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Zweifel an Zyperns Plan B -- Interview mit Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank

Archivmeldung vom 21.03.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

Die Krise der kleinen Insel Zypern hält den Rest der Euro-Zone und die internationalen Finanzmärkte in Atem. Nachdem die Europäische Zentralbank Zypern ein Ultimatum gestellt und angekündigt hat, bei Ausbleiben eines neuen Rettungsprogramms den Geldhahn am Montag zuzudrehen, haben sich die Parteien in Zypern auf einen Plan B geeinigt. Ein Fonds soll gegründet werden, der auch mit Kapital aus der Rentenkasse und von Kirchen gefüllt wird. Ob dies die Zustimmung der Euro-Partner findet, ist unklar. Und ,,es ist fraglich, ob der Plan Zyperns überhaupt funktioniert", betont Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn es sei unklar, ob Anleger Anleihen kaufen würden. Und zweitens erhöhen die Schulden des Fonds die ohnehin hohe Staatsschuld Zypern noch weiter.

Erst nach dem Ultimatum der EZB hat Zypern ein neues Konzept für seine Eigenleistung zum internationalen Sanierungspaket beschlossen. Hatten Sie mit solch einem drastischen Schritt der EZB gerechnet?

Dr. Jörg Krämer: Ohne ein Rettungsprogramm wäre der zyprische Staat zahlungsunfähig und könnte seinen Banken nicht das dringend benötigte frische Kapital zuschießen. Aber die EZB darf einem insolventen Bankensystem kein Geld leihen. Auf diese Rechtslage hat sie stets hingewiesen. Insofern sollte es niemanden überraschen, dass die EZB angekündigt hat, ihre Nothilfen für zyprische Banken einzustellen, wenn bis Montag kein Rettungsprogramm für Zypern steht.

Was ist von den neuen Plänen Zyperns nach einem ersten Nein des Parlaments zum Hilfspaket zu halten?

Krämer: Immerhin haben sich die Parteien in Zypern jetzt noch darauf geeinigt, einen Fonds zu gründen, der staatliche Vermögenswerte etwa der Rentenversicherung bündelt. Mit diesen Sicherheiten im Rücken soll der Fonds Anleihen ausgeben und das Geld der Anleihekäufer an den zyprischen Staat überweisen. Aber es ist fraglich, ob dieser Plan funktioniert. Erstens ist unklar, ob Anleger Anleihen kaufen würden, deren Sicherheiten sich im Notfall schwer liquidieren ließen. Zweitens erhöhten die Schulden des Fonds die ohnehin hohe Staatsschuld weiter, so dass der Internationale Währungsfonds die Schuldentragfähigkeit Zyperns nicht mehr als gegeben ansehen würde.

Gibt es weitere Ideen?

Krämer: Ja, es besteht immer noch die Möglichkeit, mit einer Sondersteuer auf Bankeinlagen die Kleinsparer überhaupt nicht zu belasten und stattdessen die meist ausländischen Besitzer großer Bankeinlagen mehr zahlen zu lassen. Diese sollten nach dem alten Plan 9,9 Prozent ihrer Bankguthaben als Einmalabgabe zahlen. Das klingt zwar nach einem hohen Beitrag, aber Zyperns Banken haben für einjährige Einlagen mehr als vier Prozent Zinsen gezahlt, dreimal so viel wie zum Beispiel deutsche Banken. Im Prinzip hätte man also von den Besitzern großer Bankeinlagen nur verlangt, den Zinsvorteil der vergangenen zwei, drei Jahre zurückzugeben.

Zypern hatte der EU das erschließungsreife Gasfeld als Sicherheit angeboten. Wieso wurde das abgelehnt?

Krämer: Die zyprische Regierung wollte offenbar den Russen Gasförderrechte verkaufen. Aber Russland hat sich darauf nicht eingelassen. Zum einen weiß man gar nicht, wie viel Gas im Boden lagert. Außerdem wäre Widerstand der Türkei zu erwarten. Was passiert denn, wenn alle Verhandlungen mit Zypern scheitern? Krämer: Wenn die Nachverhandlungen scheitern, kann Zypern seine Banken auch in der kommenden Woche nicht öffnen. Sonst käme es zu einem Ansturm der Bankkunden. In diesem Fall bräuchte das Land enorm viel EZB-Liquidität, die die EZB aber nicht bereitstellen darf, da die Banken Zyperns ohne einen Rettungsplan unterkapitalisiert sind. Das Banksystem würde in die Knie gehen -- und damit auch die Wirtschaft. Eigentlich sind die Zyprioten dazu verdammt, einen Kompromiss mit der Staatengemeinschaft zu finden.

Weil Zypern sonst in die ungeordnete Insolvenz rutscht?

Krämer: Ja.

Wie sähe es dann mit dem Geld aus, das deutsche Banken in Zypern angelegt haben?

Krämer: Die Forderungen aller ausländischen Banken gegenüber Zypern summieren sich auf rund 50 Milliarden Euro. Das entspricht lediglich 0,15 Prozent allergrenzüberschreitenden Forderungen der Banken weltweit. In dieser Hinsicht wäre ein Fall Zyperns nicht systemrelevant. Von Zypern geht allenfalls das Risiko aus, dass die Sparer auch in anderen Krisenländern nervös werden. Allerdings rechne ich nicht damit. Denn den Bürgern in anderen Krisenländern dürfte klar sein, dass Zypern mit seinem extrem aufgeblähten Banksystem und seinen laxen Geldwäscheregeln ein Sonderfall ist. Zudem würde die EZB den Notenbanken anderer Krisenländer ELA-Notfallkredite gewähren, die diese an ihre Banken weiterleiten würden. Das ist ein scharfes Schwert, das auch schon bei der Rettung Irlands erfolgreich eingesetzt wurde.

