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Afghanistan: Immunität im Austausch gegen Drohnen

Archivmeldung vom 15.10.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.10.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Hamid Karzai Bild: de.wikipedia.org
Hamid Karzai Bild: de.wikipedia.org

Das Schicksal des Kabul-Regimes hängt stark von Washington ab. Deswegen nehmen Experten, laut dem Beitrag von Nikita Sorokin bei Radio "Stimme Russlands", die Unbeugsamkeit des afghanischen Präsidenten in Bezug auf einen weiteren Aufenthalt der US-Truppen im Land als vorgetäuscht wahr. Und Hamid Karzai wird bis zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2014 seine Unnachgiebigkeit zeigen müssen.

Sorokin weiter: "Die am vorigen Wochenende stattgefundenen Verhandlungen zwischen S-Außenminister John Kerry und dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai werden von den internationalen Massenmedien vorwiegend als erfolglos aufgemacht. Das stimmt aber nicht ganz, denn die Grundbedingungen des Sicherheitsabkommens zwischen Washington und Kabul waren bereits zuvor von der Versammlung Loja Dschirga gebilligt worden. Nach dem Abzug der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) aus Afghanistan im nächsten Jahr soll laut dem Vertrag über die strategische Zusammenarbeit eine 10.000 Mann starke US-Armee zehn Jahre lang im Land bleiben. Zudem ist diese Frist künftig zu verlängern. An den strategisch wichtigsten Orten Afghanistans werden bereits neun große Militärstützpunkte eingerichtet. John Kerry und Hamid Karzai konnten sich lediglich über zwei für die USA grundsätzliche Bedingungen nicht einigen. Bei der ersten Bedingung handelt es sich um das Recht der Amerikaner auf selbständige Militäreinsätze ohne Zustimmung Kabuls, bei der zweiten um die juristische Immunität für die einquartierten amerikanischen Soldaten. Die amerikafeindliche Rhetorik sei hauptsächlich mit dem politischen Handel verbunden, den die afghanische Regierung mit Washington treibe, sagte Nikita Mendkowitsch vom Zentrum für afghanische Studien in einem Gespräch mit der STIMME RUSSLANDS.

„Die USA haben eine ziemlich harte Haltung zu vielen Fragen, zudem herrschen in Afghanistan starke antiamerikanische Stimmungen. Deshalb muss Karzai während des Wahlkampfs große Intoleranz gegenüber den USA zeigen und mehr Kritik äußern. All dies erschwert die Verhandlungen. Afghanistan ist aus meiner Sicht aber sehr daran interessiert, dass die ausländischen Truppen nach 2014 im Land bleiben, um beim Kampf gegen die Taliban zu helfen.“

Sollten die Truppen das Land aber verlassen, werde Afghanistan dann nicht nur von den Taliban bedroht, sagte Abdul Hadi Chaled, ehemaliger stellvertretender Innenminister Afghanistans, in einem Gespräch mit der STIMME RUSSLANDS.

„Ja, wir brauchen immer noch eine militärische Präsenz der USA. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens sind unsere Sicherheitskräfte noch nicht entsprechend stark und organisiert. Der zweite Grund ist eher politisch. Unsere Nachbarn im Westen und im Osten kämpfen gegen uns, um unser Land in Einflusszonen aufzuteilen. Deshalb müssen die ausländischen Truppen noch eine Zeitlang in Afghanistan bleiben, um zumindest die Ausbildung unserer Armee fortzusetzen. Vor allem geht es um die Ausbildung der Luftstreitkräfte und der Aufklärungsdienste.“

Der plakative Antiamerikanismus von Hamid Karzai und anderen Politikern widerspiegele aber nicht die wirklichen geopolitischen Vorlieben der afghanischen Spitzenpolitiker, schlussfolgert Nikita Mendkowitsch. Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass die Verhandlungen zwischen Kabul und Washington durch persönliche Ambitionen der Politiker am Ende annulliert werden könnten."

