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Widerstand in den USA: Abgeordnete fordern Debatte im Kongreß über Syrien-Einsatz

Archivmeldung vom 24.12.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.12.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Walter Jones (links im Bild) und Charles Rangel. Bild: politaia.org
Walter Jones (links im Bild) und Charles Rangel. Bild: politaia.org

Wie bereits berichtet, veranstalteten die US-Kongreßabgeordneten Walter Jones (Republikaner aus Nord Carolina) und Charles Rangel (Demokrat aus New York) am 19. Dezember in Washington eine Pressekonferenz, in der sie Präsident Barack Obama aufforderten, vor einer Entsendung amerikanischer Truppen nach Syrien erst eine ausdrückliche Genehmigung des US-Kongresses einzuholen. Weitere Redner der Pressekonferenz waren Oberst a.D. Patrick Lang und Oberstleutnant a.D. Frank Schafer, beide langjährige Analysten des US-Militärgeheimdienstes DIA, sowie der Leiter des Nachrichtenstabes des Executive Intelligence Review, Jeffrey Steinberg. Bei der Pressekonferenz wurde auch eine Stellungnahme der Gruppe „Veteranen für Frieden“ (Veterans for Peace) gegen ein militärisches Vorgehen gegen Syrien verteilt.

Hier eine Zusammenfassung der Pressekonferenz mit wichtigen Passagen im Wortlaut, die in deutscher Sprache von der Büso - Bürgerrechtsbewegung Solidarität und dem Nachrichtenblog "politaia.org" veröffentlicht wurde:

In seinen einleitenden Worten kam Jones gleich auf den Punkt: „Der Grund für die heutige Pressekonferenz ist meine Besorgnis, wenn ich an den 19. März 2011 denke, als Präsident Obama unter Umgehung des Kongresses Libyen bombardierte. Sicher, Gaddafi war ein übler Kerl, aber wie viele üble Kerle gibt es auf der Welt? Wenn man beschließt, ein anderes Land zu bombardieren, und damit nicht zum Kongress kommt, dann ist das falsch. Denn wir haben eine Verfassung, die allein dem Kongreß die Befugnis erteilt, einen Krieg zu erklären.“

Jones zitierte dann aus einem Brief, den sechs Abgeordnete – neben Jones und Rangel die Abgeordneten Ron Paul, Mo Brooks, Michael Michaud und Justin Amash – dem Präsidenten geschickt haben:

„Wir schreiben Ihnen, um Sie nachdrücklich aufzufordern, die Nation nicht noch einmal ohne Zustimmung des Kongresses in einen Krieg zu führen. Ihre kürzliche Drohung mit ,Konsequenzen’ für Syrien, wenn dieses Chemiewaffen einsetze, erinnert beunruhigend an die Forderung nach einem Krieg gegen den Irak, um dessen ,Massenvernichtungswaffen’ auszuschalten. Wir möchten Sie daran erinnern, dass die Befugnis, Krieg zu erklären, allein beim US-Kongress liegt. Keine Resolution der Vereinten Nationen oder der NATO kann diese Befugnis, die bewusst den Vertretern des amerikanischen Volkes anvertraut wurde, ersetzen.

Wenn Ihre Regierung es für notwendig hält, Truppen nach Syrien zu entsenden, dann muss dieser Fall dem Kongress vorgetragen werden. Abgesehen von einem tatsächlichen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff auf Amerika ist der einzige Wegbereiter zu einem Krieg die Genehmigung durch den Kongress. Wir fordern Sie auf, sich an die Verfassung zu halten und es den Vertretern des Landes zu überlassen, einen Krieg zu erklären, wenn dies notwendig ist. Es gibt keine größere Verantwortung als die, unsere Söhne und Töchter in einen Krieg zu schicken. Diese Verantwortung liegt nach wie vor beim Kongress der Vereinigten Staaten.“

Jones schloss seine Bemerkungen mit dem Hinweis: „Der Krieg im Irak war nicht notwendig. Die Fortsetzung in Afghanistan ist nicht notwendig, und wir müssen uns nicht in die Lage in Syrien einmischen. Diplomatisch? Okay. Aber lasst uns keinen Soldaten gefährden, keinen Marineinfanteristen, keinen Matrosen und keinen Piloten. Das ist es nicht wert.“

Dann sprach der Abgeordnete Rangel und sagte zuerst an Jones gerichtet: „Ich möchte Ihnen danken, dass Sie uns einen Teil der Schuld abnehmen, die wir als Mitglieder des Kongresses empfinden sollten, wenn wir wissen, dass Ihre mutige Stimme Tag für Tag und Woche für Woche zu hören sein wird und es vielen von uns schwer machen wird. Denn es ist unsere Aufgabe, die Verfassung zu schützen.“

