Willy Wimmer: Deutschlands Weg in die Agonie
Archivmeldung vom 12.01.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJetzt kann der Weg Deutschlands in die Agonie beginnen, meint Willy Wimmer, in seinem Beitrag bei der deutschen Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik". In den seit dem Mauerfall und dem deklarierten Ende des Kalten Krieges seien fatale Fehler begangen worden, in deren Folge die Chancen für ein stabiles und sich kontinuierlich entwickelndes Verhältnis zwischen dem Westen und Russland zunichte gemacht wurden.
Wimmer weiter: "„Die Erwartung der Russischen Föderation, nach dem Ende des Kalten Krieges in Übereinstimmung mit der Charta von Paris aus dem November 1990 ein "gemeinsames Haus Europa" ansteuern zu können, stieß auf eine USA, die genau das nicht wollte und systematisch die auf friedlichen Ausgleich angelegten Instrumente zwischenstaatlichen Handelns zerstörte“, so der Ex-Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Wir alle wussten es und in Moskau konnte niemand blind sein: Russland sollte nicht dazu gehören und man setzte Russland den Stuhl vor die Türe.“
„Für jedermann war in den letzten 25 Jahren klar, dass die USA die bestimmende globale Macht sein wollten und auch in der Russischen Föderation eine Herausforderung für diese Rolle gerade in der friedlichen Zusammenarbeit gesehen hat, ohne dass die Russische Föderation einen Anlass für diese amerikanische Vorgehensweise gegeben hätte oder hätte geben können“, so der namhafte Politiker, langjähriger verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU und später Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverteidigungsminister. „Diese Entwicklung, die 1992 zunächst darin gipfelte, die Instrumente der Europäischen Gemeinschaft durch die NATO in Osteuropa zu überholen, konfrontiert uns jetzt mit einer höchst unangenehmen Frage. Die Frage danach, was eigentlich geschehen wird, wenn der "point of no return" in dieser Moskau aufgezwungenen Fragestellung erreicht sein wird?“
„Mit amerikanischen und verbündeten Truppen 500 Kilometer von Moskau entfernt dürfte es in Anbetracht aller Potentiale beider Seiten eine ziemlich akademische Frage sein, ob eine militärische Auseinandersetzung auch nur 24 Stunden konventionell sein dürfte und welches Schicksal den amerikanischen Hintersassen in Europa in diesem Kontext beschieden sein würde“, führte Willy Wimmer in einem Interview für die am 19. Januar erscheinende Ausgabe der Schweizer Zeitung "Zeit-Fragen" weiter aus. „Das russische militärische Potential ist in den letzten Jahren in beachtlicher Weise auf Vordermann gebracht worden. Sollte das uns gegenüber in einer Lage eingesetzt werden, die von uns selbst mit herbeigeführt worden sein sollte, würde es unsere Existenz substantiell bedrohen. Eigentlich müsste die für uns logische Konsequenz darin bestehen, zur Charta von Paris zurückzukehren.“
Die Nordatlantische Allianz fährt einen Kriegskurs regional und global“, konstatiert Willy Wimmer. „Die NATO bringt uns mit diesem Kurs um und das mit tatkräftiger Mithilfe der eigenen deutschen Regierung. Man muss sich nur die Äußerungen deutscher Generale an der vordersten Front gegen Russland anhören. Dann wird einem schon in Deutschland schlecht.“
Dabei sei die Politik der Bundesregierung längst nicht selbständig, sondern erfolge nach einem Diktat aus Washington. Der Einfluss auf die politische Klasse und auf die Bevölkerung erfolge unter anderem über Medien und Netzwerke. „Wenn man auf das eigene Land blickt, dann haben sich die Investitionen in transatlantische Netzwerke, die Politik und Presse umfassen, eindeutig für diejenigen gelohnt, die diese Netzwerke geschaffen haben“, sagte er. „Das hat eine Menge mit dem Charakter von Berlin zu tun. Die Stadt ist politisch gesehen in den Händen dieser Netzwerke, die auf den Weg der deutschen Politik einen größeren Einfluss haben als selbst deutsche Ministerpräsidenten oder gar die deutschen Wähler.“
„Wenn man es nüchtern sieht, ist Deutschland wieder einmal geteilt. Zumindest in jene, die sich bei alternativen Medien umsehen und ihre Meinung bilden, oder denjenigen, die im Mainstream kurz davor sind, ihre Abos zu kündigen“, konstatiert Willy Wimmer. „Es hat noch nie so viele und gravierende Beschwerden gegen die Programme der Sender gegeben, die nur noch die Kriegstrommel schlagen. Nachdem wir von einem Krieg in den anderen getrieben worden sind, ist vielen Menschen im Lande sehr gewusst, dass es längst nicht mehr darum geht, die Zensur der Presse, siehe Spiegel-Affäre, zu verhindern, sondern der Zensur durch die Presse das Handwerk zu legen.“
„Die Welt hat vor zwei Jahren an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor damals einhundert Jahren gedacht. Es war nicht das Einzelereignis in Sarajevo, das die Welt in Brand gesetzt hat. Über viele Jahre wurde an einer Großwetterlage gestrickt, bei der nur ein Einzelereignis nötig war, den Himmel in Flammen zu setzen. Dazu hat man nur einige Bosnier gebraucht“, stellt er fest. „Die USA haben seit dem Angriff auf das Belgrad 1999 alles getan, die Welt für den großen Krieg vorzubereiten. Es ist die Frage danach, ob man wieder einen jungen Mann braucht und wann man ihn losschickt.“"
Quelle: Willy Wimmer - Sputnik (Deutschland)