Niebel kritisiert scharf Israels Blockade- und Gesprächshaltung: "Es ist für Israel fünf Minuten vor Zwölf"
Archivmeldung vom 21.06.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEntwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) ist "betrübt, dass es Israel momentan auch seinen treuesten Freunden so schwer macht, ihr Handeln zu verstehen". Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" sagte Niebel, der auch Vizepräsident der deutsch-israelischen Gesellschaft ist: "Die Einreiseverweigerung für den deutschen Entwicklungshilfeminister in den Gaza-Streifen ist ein großer außenpolitischer Fehler der israelischen Regierung."
Die Zeit, die Israel angesichts der internationalen Proteste gegen die Gaza-Blockade und angesichts der stockenden Verhandlungssituation bezüglich eines grundlegenden Friedens mit den Palästinensern noch verbleibe neige sich dem Ende zu. "Es ist für Israel fünf Minuten vor Zwölf", sagte Niebel. Israel sollte jetzt jede Chance nutzen, "um die Uhr noch anzuhalten." Niebel, gerade auf Dienstreise in Israel und in die palästinensischen Gebiete, war die für Sonntag geplante Einreise in den Gazastreifen von Israel kurz nach seiner Ankunft im Nahen Osten endgültig untersagt worden. Dabei wollte Niebel unter anderem die mit deutscher Hilfe geplante Errichtung eines Klärwerks weiter vorantreiben. Israel hatte allerdings die Einfuhr notwendiger Baumaterialien für das Klärwerk im Prinzip genehmigt. "Wenn die israelische Regierung Unterstützung für ihre neue Gaza-Strategie erwartet, dann muss sie zunächst selbst für mehr Transparenz und für eine neue Partnerschaft sorgen", verlangte Niebel. Die Blockade sei "kein Zeichen von Stärke sondern eher ein Beleg unausgesprochener Angst". Niebel betonte, er habe vor seiner Reise die grundsätzliche Linie sowohl mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) als auch mit dem außenpolitischen Berater der Kanzlerin besprochen. "Dabei ist über vieles geredet aber nicht alles im Detail abgesprochen worden", so Niebel. Der Entwicklungshilfeminister betonte, der Entschließungsantrag von Union, FDP, SPD und Grünen im Bundestag zur Gaza-Blockade und die Aufforderung an Israel zumindest die humanitäre Versorgung, auch über den Seeweg, zuzulassen "hat meine volle Unterstützung". Es gehe um das uneingeschränkte Bekenntnis und den Schutz für Israel aber eben auch um die klare Forderung nach einem Ende der Gaza-Blockade. Er zeigte sich sicher, dass mit einer solch einmütigen Bundestags-Resolution "der politische Druck auf Israel weiter erhöht werden kann". Ziel des gemeinsamen Bundestagsantrages ist es, die Lebenslage der rund 1,5 Palästinenser im blockierten Gaza-Streifen zu verbessern. Die Antragsteller sprechen dabei auch von einer inakzeptablen faktischen Blockade der Vereinten Nationen durch Israel.
Zentralrat der Juden nennt Niebel-Äußerungen "kindisch und zynisch"
Der Zentralrat der Juden kritisiert die Reaktion von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) auf die Einreiseverweigerung für den Gazastreifen durch Israel. Das Verhalten Israels gerade gegenüber einem ausgewiesenen Freund sei zwar ungeschickt und undiplomatisch, so Generalsekretär Stephan Kramer. Die Haltung Israels sei Niebel aber bekannt gewesen, sagte Kramer der in Essen erscheinenden Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung (Montagsausgabe). "Es war sehr ungeschickt, wie Niebel das Ganze hat sich zuspitzen lassen." Wenn Niebel nun davon spreche, dass es für Israel fünf Minuten vor Zwölf sei, müsse er sich als Freund fragen lassen "was um Zwölf passiert". Wenn Niebel schon ein Ultimatum stelle, solle er auch Lösungsvorschläge präsentieren. Scharfe Kritik äußerte Kramer an der Bemerkung Niebels, die Blockade des Gazastreifens sei kein Zeichen von Stärke, sondern eher ein Beleg unausgesprochener Angst. "Das ist kindisch und zynisch angesichts der israelischen Opfer in Sderot und andernorts durch Raketenangriffe aus dem Gazastreifen", so Kramer. Die Blockade berühre vielmehr "vitale Sicherheitsinteressen Israels".
Polenz kritisiert Israel wegen Verweigerung der Einreise in Gazastreifen für Minister Niebel
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), kritisiert Israel wegen der Verweigerung des Besuchs im Gazastreifen für Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). Es sei ein "Fehler, dass Israel dem deutschen Entwicklungshilfeminister die Einreise verweigert hat", sagte Polenz dem Berliner "Tagesspiegel". Es gebe keinen politischen Grund für diesen Schritt, fügte er hinzu. Deutschland beteiligte sich sowohl bilateral als auch über die EU in erheblichem Umfang an der humanitären Hilfe für den Gazastreifen. "Gerade diese Hilfe liegt auch im objektiven israelischen Interesse", sagte Polenz. Es sei eine "unkluge Haltung", wenn die israelischen Behörden Niebel die Möglichkeit eigener Eindrücke und Gespräche im Gazastreifen verwehrten, sagte der CDU-Politiker.
Quelle: Leipziger Volkszeitung / Neue Ruhr Zeitung - Neue Rhein Zeitung / Der Tagesspiegel