USA: Man soll den Putsch nicht übersehen
Archivmeldung vom 11.01.2021
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Freigeschaltet durch Anja SchmittManche Beobachter beschreiben die Ereignisse im Washingtoner Kapitol abschätzig als einen Aufmarsch von Durchgeknallten, berauscht von Trumps Tiraden – so, als wollten sie partout nicht sehen, was auf die USA noch zukommen kann. Dies schreibt das russische online Magazin „SNA News“ .
Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes zu lesen: "Fünf Menschen sind ums Leben gekommen, als tausende Trump-Anhänger am 6. Januar gewaltsam in das Kapitol in Washington eindrangen. Als eine aus dem Ruder gelaufene Veranstaltung lässt sich so etwas freilich nicht werten. Zur Darstellung gehört auch, dass die Erstürmung des Kongressgebäudes erst erfolgte, nachdem Trump die aufgebrachte Menge mit einem „Du kannst nicht gewinnen, wenn du schwach bist“ dazu angestachelt hatte, „Amerikas Demokratie“ zu retten.
Vielleicht hegten viele in dem Pulk, der ins Kapitol hineinstürmte, keine bösartigen Absichten gegenüber den Abgeordneten im Kongressgebäude, die zu dem Zeitpunkt dabei waren, den Wahlsieg Joe Bidens zu bestätigen. Doch an der Gewissheit, dass Trump und seine glühendsten Anhänger vorhatten, den Wahlablauf zu kippen, ändert dies nichts. Ein anderes Wort für „kippen“ ist „umstürzen“, und „den Politbetrieb umzustürzen“ kommt der Definition von „Putsch“ schon sehr nah.
Feststeht außerdem, dass sich Mitglieder neofaschistischer Milizen in der aufgebrachten Menge befanden, bewaffnet und mit Kabelbindern ausgerüstet: ein Hinweis auf das Vorhaben, Menschen im Kapitol zumindest gewaltsam festzunehmen oder zu entführen. Galgenstricke mitzuführen und „Mike Pence hängen“ zu skandieren, zeugt auch nicht unbedingt von redlichen Absichten aller Beteiligten.
Nur wenige Stunden vor dem Aufruf zum Marsch auf das Kapitol hatte Trump seinen Vizepräsidenten Pence als „schwach“ und „verräterisch“ bezeichnet, weil dieser sich weigerte, die Bestätigung von Trumps Niederlage im Kongress zu blockieren. Die gleiche Verachtung schlug den Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer aus dem Pulk entgegen. Hätte der Mob die Gelegenheit gehabt, einen dieser Politiker zu ergreifen, wären die Ereignisse womöglich noch blutiger ausgegangen.
Die Besetzung des Kongresses dauerte bereits mehrere Stunden an, als Trump seine Anhänger mit sichtlichem Unwillen dazu aufrief, friedlich nach Hause zu gehen. Die Nationalgarde war inzwischen eingetroffen und begleitete die Protestierenden in einer unfassbar ruhigen Stimmung hinaus – unfassbar, weil die öffentliche Ordnung gerade eben noch auf unvorstellbare Weise gestört worden war. Hier kommt der Verdacht auf, es habe zwischen den Trump-Anhängern und den Sicherheitsbehörden irgendeine Absprache gegeben. Das FBI hatte im Vorfeld der Unruhen keinen Warnhinweis herausgegeben, die Sitzung der Abgeordneten wurde an dem Tag seltsamerweise zu schwach geschützt – trotz der vielen einschlägigen Hinweise in den Internetforen militanter Neonazigruppen. Auch gibt es inzwischen Berichte, wonach die Bereitschaft der Nationalgarde vor dem 6. Januar aufgehoben wurde. Ebenso verstört deren verlangsamtes Vorgehen bei der Rückeroberung des Kapitols.
Dabei war dies noch lange nicht alles. Dieselben rechtsextremen Gruppen, die an der Besetzung des Kapitols beteiligt waren, haben inzwischen angekündigt, am 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung Joe Bidens, wiederzukommen – schwerbewaffnet. Gruppen wie „Bugaloo Bois“ und „Proud Boys“ nennen den Stichtag die „Runde 2“. Eine andere Gruppe, die „Cowboys for Trump“, warnt, es werde Blut fließen „aus diesem Gebäude“.
Ja, unter den Leuten, die das Kapitol am 6. Januar stürmten, waren auch einige Durchgeknallte wie dieser Typ von „QAnon“ mit den Stierhörnern auf dem Kopf. Aber über den Ernst der politischen Lage in den USA können diese Menschen nicht hinwegtäuschen: Dass es nämlich Millionen von Amerikanern gibt, die (nicht zuletzt dank den rechten Echokammern und den unaufhörlichen Lügen von Trump) fest daran glauben, von einer intriganten Elite oder einem „Deep State“ in ihren demokratischen Rechten verletzt worden zu sein.
Die Existenz eines „Deep State“ soll hier keineswegs geleugnet werden. Es sind definitiv Kräfte in den USA am Werk, die ohne demokratische Legitimation entscheiden, wer Präsident werden darf und wer nicht. Die Tatsache, dass es Millionen schwerbewaffneter und ausgebildeter Milizen mit der Überzeugung gibt, sie befänden sich in einem Existenzkampf um die „amerikanische Demokratie“, ist eine real existierende Gefahr.
Insofern lassen sich die Ereignisse vom 6. Januar am besten vielleicht als „unvollendeter Putsch“ beschreiben. Der Aufmarsch ist eine Ermutigung zu weiteren Aktionen gewesen. Sollten die Dinge auch am 20. Januar aus dem Ruder laufen, dann werden wir eine Mobilmachung des „Deep State“ erleben. Dann wird in den USA im Namen des Anti-Faschismus der Faschismus Einzug halten. Amerika befindet sich auf einer ziemlich rutschigen schiefen Bahn."
Quelle: SNA News (Deutschland)