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Magazin: EU will der Türkei zunächst 72.000 Flüchtlinge abnehmen

Archivmeldung vom 17.03.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.03.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Flüchtlinge an der libysch-tunesischen Grenze (7. März 2011)
Flüchtlinge an der libysch-tunesischen Grenze (7. März 2011)

Foto: File Upload Bot (Magnus Manske)
Lizenz: CC BY 2.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die EU will der Türkei offenbar zunächst 72.000 Flüchtlinge abnehmen. Das berichtet "Spiegel Online" unter Berufung auf einen Entwurf für eine Vereinbarung zwischen den 28 EU-Staaten und der Türkei beim Gipfeltreffen in Brüssel.

Demnach sollen 18.000 syrische Flüchtlinge auf Basis eines seit Juli 2015 bestehenden Beschlusses zur Umsiedlung in der EU verteilt werden. Dazu kämen weitere 54.000 Flüchtlinge aus einem weiteren, bislang erfolglosen Umsiedlungsprogramm, das die EU Ende September beschlossen hatte. Die Flüchtlinge sollen dem Bericht zufolge allerdings nur in Mitgliedsstaaten verteilt werden, die freiwillig zur Aufnahme bereit sind. Wann die Verteilung stattfinden soll und was passiert, wenn die Europäer 72.000 Menschen aufgenommen haben und dennoch weiter Menschen ankommen, ist noch offen.

Grüne wollen 28.000 Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland holen

Angesichts der dramatischen Situation in Griechenland fordern die Grünen humanitäre Soforthilfe Deutschlands und wollen 28.000 Flüchtlinge aus Griechenland in die Bundesrepublik bringen. Die EU hatte 2015 vereinbart, 160.000 Flüchtlinge zu verteilen: "Deutschland sollte jetzt in Vorleistung gehen und den damals zugesagten Anteil sofort übernehmen. Das wären 28.000 Menschen, die Deutschland jetzt sofort aus Griechenland übernehmen könnte", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, dem "Handelsblatt". "Dafür gibt es jetzt auch wieder mehr Kapazitäten in den landesweiten Aufnahmeeinrichtungen", sagte sie mit Blick auf leerstehende Flüchtlingsheime.

Daneben wollen die Grünen "das gescheiterte Dublin-Regime durch ein neues und faires Verfahren ablösen, an das sich dann alle EU-Staaten halten", so Göring-Eckardt. Dazu verabschieden sich die Grünen von der Idee der Wahlfreiheit für Flüchtlinge und fordern nun eine gesteuerte Verteilung: "Wir brauchen eine Zuweisung, nach der Flüchtlinge in der gesamten EU verteilt werden", sagte Göring-Eckardt. Man müsse verhindern, dass Flüchtlinge innerhalb der EU "ein zweites Mal fliehen, weil sie zum Beispiel Verwandte in einem anderen EU-Staat haben".

Weil für Verhandlungen mit Iran über Flüchtlinge aus Afghanistan

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, eventuell auch mit dem Iran Gespräche darüber zu führen, wie man den Zuzug von Flüchtlingen aus Afghanistan und Pakistan vermindern kann. "Die Gespräche mit der Türkei begrüße ich sehr, es mag aber sein, dass sie nicht ausreichen werden. Wir werden gegebenenfalls auch mit dem Iran über eine Aufnahme von noch mehr Flüchtlingen aus seinen östlichen Nachbarstaaten Afghanistan und Pakistan sprechen müssen. Wir müssen auch dort versuchen, die Sicherung der EU-Außengrenzen schon vor Erreichen der eigentlichen Grenze wirksam werden zu lassen", sagte Weil der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitagausgabe).

Der Ministerpräsident, der demnächst selbst in den Iran reisen wird, äußerte sich besorgt über die Migrantenströme aus dem südasiatischen Raum. "Aus Pakistan und Afghanistan machen sich Menschen in einer Zahlengröße auf den Weg, die uns aus europäischer Sicht erschrecken muss. Darüber sollten wir mit dem Iran sprechen."

Bedenken, man dürfe mit dem Iran wegen dessen Unterstützung für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nicht sprechen oder mit der Türkei wegen der dortigen innenpolitischen Situation, trat Weil entgegen. "Mir sind die rechtsstaatlichen Probleme in der Türkei durchaus bewusst, aber keine Gespräche zu führen, würde den Menschen, die auf der Flucht sind, nicht helfen. In der Internationalen Politik kann man sich seine Gesprächspartner nicht nach Sympathie auswählen. Das wäre unrealistisch und geht an der Not der betroffenen Menschen vorbei."

Juncker vor EU-Gipfel zu Flüchtlingskrise "vorsichtig optimistisch"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich zuversichtlich zu den Erfolgsaussichten des bevorstehenden EU-Gipfels geäußert: "Ich bin vorsichtig optimistisch. Wir werden mit der Türkei in den kommenden Tagen eine verbindliche Abmachung treffen, die wir beim letzten Gipfel bereits vorbereitet hatten", sagte Juncker im Gespräch mit dem "Handelsblatt".

Juncker bestritt, dass die EU mit der Rückführung illegaler Migranten in die Türkei gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoße. "Jeder illegale Migrant wird ein individuelles Asylverfahren durchlaufen, das rund eine Woche dauern soll, wobei er immer ein Recht auf Berufung haben muss. Erst danach kann er in die Türkei zurückgeschickt werden", sagte der Luxemburger. Dieses Vorgehen entspreche internationalen Regeln für den Umgang mit Flüchtlingen.

Skeptisch äußerte sich Juncker zu den Aussichten für die Türkei, EU-Mitglied zu werden. "Momentan ist die Türkei nicht beitrittsreif. Und ich glaube, das wird sie auch in zehn Jahren noch nicht sein", sagte er.

Innenminister: Polizeiarbeit durch Flüchtlingskrise nicht beeinträchtigt

Die Innenminister der Länder sind dem Eindruck entgegengetreten, dass die Polizeiarbeit durch die Flüchtlingskrise eingeschränkt sein könnte. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des "Handelsblatts" unter sieben Innenministerien (Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Thüringen).

Die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vertraten hingegen der Auffassung, dass eine mögliche verstärkte Einsatztätigkeit zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften dazu führen könne, dass "Kapazitäten aus anderen Tätigkeitsbereichen" verschoben werden.

"Es gibt in Bayern keine Sicherheitseinbußen, sei es bei der Straftatenverfolgung oder bei der Verkehrssicherheit", sagte dagegen der Innenminister des Landes, Joachim Herrmann, dem "Handelsblatt".

Klar sei aber auch, so Herrmann weiter: "Unsere Polizei ist derzeit bis ans Limit belastet." Neben den aktuellen Terrorgefahren hielten insbesondere auch die Flüchtlingsströme die bayerische Polizei in Atem. "Umso mehr ist eine schnelle und deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen notwendig."

Auch Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Thüringen registrieren keine Einschränkung der Polizeiarbeit. Die im Zusammenhang mit der Zuwanderungswelle erfolgten Maßnahmen stellten natürlich Anforderungen an die Polizei, "die jedoch bisher nicht zu einer feststellbaren Beeinträchtigung in der Wahrnehmung alltäglicher Aufgaben der Polizei geführt haben", erklärte ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. "Die polizeilichen Kernaufgaben Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung oder Verkehrssicherheitsarbeit werden genauso wie die Bewältigung besonderer Einsatzlagen uneingeschränkt wahrgenommen."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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