Rangel fuhr fort: „An keiner einzigen unserer Schulen und Universitäten wird gelehrt, dass es irgendeinem Präsidenten erlaubt wäre, unsere jungen Männer und Frauen Gefahren auszusetzen, ohne sich damit vorher an den Kongress zu wenden. So ist es und so war es, und doch haben so viele Zehntausende von Familien seit dem Zweiten Weltkrieg liebe Angehörige verloren. Wir haben tatsächlich den Punkt erreicht, wo die Präsidenten auf den Kongreß pfeifen…

Was sagt also mein Kollege? Daß wir überhaupt keine Kriege führen sollen? Nein, er sagt nicht einmal, führt keinen Krieg wegen Öl. Er sagt bloß: Wenn etwas wichtig genug ist, um einen Krieg zu führen, dann wendet euch an den Kongress. Und das bedeutet eigentlich: Wendet euch an das amerikanische Volk. Ist das zuviel verlangt? Zu sagen, bevor jemand zu Schaden kommt, verwundet wird oder stirbt, fragen wir unser Volk in der Heimat, ob es denkt, daß es das wert ist?“

„Regierung ist auf Kurs in einen Syrien-Krieg“

Der nächste Redner der Konferenz war Oberst a.D. Patrick Lang, ein Veteran der US-Armee, der beim Militärgeheimdienst DIA zeitweilig für alle Operationen der DIA im Nahen Osten und Nordafrika verantwortlich war und heute einen viel beachteten Internetblog betreibt (Sic Semper Tyrannis, http://turcopolier.typepad.com/).

Lang erinnerte zunächst daran, dass er schon Ende 2002 bei einer Veranstaltung in Lexington/Virginia darauf hingewiesen hatte, dass der „Zug schon abgefahren“ sei und die USA sich bereits auf dem Weg in den Krieg im Irak befänden. Viele hätten das damals etwas befremdlich gefunden, aber es habe sich als richtig erwiesen. „Nun ist es meiner Meinung nach wieder Ende 2002. Es steht uns wieder bevor. Denn wenn man sich das Spektrum der Meinungen ansieht, die bei den verschiedenen Veranstaltungen in Washington, zu denen ich manchmal eingeladen werde, von den Denkfabriken verbreitet werden, oder den Tenor der Berichte in den etablierten Medien, dann erzählen sie uns das genau das gleiche, was auch Ende 2002 behauptet wurde. Es gibt starke Übertreibungen.“

Lang zählte dann einige Punkte auf, „die dazu gesagt werden müssen“: „Einer ist, daß im Gegensatz zu all dem, was in dieser Propaganda behauptet wird, das Endergebnis in Syrien alles andere als sicher ist.“ Er verwies dazu auf einen Bericht des britischen Journalisten Cockburn aus Damaskus im Londoner Independent vor einigen Tagen, der sich zwei Wochen lang in Syrien aufgehalten hatte und völlig unbehelligt in die Stadt Homs, einem der Zentren der Sunniten, fahren konnte, ohne irgend etwas vom Krieg wahrzunehmen, dort mit den Menschen sprach und zu dem Schluß kam, das Bild, das der Westen vom baldigen Sturz Assads zeichne, sei grob übertrieben. „Und das ist ein äußerst wichtiges Faktum“, kommentierte Lang.

„Zweitens hat die Regierung der Vereinigten Staaten eindeutig einen Kurs eingeschlagen, der in eine Militärintervention in Syrien führt, wenn man ihm weiter folgt. Woher ich das weiß? Nun, schließlich ist das erklärte Ziel der Politik der Vereinigten Staaten ein Regimewechsel.

Das wurde schon vor einiger Zeit klargestellt.

Kürzlich haben wir verschiedene Gruppen der syrischen Opposition als offizielle Regierung Syriens anerkannt. Auf der Grundlage dieses Vorgehens wäre es auch ohne Maßnahmen der UN in dieser Richtung – von denen mir derzeit nichts bekannt ist – durchaus möglich, dass diese Regierung uns bittet, zu intervenieren, und dann könnten wir behaupten, das wäre ein rechtmäßiges Vorgehen.

Dann ist interessant, daß zu dieser Koalition von Gruppen, die gegen die Regierung Assad kämpfen, eine namens Jabhat Al-Nusra gehört, ein Ableger des weltweiten Al-Kaida-Netzwerks – unseres eigentlichen Feindes in aller Welt, projiziert nach Syrien. Sie gehören zu den wichtigsten Kämpfern gegen die Regierung Assad.

