EU-Kommission: Fragen und Antworten zur Reform des europäischen Urheberrechts
Archivmeldung vom 22.03.2019
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttAm Dienstag, den 26. März 2019 wird das Europäische Parlament über die Reform des europäischen Urheberechts abstimmen. Vor der Abstimmung über die heiß diskutierte Richtlinie hat die Europäische Kommission heute (Freitag) einen ausführlichen Frage- und Antwortkatalog in deutscher Sprache über Zweck und Inhalt der Reform veröffentlicht:
Eine politische Einigung hatten Vertreter der Mitgliedstaaten der EU und des Parlaments nach intensiven Verhandlungen im Februar erzielt. Das neue Urheberrecht gibt auch in der digitalen Welt den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechtssicherheit, sorgt für eine faire Vergütung für Kreative und schützt die freie Meinungsäußerung umfassend. Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip, hält den endgültigen Vorschlag für "ein faires und ausgewogenes Ergebnis, das einem digitalen Europa entspricht." Die Richtlinie muss im Falle der Annahme von den 28 Mitgliedstaaten in ihr jeweiliges nationales Recht umgesetzt werden.
Die Reform des Urheberrechts in der EU ist dringend notwendig, da die digitale Technik einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise bewirkt, wie kreative Inhalte geschaffen und verbreitet werden und wie auf diese zugegriffen wird. Wesentliche Teile des derzeitigen EU-Rahmens für das Urheberrecht stammen aus dem Jahr 2001, als es einen Großteil des heutigen digitalen Umfelds, wie beispielsweise die Plattformen YouTube oder Facebook, noch nicht gab.
In den letzten Jahren sind Verteilungsprobleme bei der Wertschöpfung im Online-Umfeld aufgetreten, die mit der Urheberrechtsrichtlinie angegangen werden. Insbesondere spielen Online-Dienste, die es den Nutzern ermöglichen, urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, bei der Verbreitung solcher Inhalte eine wichtige Rolle. Gleichzeitig haben die Urheber dieser Inhalte nicht immer die Möglichkeit, auf deren Verwertung oder die Vergütung durch diese Dienste Einfluss zu nehmen. Das soll die Reform der Richtlinie ändern.
Außerdem sieht der geltende Rechtsrahmen zwar für Bildung, Forschung und die Erhaltung des Kulturerbes Ausnahmen vom Urheberrecht vor, aber zum damaligen Zeitpunkt wurden noch keine Vorkehrungen für die digitale Verwertung getroffen. Daher können die Bildungs- und Forschungseinrichtungen oder Bibliotheken das Potenzial der neuen Technologien insbesondere grenzüberschreitend nur in begrenztem Umfang nutzen.
In Zukunft müssen Anbieter von Online-Content-Sharing-Diensten, die der Öffentlichkeit Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten gewähren, sich darum bemühen, bei den jeweiligen Rechteinhabern eine Genehmigung einzuholen, beispielsweise in Form einer Lizenzvereinbarung.
Ausdrücklich ausgenommen vom Geltungsbereich der Richtlinie sind:
- frei zugängliche Online-Enzyklopädien wie z. B. Wikipedia, - frei zugängliche Bildungs- und Forschungsverzeichnisse, - frei zugängliche Plattformen zur Softwareentwicklung und -weitergabe wie z. B. GitHub, - Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste wie z. B. WhatsApp, - Online-Marktplätze wie z. B. eBay, - Cloud-Dienste zwischen Unternehmen sowie Cloud-Dienste, mit denen die Nutzer Inhalte zum eigenen Gebrauch hochladen können, wie z. B. Dropbox.
Außerdem gelten für Start-ups und kleinere Unternehmen Erleichterungen und Sonderregeln.
Keine Einschränkungen für die Nutzer und die Freiheit im Internet
Durch die Urheberrechtsrichtlinie wird die Freiheit im Internet nicht eingeschränkt. Sie zielt weder auf die Nutzer noch ihr Online-Verhalten ab. Dies gilt auch für deren Möglichkeit, Inhalte herunterzuladen und zu teilen. Die Meinungsfreiheit ist - wie auch der Schutz des geistigen Eigentums - ein von der Europäischen Union anerkanntes Grundrecht.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Die neuen Vorschriften für die Verwertung von Presseveröffentlichungen im Internet gelten nur für kommerzielle Dienstleister wie Nachrichtenaggregatoren, nicht aber für Nutzer. Internetnutzer können also weiterhin solche Inhalte in sozialen Medien teilen und Links zu Online-Zeitungen weitergeben.
