicht mehr auf Verhandlungen zwischen Kiew und den Vertretern der Donbass-Regionen zu bestehen, wie es im Abkommen ausdrücklich vorgesehen war, sah sich die russische Führung ein weiteres Mal verschaukelt.

Indem der Kreml am 21. Februar dieses Jahres die Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donezk und Lugansk in ihren Gebietsgrenzen anerkannte, bedeutete dies eine Interpretation der nicht kontrollierten Teilgebiete als illegal von Kiew besetzt. Die drei Tage später begonnene "militärische Sonderoperation" erhielt hierdurch ihre Berechtigung, sie war nach dem Abschluss von Beistandspakten eine logische Konsequenz.

Hätte sich das gesamte Territorium seit 2014 unter der Herrschaft der Donbass-Führungen befunden und wäre dort russisches Militär stationiert gewesen, hätte es keines Eroberungskriegs bedurft. Es hätte nicht einmal einen Grund gegeben, den Status eines eingefrorenen Konflikts zu ändern. Hätte die Kiewer Führung alle Verbindungen gekappt, die Zahlung von Renten und Sozialleistungen eingestellt sowie die Ausstellung von Pässen und anderen Dokumenten verweigert, wie es in der Realität geschehen ist, würden die Gebiete heute wie Teile Russlands behandelt werden und wären ihre Bewohner russischen Bürgern faktisch gleichgestellt."

Quelle: RT DE

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