Angst vor neuem Afghanistan-Krieg: „Niemand kommt zu Hilfe“

Um das Amt des afghanischen Präsidenten kämpfen auch radikale Feinde des Westens. Russische Experten und Politiker schließen einen neuen Krieg am Hindukusch nicht aus.

Extremisten sind mit dabei

Der afghanische Wahlkampf kann beginnen: 22 Präsidentschaftskandidaten wurden insgesamt registriert. Die Wahl soll im April 2014 stattfinden. Die russische „Nesawissimaja Gaseta“ schrieb am Mittwoch, unter den Kandidaten gebe es sowohl prowestliche Politiker als auch Vertreter extremistischer Gruppen. Zu den Favoriten zähle der frühere Außenminister Zalmay Rassoul, der die Zuneigung des Westens genieße. Der führende Oppositionskandidat sei Abdullah Abdullah – ebenfalls Ex-Außenminister.

Das Blatt kommentierte: „Wie auch Rassoul gilt Abdullah als relativ sauber, d.h. er soll in keine Korruptionsaffären verwickelt gewesen sein. Sein Wahlpartner, der den Posten des Vizepräsidenten beansprucht, ist jedoch eine Figur aus einem ganz anderen Kartenspiel. Das ist der Paschtune Mohammed Khan von der Partei Hizb-i Islami. Deren militanter Flügel führt Kampfhandlungen gegen die Regierung unter dem Motto ‚Tod für Amerika!‘. Doch der dubioseste Kandidat ist aus amerikanischer Sicht Abdul Rasul Sayyaf. Im Jahr 1996 soll er Osama bin Laden nach Afghanistan eingeladen haben.“

„Voraussetzung für Krieg“

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte im Interview mit dem Sender Russia Today: „Die Probleme mit den Taliban, die keinen Dialog mit der Regierung wollen, spitzen sich zu. Die Taliban wollen nur mit den Amerikanern verhandeln, was für die Regierung inakzeptabel ist. Je länger die Taliban ihre Spiele unter Umgehung der afghanischen Führung spielen, desto wahrscheinlicher wird die Situation, wo die Taliban überhaupt jegliche Gespräche ablehnen und die ganze Macht ergreifen wollen. Das wäre eine Voraussetzung für einen weiteren Krieg in Afghanistan.“

Der russische Afghanistan-Experte Dmitri Werchoturow sagte STIMME RUSSLANDS: „Ich würde nicht sagen, dass eine Revanche der Taliban wenig wahrscheinlich ist. Diese Wahrscheinlichkeit ist zwar nicht so hoch wie Mitte des vergangenen Jahrzehnts, sie besteht aber trotzdem. Aus meiner Sicht ist eine neue Runde des Krieges zu erwarten. Niemand wird diesmal der Regierung zu Hilfe kommen. Faktisch wird es um einen Vernichtungskrieg gehen.“

Drei Entwicklungsszenarien

Ein analytisches Zentrum der Russischen Akademie der Wissenschaften skizzierte drei mögliche Entwicklungsszenarien für Afghanistan nach dem Abzug der Nato-Truppen im Jahr 2014. Der entsprechende Bericht wurde nach Informationen der russischen Tageszeitung „Kommersant“ dem Kreml vorgelegt.

Das Blatt schrieb: „Im Bericht wird festgestellt, dass die Regierung in Kabul die Situation im Land nicht kontrolliert, in dem die Taliban stärker werden. Die afghanische Führung und die USA führen zwar Geheimgespräche mit den Taliban, konnten aber keinen besonderen Erfolg dabei erzielen. In diesem Zusammenhang halten die Experten drei Szenarien nach dem Nato-Abzug für besonders wahrscheinlich. Es geht um eine Machtergreifung durch die Taliban, einen langen Bürgerkrieg oder eine Aufteilung der Einflussbereiche zwischen den Taliban und dem bestehenden Regime.“ Kurzfristig sei eher eine „informelle“ Einflussverteilung zu erwarten. Falls sich die Situation nicht stabilisiere, sei ein Bürgerkrieg möglich.

Quelle: Text Nikita Sorokin - „Stimme Russlands"

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