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Helmut Kohl: "Ich musste den Euro durchsetzen, gegen das Gerede zu Italien und Griechenland"

Archivmeldung vom 24.03.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.03.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Helmut Kohl als Bundeskanzler, 1987
Helmut Kohl als Bundeskanzler, 1987

Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F074398-0021 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA
Lizenz: CC-BY-SA-3.0-de
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Stolz auf den Euro, Abfälliges über Parteifreunde, Bekenntnisse zum Freitod von Ehefrau Hannelore - zum 85. Geburtstag von Helmut Kohl veröffentlichen der NDR und die Videoplattform dbate.de große Teile eines viertägigen Interviews von 2003. Vor dem Hintergrund der aktuellen Eurokrise sind vor allem die bislang unveröffentlichten Aussagen des Altkanzlers zur Währungsunion aufschlussreich. Das Erste, die Videoplattform dbate.de, tagesschau.de, tagesschau24 und Phoenix zeigen vom 24. März an mehrstündige Ausschnitte des ungewöhnlichen Interviews, das in dieser Länge zum ersten Mal zu sehen ist.

Helmut Kohl sprach in dem Interview ausführlich darüber, wie er sich bei der Einführung des Euro über die Warnungen von Wirtschaftswissenschaftlern hinwegsetzte. Wörtlich sagte er: "Ich musste es durchsetzen ... Es gab damals ja Gerede, eine Währung, in der Italiener und Griechen dabei sind, kann niemals eine ordentliche Währung werden." Natürlich konnte Helmut Kohl zum Zeitpunkt des Interviews nicht wissen, dass Griechenland die Eurozone ein Jahrzehnt später in eine tiefe Krise stürzen würde und dass auch ihm Fehler bei der Einführung des Euro angelastet werden würden. Helmut Kohl war sich bewusst, dass er sich nicht nur über die Skepsis von Experten hinwegsetzte, sondern auch über Widerstände in der Bevölkerung. "Eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro und die Abschaffung der D-Mark hätten wir mit großer Wahrscheinlichkeit verloren", so Helmut Kohl.

Sehr abfällig äußerte sich Kohl vor allem über die Parteifreunde, von denen er sich während der CDU-Parteispendenaffäre schlecht behandelt fühlte. Norbert Blüm? "Der Mann ist mir völlig egal. Deswegen will ich überhaupt nicht seinen Namen in den Mund nehmen." Richard von Weizsäcker? "Mir fällt nichts mehr zu ihm ein. Überhaupt nichts." Und Rita Süssmuth? "Alles, was sie wurde, wurde sie durch mich. Es gab immer wegen ihr Krach."

Das ungewöhnlich umfangreiche Fernseh-Interview, das die Autoren Stephan Lamby und Michael Rutz an vier Tagen im Frühjahr und Herbst 2003 in Kohls Privathaus in Ludwigshafen-Oggersheim führten, war jedoch weit mehr als eine Abrechnung. Helmut Kohl erzählte in seltener Offenheit von seinem privaten und politischen Leben und berichtete dabei auch wenig bekannte Details zu seinem Aufstieg. So hätten etwa Parteifreunde versucht, seine Wahl zum Bundeskanzler zu verhindern. Im Jahr 1979 sollte Helmut Kohl sogar weggelobt werden: "Franz Josef Strauß hat sich auf den Weg gemacht, um meine Kandidatur zu verhindern ... Dann gab es eine ganz massive, kaum an die Öffentlichkeit geratene Welle der Unterstützung von wichtigen Leuten, ich solle Bundespräsident werden". Zu diesen "wichtigen Leuten" gehörte laut Kohl auch der Verleger Axel Cäsar Springer. Doch Helmut Kohl hielt an seinem Ziel, Bundeskanzler zu werden, fest. Nach Kohls Darstellung haben kurz vor dem Regierungswechsel 1982 einflussreiche Kreise erneut versucht, seine Wahl zum Bundeskanzler zu verhindern: "Eine Reihe wesentlicher Repräsentanten des Bundesverbands der Deutschen Industrie traf sich mit einigen aus der FDP, sie waren sich einig, dass es eine Koalition von CDU/CSU und FDP geben müsse - aber nicht mit mir, weil ich zwar wirtschaftsfreundlich, aber nicht industriefreundlich sei."

Der Kandidat seiner Gegner war, so Kohl, der frühere CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep. Als Helmut Kohl allen Widerständen zum Trotz schließlich Bundeskanzler wurde, wollte er einen prominenten Fernsehjournalisten vom WDR abwerben: "Ich bin sehr ernsthaft mit dem Gedanken umgegangen, Friedrich Nowottny als Chef des Bundespresseamtes zu gewinnen." Nowottny blieb beim WDR - und wurde Intendant.

Ausführlich hat sich Helmut Kohl in dem Fernseh-Gespräch auch über den Freitod seiner Ehefrau Hannelore im Jahr 2001 geäußert. So sei ihm die Absicht seiner Frau, sich das Leben zu nehmen, bewusst gewesen: "Nicht der konkrete Moment. Aber wir haben ja darüber geredet. Dass sie darüber nachdachte, das wusste ich."

Einige Passagen des Interviews wurden damals bereits in der NDR/ARD-Dokumentation "Helmut Kohl - ein deutscher Kanzler" gezeigt. Die Sendetermine der mehrstündigen Ausschnitte im Überblick:

Das Erste In der Nacht von Dienstag, 24. März, auf Mittwoch, 25. März, 0.20 Uhr: "Helmut Kohl - Das Interview", Teil 1: "Aufstieg und Macht" In der Nacht von Mittwoch, 25. März, auf Donnerstag, 26. März, 0.20 Uhr: "Helmut Kohl - Das Interview", Teil 2: "Triumph und Abgründe"

Quelle: NDR / Das Erste (ots)

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