2003 hat Norwegen scheinbar Geheimverhandlungen mit Taliban geführt
Archivmeldung vom 20.08.2021
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Freigeschaltet durch Anja SchmittBei bislang geheimgehaltenen Versuchen hatten norwegische Diplomaten sich offenbar darum bemüht, den Taliban-Gründer Mullar Omar bereits 2003 in den Friedensprozess einzubeziehen – knapp zwei Jahre nach dem Kriegsbeginn in Afghanistan. Das sagte Norwegens Ex-Ministerpräsident Vidar Helgesen in einem Interview für den Sender NRK am Donnerstag.
Beim russischen online Magazin " SNA News " ist auf der deutschen Webseite weiter zu lesen: "Der schnelle Zusammenbruch der vom Westen unterstützten afghanischen Regierung nach dem US-Truppenabzug hatte die Nato überrascht. Deren Generalsekretär Jens Stoltenberg räumte ein, dass die Rückkehr der Taliban zu erwarten war, aber nicht so schnell.
„Man hätte viel früher einen politischen Dialog mit gemäßigten Taliban beginnen müssen. Am liebsten von Anfang an, da habe ich keine Zweifel“, erklärt Helgesen.
Im Jahr 2002 war er auf Dienstreise in Kabul. „Der UN-Sondergesandte hat verstanden, dass es eine bestimmte Bereitschaft zum Dialog mit gemäßigten Taliban-Elementen gab. So haben wir angefangen“, teilt Helgesen, der zu der Zeit bei einem Einsatz in Sri Lanka war, mit. Später leitete er eine informelle Spendergruppe für Afghanistan.
2003 waren die Taliban geschwächt und kurz davor, sich in mehrere bewaffnete Flügel aufzuspalten. Helgesen war mit seinen Kollegen auf dem Weg zum Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Am vereinbarten Ort traf Helgesen einen religiösen Führer, der als Bote aus Mulla Omars engstem Kreis galt. Der Gründer der Taliban, Mulla Omar, wurde bereits von den Vereinten Nationen und den USA gesucht, und das FBI versprach ein Kopfgeld für Informationen, die zu seiner Festnahme führen könnten.
„Woran ich mich erinnere, war, dass er eine Person war, die ganz anders war als kriegerisch. Sehr mild und leise“, so Helgesen.
Aber das sei bei Terroristenführern nicht selten gewesen. Es hätte Omar an Verständnis für die internationale Situation gefehlt.
Dies sei der erste geheime Versuch gewesen, die fundamentalistische Bewegung in die Zukunft Afghanistans einzubeziehen – das erste Treffen war aber auch das Letzte. Offenbar hätten sich die Militanten durch den Kampfwiderstand besser bedient gesehen. Auch die westliche Seite hätte keine Lust auf einen weiteren Dialog gezeigt. Vor allem die Amerikaner hätten einen starken Glauben an militärische Lösungen gehabt, erklärt Helgesen.
In den darauffolgenden Jahren erklärten sich mehrere Länder und Organisationen bereit, die Verhandlungen wiederaufzunehmen. Auch Norwegen versuchte mehrmals, eine friedliche Lösung in Afghanistan zu finden. In den Jahren 2013 und 2015 fanden in Norwegen geheime Treffen mit den Taliban statt, unter anderem wurden Frieden und Frauenrechte diskutiert.
Helgesen betonte, dass trotz der Diskussionen die Taliban nicht zur ersten Afghanistan-Friedenskonferenz in Bonn im Jahr 2001 eingeladen worden wären.
Über den Vormarsch der Taliban sagte er: „Die Taliban haben anderthalb Jahre lang politisch in den Provinzen gearbeitet, um den Boden dafür vorzubereiten, was wir jetzt sehen. Das ist ein politisches Manövrieren.“
Die Taliban hatten am vergangenen Sonntag die Macht in Afghanistan übernommen. Die islamistischen Kämpfer waren seit dem Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan landesweit auf dem Vormarsch. Präsident Ghani war am Sonntag ins Ausland geflohen, kurz bevor die Taliban den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Kabul einnahmen. Später gestand Ghani in einer Facebook-Botschaft die Niederlage gegen die Taliban ein.
Das Außenministerium in Abu Dhabi teilte am Mittwoch mit, dass sich Aschraf Ghani mit seiner Familie in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhalte. Dieser hat inzwischen in einer Videobotschaft versprochen, bald nach Afghanistan zurückzukehren.
Die Taliban haben den Krieg in Afghanistan für beendet erklärt. Die neue Regierungsform werde in der nächsten Zeit bestimmt. Auf die Bildung einer Interimsregierung werde man sich allerdings nicht einlassen. Mittlerweile haben die neuen Machthaber eine allgemeine Amnestie verkündet. Dennoch versuchen viele Afghanen nach Kräften, ihr Land zu verlassen.
*Unter anderem von der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan, Belarus) als Terrororganisation eingestuft, deren Tätigkeit in diesen Ländern verboten ist.
Quelle: SNA News (Deutschland)