Die neuen Bestimmungen für Plattformen, auf denen Nutzer Inhalte hochladen, werden die Vereinbarung von Lizenzen zwischen kommerziellen Akteuren erleichtern und dazu beitragen, dass die Vergütung der Urheber verbessert wird. Nicht nur die Rechteinhaber, auch die Nutzer werden von den neuen Vorschriften profitieren, da für sie überall in der EU einheitliche Vorschriften gelten werden, die ihre Meinungsfreiheit wahren, wenn sie urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Online-Plattformen hochladen. Außerdem können sie Rechtsbehelfs- und Beschwerdemechanismen in Anspruch nehmen, wenn ihre Inhalte ungerechtfertigt von Online-Plattformen entfernt werden.
Uploadfilter sind nicht verbindlich
Der Text der politischen Einigung schreibt Uploadfilter nicht vor und verlangt auch nicht, dass Plattformen, auf denen Nutzer Inhalte hochladen, besondere Technologien zur Erkennung illegaler Inhalte anwenden. Nach den neuen Vorschriften müssen bestimmte Online-Plattformen mit Rechteinhabern wie z. B. Musik- oder Filmproduzenten für die Verwertung von Musik, Videos oder anderen urheberrechtlich geschützten Inhalten Lizenzvereinbarungen treffen. Falls keine Lizenzvereinbarungen getroffen werden, müssen diese Plattformen sich bemühen sicherzustellen, dass von den Rechteinhabern nicht autorisierte Inhalte auf ihrer Webseite nicht zugänglich sind.
Die Sorgfaltspflicht (Best-effort-Prinzip) bedeutet nicht, dass ein bestimmtes Mittel oder eine bestimmte Technologie vorgeschrieben ist. Außerdem gilt sie nur für die Fälle, in denen Online-Plattformen unter die Richtlinie fallen und die Rechteinhaber keine Lizenzvereinbarung für die Verwertung urheberrechtlich geschützter Inhalte getroffen haben, und auch dann nur für spezielle, von den Rechteinhabern festgelegte Inhalte. Die Richtlinie verbietet den Mitgliedstaaten ausdrücklich, Online-Plattformen eine generelle Pflicht zur Überwachung der von den Nutzern hochgeladenen Inhalte aufzuerlegen. Schließlich regelt der Entwurf in Artikel 13 Abs. 4a., dass den Plattformen keine unverhältnismäßigen Anstrengungen auferlegt werden können, wobei es auch auf die Kosten für die Plattformen ankommt.
Memes, Parodien u.a. sind in Zukunft EU-weit erlaubt
Durch die Richtlinie erhalten die Nutzer die Möglichkeit, Inhalte zum Zweck von Zitaten, Kritik, Rezension, Karikatur, Parodie oder Pastiche frei zu nutzen. Nach den neuen Vorschriften müssen die Mitgliedstaaten diese Ausnahmeregelungen in ihren nationalen Rechtssystemen umsetzen. Hierdurch wird EU-weit ein einheitlicher Schutz der Rechte und Interessen der Nutzer sichergestellt. Konkret bedeutet dies, dass die Nutzer die Möglichkeit erhalten, Inhalte wie Memes, GIFs und Rezensionen im Internet hochzuladen, ohne befürchten zu müssen, dass sie in einem Mitgliedstaat gegen das Urheberrecht verstoßen.
Bisher waren die Ausnahmen vom Urheberrecht für diese Zwecke nur fakultativ; es stand den Mitgliedstaaten also frei, sie nicht anzuwenden. Nach der neuen Urheberrechtsrichtlinie ist dies nicht mehr der Fall. Sobald die Richtlinie angenommen ist, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Nutzung für solche Zwecke zu gestatten. Auch müssen Rechteinhaber und Plattformen dafür sorgen, dass die Nutzer diese Möglichkeit haben, wie Artikel 13 Abs. 5 des Entwurfes regelt. Dies ist ein besonders wichtiger Schritt für die freie Meinungsäußerung im Internet.
Den Text des Richtlinienentwurfs finden Sie hier: http://ots.de/DI1m7x
Insbesondere verweisen wir auf den Erwägungsgrund 38b, der präzisiert, auf welche Art und Weise die Plattformen Vorsorge treffen sollen, um Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden und wann ihre Haftung greift.
Quelle: Europäische Kommission (ots)