Die Vereinigten Staaten haben diese Gruppe als äußeren Feind [als terroristische Gruppe] verurteilt, trotzdem melden sich die Anführer der übrigen Guerillagruppen, die gegen Assad kämpfen, in aller Welt zu Wort und verlangen, dass wir dieses Urteil gegen Al-Nusra zurücknehmen, weil die Gruppe ihr Freund sei… Wenn die Regierung Assad fällt, wissen wir also überhaupt nicht, was für eine Regierung auf sie folgen wird – wenn überhaupt eine…

Es scheint mir unvermeidlich, dass die US-Regierung, wenn sie diesen Weg weitergeht und sich nicht mit dieser Politik an irgendeinem Punkt geschlagen geben will, zu der Überzeugung gelangen wird, dass sie militärische Gewalt einsetzen muß. Das nähme wahrscheinlich die Form von Luftangriffen und einer Flugverbotszone, direkter Nachschublieferungen für die Rebellen etc. an.“

„Syrienkrieg ist nicht in unserem Interesse“

Auch Schafer formulierte seine Einwände gegen einen Militäreinsatz in Syrien: „Erstens die Strategie – die Strategie, die Verteidigungsminister Panetta gestern vorgestellt hat. Ich habe genau zugehört und bei allem, was ich gehört habe, würde Syrien auf keinerlei sinnvolle Weise mit den geplanten Kürzungen und mit den geplanten Zielen für die Sicherheit für das 21. Jahrhundert zusammenpassen… Gegenüber der Wahrscheinlichkeit, daß ein Amerikaner von Terroristen angegriffen wird, ist es unendlich viel wahrscheinlicher, daß das ein Cyberangriff sein wird.

Ich sage nicht, Terrorismus und Al-Kaida wären keine Bedrohungen. Ich sage, dass wir uns nicht auf das konzentrieren, was für das amerikanische Volk wirklich wichtig ist. Es gibt dort draußen wirkliche Bedrohungen, aber die stehen bei unserer Politik nicht im Mittelpunkt. Syrien ist keine Bedrohung. Es gibt Dinge, mit denen wir uns befassen können und sollten, aber das [Syrien] ist nichts, wo wir als US-Streitkräfte intervenieren sollten.“

Schafer erinnerte an das Geschehen in Libyen: „Libyen war ein funktionierendes Land, wenn auch regiert von einem Verrückten. Er hatte besorgniserregende Waffen, aber gab hat einen Teil davon auf… Jetzt haben wir das Land im Chaos hinterlassen, wo es buchstäblich die Milizen sind, die das Sagen haben. Ich wüsste nicht, wie das gute Staatsführung sein sollte. Ich wüßte auch nicht, wie es in unserem Interesse sein sollte, ein solches Chaos anzurichten.

Von den 20.000 Flugabwehrraketen, die Gaddafi hatte, sind jetzt immer noch 15.000 dort in Umlauf. Lassen Sie mich zu dieser Bedrohung ganz klar sagen: Diese Raketen haben keinen militärischen Wert. Die meisten Flugzeuge können einen Angriff einer SA-7 inzwischen sehr leicht abwehren, es gibt Gegenmittel. Aber zivile Flugzeuge können das nicht. Offen gesagt, das einzige, wozu diese Dinger – diese 15.000 Flugabwehrraketen – verwendet werden könnten, sind Terroranschläge auf Zivilflugzeuge. Das ist es, was wir da entfesselt haben.“
Schafer kritisierte, dass man nichts aus den Fehlschlägen der jüngeren Vergangenheit gelernt habe:

„Es gibt noch ein paar andere Lehren aus jüngerer Zeit, die wir nicht gut gelernt haben und die wir uns genauer anschauen müssen. Afghanistan: Genau die Netzwerke, die wir im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion benutzt haben, insbesondere das Haqqani-Netzwerk, werden jetzt mit großer Wirkung gegen uns eingesetzt. Aber irgendwie haben wir diese Botschaft nicht verstanden, denn wir tun hier dasselbe. Wir stiften Unruhe. Und wir wollen uns mit Gruppen verbünden, die, sobald sie unsere Unterstützung bekommen und dort gewonnen haben, auf uns losgehen. Wie kann das in unserem Interesse sein? In dem Moment, wo man sich auf eine Seite stellt, macht man sich jemand anderen zum Feind.