Derjenige, der sein Erspartes jetzt noch einer südeuropäischen Bank anvertraut, ist also nicht naiv?

Krämer: Noch einmal: Ich glaube nicht, dass die Sparer in den Krisenländern nervös werden.

War das Zypern-Hilfspaket in der ursprünglichen Form mit der Beteiligung aller Bankkunden ein Tabu-Bruch oder eine Notwendigkeit?

Krämer: Es war ein Tabu-Bruch. Denn die EU hat versprochen, dass Bankeinlagen bis 100000 Euro sicher sind. Man weiß zwar nicht, wer die Entscheidung, auch Kleineinleger zu belasten, getroffen hat -- im Nachhinein will es ja keiner gewesen sein. Aber psychologisch war es ein Fehler. Da hilft auch nicht der Hinweis darauf, dass die Einlagen weiter sicher sind und nur einmalig besteuert werden. Allerdings ist es aus ökonomischer Sicht vertretbar, die meist ausländischen Besitzer sehr großer Bankeinlagen an den Kosten für die Bankenrettung zu beteiligen, denn sie haben -- wie gesagt -- von unverhältnismäßig hohen Zinsen profitiert.

In der Euroschuldenkrise wurden zunächst Rettungsschirme aufgespannt, dann gab es einen Schuldenschnitt für Griechenland, die Draghi-Garantie für unbegrenzte EZB-Hilfen und zuletzt den Plan, Sparer zu ,,enteignen". Was steht den Sparern denn noch bevor?

Krämer: Ich glaube, die Politik wird alles tun, um die Währungsunion zusammen zu halten. Insofern dürfte die Staatsschuldenkrise wieder abebben. Das heißt aber nicht, dass nichts passiert. Die EZB ist nahe an die Politik gerückt. Längerfristig drohen deutlich höhere Inflationsraten, ohne dass die Zinsen adäquat steigen. Die EZB hat zudem durch ihre Bereitschaft, Staatsanleihen der Krisenländer zu kaufen, den Reformdruck von diesen Staaten genommen. Damit werden dort ineffiziente Strukturen konserviert, was langfristig die Wachstumsdynamik im Euroraum empfindlich senken dürfte.

Wann kann denn die EZB die Niedrigzinspolitik beenden?

Krämer: Ich halte die Vorstellung für naiv, dass die EZB alleine aus der Politik des billigen Geldes aussteigen könnte. Wenn die EZB jetzt ausstiege, riskierte sie wegen des Fehlens umfassender Reformen in den Krisenländern, dass die Staatsschuldenkrise eskalierte und die Währungsunion gefährdet würde. Die EZB ist Gefangene ihrer eigenen Politik. Sie kann erst aus der Politik des billigen Geldes aussteigen, wenn sie Flankenschutz von den Finanzministern erhält, wenn sich also beispielsweise Italien durchringt zu einer Arbeitsmarktreform wie in Spanien oder wenn der ESM-Rettungsfonds so aufgestockt würde, dass er auch Italien Schutz bieten könnte. Anders ausgedrückt: So schnell wird die EZB ihre Niedrigzinspolitik nicht beenden.

In dieser Woche wurde eine weitere Aufgabe für die EZB beschlossen: die EU-Bankenaufsicht. Hätte die Zypern-Krise verhindert werden können, wenn es eine solche Aufsicht schon früher gegeben hätte?

Krämer: Es gibt Gegner und Befürworter dieses Beschlusses. Ein klarer Vorteil ist, dass eine supranationale Bankenaufsicht eher bei den Banken durchgreift als eine nationale Aufsicht, die oft nicht streng genug gegen ihre eigenen Landsleute vorgeht --- so wie es offensichtlich auch in Zypern der Fall war. Viel zu oft aber laufen die Aufseher den Entwicklungen an den Kapitalmärkten hinterher. Man darf sich nicht auf ein System verlassen, das nur funktioniert, wenn die Bankenaufsicht funktioniert.

Müssen sich deutsche Sparer Sorgen machen bezogen auf die Zukunft des Euro und bezogen auf ihr Geld?

Krämer: Die Sparer sollten sich darauf einstellen, dass die Inflation im Durchschnitt der kommenden zehn Jahren höher ausfallen wird, als die zwei Prozent, die die EZB verspricht. Drei bis vier Prozent sind wohl wahrscheinlicher. Die Sparer sollten also Vorsorge treffen.

Wie?

Krämer: Es ist schwierig, einer steigenden Inflation zu entgehen, wenn der Staat auch mit Hilfe der Zentralbank die Zinsen niedrig hält. Aber viele Menschen haben reagiert, indem sie etwa Wohneigentum erworben haben. Auch Aktien sind ein Realwert, der eine sinnvolle Alternative darstellt. Eine realwert-orientierte Anlagestrategie hilft, Risiken zu senken. Aber ganz vermeiden kann man sie natürlich nicht.

Noch einmal zurück zu Zypern. EU-Währungskommissar Rehn sagt, Zypern ist systemrelevant für den Euro. IW-Chef Hüther sagt, Europa muss nicht jede kleine Bude retten. Welcher dieser Extrempositionen würden Sie eher zustimmen?

Krämer: Ich glaube nicht, dass Zypern die Existenz der Währungsunion gefährden könnte. Denn Zypern ist ein Sonderfall. Und ich glaube, dass die Sparer in den anderen Krisenländern diese Sonderposition sehen und nicht allzu nervös werden. Zypern ist verglichen mit den anderen Krisenländern sicherlich am wenigsten systemrelevant.

Quelle: Landeszeitung Lüneburg / Das Interview führte Werner Kolbe (ots)

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