Friedensaktivistin: Unglaublich, dass deutsche Soldaten wieder vor Leningrad stehen
Archivmeldung vom 24.01.2017
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.01.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach der Verlegung von 4000 US-Soldaten mit Panzern nach Polen wurden nun 500 deutsche Soldaten in Litauen stationiert. Dies dient laut Nato zur Abschreckung Russlands. Berlins dienstälteste Friedensaktivistin Laura v. Wimmersperg vom Verein „Friedenskoordination Berlin“ sagt im Interview mit Armin Siebert vom russischen online Magazin "Sputnik", dass sie es unglaublich findet, dass deutsche Soldaten wieder vor Leningrad stehen.
Weiter heißt es auf der deutschen Webseite des Magazins: "Frau von Wimmersperg, 500 deutsche Soldaten werden jetzt dauerhaft in Litauen stationiert. Das ist Teil der neuen Nato-Strategie, die Russland abschrecken soll. Deutsche Soldaten zur Abschreckung gegen Russland? Das erinnert irgendwie an düstere Zeiten…
Wir von der Friedensbewegung haben schon im vorigen Jahr in einer Zeitungsannonce im tagesspiegel formuliert, dass wir dagegen sind. Wir finden es unglaublich, dass deutsche Soldaten jetzt wieder 150 Kilometer vor Leningrad stehen werden.
Meinen Sie, diese 500 Soldaten werden Litauen verteidigen können?
Es ist doch allen klar, dass es darum gar nicht geht. Das ist natürlich eine ungeheure Provokation gegenüber Russland. Und diese Provokation soll die Aufrüstung und die damit verbundenen Kosten bei uns rechtfertigen. Wir sehen darin eine Gefahr, weil immer etwas schief gehen kann, wenn sich Truppen so nahe kommen.
Sehen Sie eine realistische Gefahr, dass Russland die Baltischen Staaten oder gar Polen angreifen würde?
Absolut nicht. Das hat etwas mit der Geschichte der Baltischen Staaten und vor allem Polens zu tun. Länder, die sich zwischen großen Staaten befinden sind immer wechselseitigen Einflüssen ausgesetzt und in bestimmten Zeiten entsprechend irrational in ihrer Politik. Das gab es auch bei Gebieten zwischen Frankreich und Deutschland. Aber ich denke, wir bei der Friedensbewegung stehen nicht allein mit der Behauptung, dass Russland keine Bedrohung darstellt.
Im Gegenteil, wir sehen in der Außenpolitik Russlands eigentlich eine große Besonnenheit, was uns und einen großen Teil der Bevölkerung ein Stück weit beruhigt. In Deutschland ist es ja zum Glück so, dass in Umfragen meist 70 bis 80 Prozent gegen Kriegseinsätze und Waffenexporte sind. Es gibt aber auch andere Kräfte, die sich für eine Konfrontation mit Russland aussprechen.
Deutschland scheint sich unter Verteidigungsministerin von der Leyen mehr als früher militärisch in Osteuropa zu engagieren. Gefährdet das nicht die deutsch-russische Freundschaft und die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland?
Das ist ungeheuer gefährlich. Auf der anderen Seite sind die Wirtschaftskräfte größtenteils für freundschaftliche Beziehungen zu Russland. Gerade ist auch ein Interview mit dem französischen Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon erschienen, wo er auch ganz klar sagt, dass es ein großer Fehler ist, Russland so zu behandeln. Solche Stimmen werden immer stärker.
Deutschland hat sich ja auch im großen Stil logistisch beteiligt an der US-Truppenverlegung nach Osteuropa, der größten seit Ende des Kalten Krieges.
Wir haben dagegen protestiert. Wir haben hier in Berlin auf dem Pariser Platz eine Mahnwache dagegen abgehalten und damit spontan die Proteste in Bremerhaven und Hamburg unterstützt. Es gab auch in Brandenburg Proteste. Das ist eine große Überheblichkeit und Verantwortungslosigkeit von Deutschland. Diese Art von Verantwortung sollte Deutschland nicht übernehmen.
Bei der US-Truppenverlegung in Bremerhaven gab es nur kleine Proteste. Wie steht es um die deutsche Friedensbewegung?
Die Friedensbewegung ist zumindest politisch gut aufgestellt. Die Meisten haben gute Argumente und sind nicht romantisch verklärt. Aber natürlich sind wir realistisch und sehen, dass wir klein sind und unsere Kraft nicht groß ist.
Uns spielt aber auch die Situation in die Hände. Wir haben in der Berliner Friedenskoordination einen stetigen Zulauf. Sicher noch nicht so wie Anfang der Achtziger Jahre bei der Stationierung der Mittelstreckenraketen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Leute oft keinen Sinn mehr darin sehen, da die Politiker ja doch machen, was sie wollen. Aber wenn wir auf der Straße sind — und das sind wir jetzt zunehmend wieder mehr — dann ist das, was man da erlebt, sehr Mut machend.
Gibt es in der Friedensbewegung Diskussionen darüber, wer Freund und wer Feind ist? In den deutschen Medien wird ja vor allem am Beispiel Syrien auch Russland als Kriegsverbrecher dargestellt.
In der Friedensbewegung ist das auch nicht ganz einheitlich, aber die Mehrheit hat auch hier einen klaren Durchblick und sieht den realistischen und verantwortungsvollen Ansatz der russischen Außenpolitik. Ich finde, dass Russland auch gerade in Syrien eine gute Außenpolitik verfolgt hat. Aber es ist natürlich so, dass dieses alte Feindbild Russland leicht zu reaktivieren ist. Viele Menschen, die sich nicht so genau damit befassen wie wir, sind da ansprechbar.
Das Säbelrasseln, wie Außenminister Steinmeier es ausdrückt, scheint ja zumindest das Ziel zu erreichen, dass der deutsche Verteidigungshaushalt aufgestockt wird.
Das hängt ja in erster Linie mit der Nato zusammen. Das war ja schon eine Forderung von Trumps Vorgänger. Im Sommer auf der Nato-Konferenz in Warschau wurde ja bereits beschlossen, die Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen. Das ist mal wieder der militärisch-industrielle Komplex, der seine Geschäfte machen will. Da ist Säbelrasseln notwendig, um die Leute dazu zu kriegen, für die Rüstung Abstriche in sozialen Bereichen zu machen."
Quelle: Sputnik (Deutschland)