Nochmals: Wir sollten das strategisch betrachten. Was bedeutet es wirklich? Was werden die sekundären und tertiären Folgen unserer Entscheidung sein, zu intervenieren oder militärisch vorzugehen? Es ist nicht in unserem Interesse. Unsere Aufgabe, als Regierung, als Militär, ist es, das amerikanische Volk zu schützen…

Ich bin Soldat. Mein Job war es in den letzten dreißig Jahren, wohl oder übel unser Land zu verteidigen. Aber letztendlich ist es nicht die Aufgabe des Soldaten, zu kämpfen, solange man es vermeiden kann. Nur wenn man aufgefordert wird, muss man es effektiv, effizient und schnell tun und die Aufgaben erledigen, damit es so wenig unschuldige Opfer wie möglich gibt.

Ein Teil der Aufgabe ist, das hat der Abgeordneten Rangel schon angesprochen: Was sagen wir den Eltern der jungen Leute, die im Kampf gefallen sind? Was ist die Rechtfertigung? Und dazu muss der Kongress wohl oder übel Teil der Debatte sein. Es ist seine Aufgabe. Es ist die verfassungsmäßige Pflicht dieses Gremiums, zu erwägen, warum wir tun, was wir tun. Sie unterschreiben die schrecklichen Schecks. Sie sind unser Aufsichtsrat. Und deshalb sollte unser Aufsichtsrat vollen Zugang zu allen Fragen haben, die mit der guten Ordnung und Disziplin unserer militärischen Aktionen in diesem Land zusammenhängen. Da gibt es keinerlei Spielraum, das ist ganz klar.

Und deshalb ist es so wichtig, daß diese Abgeordneten hier es tun, und man sollte ihren Mut anerkennen. Sie tun das richtige, während andere es nicht tun wollen. Das ist etwas, wozu wir alle unsere besseren Politiker, die besten in unserer Führung auffordern sollten – dass sie Verantwortung übernehmen…

Wir müssen uns die Verantwortlichkeiten für das Vorgehen anschauen, betrachten, warum wir die Dinge tun, wenn wir sie tun, und den Kongreß dazu bringen, daß er über diese Fragen debattiert… Solche Debatten hatten wir nicht, in keinem der Konflikte in den letzten vier Jahren. Offen gesagt sogar schon etwas länger, wenn man es genau bedenkt.

Die Idee ist: Wir brauchen eine verfassungsmäßige Regierung, die die Verfassung achtet: Die Mitglieder des Kongresses sind gewählt, damit sie uns repräsentieren, unsere Interessen wahrnehmen, und dafür auch die Verantwortung übernehmen, und dann, in der Folge, auch die Exekutive zur Verantwortung ziehen für alles, was sie tut oder unterlässt. Es ist in unserem Interesse als amerikanisches Volk, diese Tradition fortzusetzen, weil es richtig ist.“

Absetzungsverfahren gegen Obama?

Anschließend beantworteten die Redner einige Fragen der anwesenden Journalisten. Die Frage, ob die Gefahr bestehe, dass ein von den USA unterstütztes militärisches Eingreifen in Syrien zu einem großen Konflikt mit Russen, Chinesen und Iranern führen könne, gab Jeffrey Steinberg Gelegenheit, auf die entsprechenden Warnungen führender Vertreter Russlands hinzuweisen.

Schließlich wurde auch die Möglichkeit eines Absetzungsverfahrens (Impeachment) gegen Präsident Obama angesprochen, „falls Obama Ihre Forderung missachtet und eine militärische Intervention einleitet, ohne vorher den Kongreß zu konsultieren“. Jones antwortete hierauf:

„Ich denke, es sollte eine Diskussion über eine Absetzung geben. Ich meine das wirklich. Ich denke, das geht schon viel zu lange so… Wo um Gottes Willen bleibt der Kongreß? Wir sind drei gleichrangige Zweige der Regierung. Aber wenn es um Krieg geht, sind wir schon lange nicht mehr gleichrangig.

Ich hoffe, daß es nicht dazu kommt… Ich respektiere Präsident Obama. Ich bin Republikaner und ich habe ihn nicht gewählt, aber ich respektiere ihn. Er ist mein Präsident. Aber ich will, daß mein Präsident, sei er Demokrat oder Republikaner, seine verfassungsmäßige Verantwortung versteht, bevor er unsere Kinder in den Tod schickt.“

Schafer fügte hinzu: „Ich möchte dazu etwas sagen. Worum geht es eigentlich? Ich habe einen Amtseid abgelegt, und ihn mehrfach wiederholt – jedesmal, wenn ich befördert wurde. Und wenn man von mir erwartet, daß ich meinen Amtseid einhalte, dann wird auch vom Präsidenten erwartet, dass er seinen Amtseid einhält.“

Hier finden Sie das englischsprachige Video der Pressekonferenz: http://larouchepac.com/jonespress2

Quelle: Büso - Bürgerrechtsbewegung Solidarität / politaia.org

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