„Wichtige Daten ignoriert“: Kritik an niederländischen MH17-Ermittlern
Archivmeldung vom 12.10.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKurz vor der Veröffentlichung der niederländischen Untersuchungsergebnisse zum Abschuss einer malaysischen Boeing über der Ukraine wirft Russland einem Zeitungsbericht zufolge den Ermittlern vor, wichtige Daten zu ignorieren. Das meldet die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik".
Weiter heißt es dort: "Die malaysische „New Straits Times“ zitiert aus einem Brief, den der Vizechef der russischen Luftfahrtbehörde, Oleg Stortschewoj, am 16. September an die International Civil Aviation Organization (ICAO) gerichtet hatte. Stortschewoj wirft dem zuständigen niederländischen Untersuchungsrat OVV vor, die von Russland vorgelegten „umfassenden Informationen“ zum MH17-Absturz zu ignorieren. Ihren endgültigen Bericht soll die niederländische Behörde am 13. Oktober vorlegen.
Das OVV-Team habe sofort von einem Abschuss durch eine Buk-Rakete gesprochen, ohne davor die Parameter des Projektils in gebührender Weise erforscht zu haben. Das niederländische Gremium habe auch nicht erklärt, mit welchen Methoden und Daten der Ort ermittelt wurde, von dem aus die Rakete abgefeuert worden sein soll, so Stortschewoj nach Angaben der malaysischen Zeitung.
Der russische Konzern Almaz Antey, Hersteller von Buk-Raketen, habe den Niederländern technische Daten und eigene Testergebnisse zur Verfügung gestellt. „All diese detaillierten Angaben wurden vom OVV ignoriert. Als Resultat gelangte der OVV zum Schluss, der dem gesunden Menschenverstand widerspricht und mit der Konstruktion dieses Waffensystems nicht übereinstimmt“, heißt es weiter im Brief.
Laut Stortschewoj schätzen die niederländischen Ermittler die Masse des Sprengkopfes auf höchstens 33 Kilogramm. Dieser soll 3.000 bis 4.000 „präformierte Fragmente“, sogenannte Flechettes, enthalten haben – je 3 Gramm schwer. „Das entspricht einer Buk-Rakete überhaupt nicht“, schreibt Storschewoj nach Angaben der „New Straits Times“.
Zuvor hatte der russische Raketen-Hersteller zwar einen Absturz durch Buk auch nicht ausgeschlossen. Russland wies aber mehrmals darauf hin, dass bei einer Attacke von der Ortschaft Sneschnoje aus der der Rumpf der Boeing auf eine ganz andere Weise beschädigt worden wäre.
In Sneschnoje hatten sich zum Zeitpunkt des Absturzes bewaffnete Gegner der ukrainischen Armee befunden. Von ukrainischen Behörden und Medien werden sie als Separatisten bzw. Terroristen bezeichnet.
Überhaupt unterscheidet sich die ukrainische Berichterstattung zu dem Absturz drastisch von dem russischen. So meldete die ukrainische Agentur Unian: „Am 17. Juli 2014 hatten die von Russland unterstützten Separatisten einen Passagierjet der Malaysia Airlines abgeschossen.“ Wladislaw Selesnjow, Sprecher des ukrainischen Generalstabs, sagte: „Nicht zum ersten Mal legt Russland anderen zur Last, war es selbst tut. So war es auch mit der abgeschossenen malaysischen Boeing. Russland versucht, die Verbrechen seines Militärs zu tarnen und die Verantwortung für die Tragödie auf die ukrainischen Streitkräfte abzuwälzen.“
Die russische Onlinezeitung lenta.ru zitierte unterdessen einen russischen Experten, der mit dem Verlauf der Untersuchung vertraut ist, mit den Worten, die niederländische Untersuchungskommission habe nicht darauf geachtet, wie Buk-Raketen durch die ukrainischen Regierungstruppen eingesetzt wurden. Die Ukraine habe über ihre Raketen-Einsätze zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht informiert: „Die Funkgespräche der ukrainischen Militärfluglotsen wurden ebenfalls nicht analysiert. Der Flugplan der ukrainischen Luftwaffe in jenem Gebiet wurde nicht in Betracht gezogen.“
Diplomat: Anstrengungen für Bildung von Tribunal zu MH17-Absturz eingestellt
Die Länder, die der internationalen Ermittlungsgruppe zur Untersuchung des Absturzes der malaysischen Boeing über der Ostukraine angehören, streben nicht mehr die Bildung eines internationalen UN-Tribunals an. Sie besprechen zurzeit Alternativen, erklärte der Botschafter der Niederlande in Moskau, Ron van Dartel, gegenüber RIA Novosti.
Es handelt sich dabei um Australien, die Niederlande, Malaysia, Belgien und die Ukraine.
„Russland hat seine Position mit Hilfe eines Vetos sehr klar angedeutet. Dies ist das Ende der Anstrengungen zur Einrichtung des Tribunals (…)“, sagte Van Dartel.
Dem Diplomaten zufolge besprechen die Teilnehmer der Ermittlungsgruppe zurzeit verschiedene Varianten – vom Internationalen Strafgerichtshof bis hin zu einem zwischenstaatlichen Gericht der Mitgliedsländer der Gruppe. Momentan gebe es keine „bedingungslose Priorität, weil sich diese Frage noch im Besprechungsstadium befindet“.
Die niederländische Seite plane nicht, die Veröffentlichung des abschließenden Untersuchungsberichtes zum MH17-Absturz in der Südostukraine zu verschieben, zitiert die Agentur Sputnik einen Sprecher des niederländischen Sicherheitsrates. Die Bekanntgabe sei für Dienstag, den 13. Oktober 2015, anberaumt.
Zuvor hatte der Chef der ukrainischen Sicherheitsbehörde SBU, Grigori Ostafijtschuk, erklärt, dass die niederländische Seite vorhabe, den Schlussbericht zum MH17-Absturz im Februar 2016 zu veröffentlichen.
Russischer Ombudsmann: Resolutionsentwurf zu MH-17-Tribunal vielfach deutbar
Russland hatte Ende Juli den Resolutionsentwurf zur Einrichtung eines Tribunals zum MH17-Absturz im Osten der Ukraine im UN-Sicherheitsrat mit einem Veto belegt.
Für das Dokument stimmten elf Mitglieder des Weltsicherheitsrates. China, Venezuela und Angola enthielten sich der Stimme. Russland, eines der fünf ständigen Ratsmitglieder, griff auf sein Veto-Recht zurück.
In dem Mitte Juli von Malaysia eingebrachten Resolutionsentwurf ist der Flugzeugabsturz als Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit eingestuft und die Bildung eines internationalen Tribunals zur Heranziehung der Täter zur Verantwortung laut der Uno-Satzung vorgesehen.
Bisher hat der Uno-Sicherheitsrat keine Tribunale zu ähnlichen Situationen gebildet.
Wie der russische Außenminister Sergej Lawrow geäußert hatte, ist schon die Idee der Bildung eines Tribunals dazu berufen, diejenigen für schuldig zu erklären, die Washington als dafür verantwortlich betrachtet.
Die Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines war am 17. Juli 2014 über dem Gebiet Donezk abgestürzt. Alle 298 Insassen kamen dabei ums Leben. Kiew machte die ostukrainische Volkswehr für den Absturz verantwortlich. Diese erwiderte allerdings, dass sie nicht über Waffen verfügen, die Flugzeuge in 10.000 Meter Höhe abschießen könnten."
Quelle: Sputnik (Deutschland)