Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr übt scharfe Kritik am Afghanistan-Einsatz
Archivmeldung vom 28.11.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlIn einem Interview mit dem ZDF-Magazin "Frontal 21" hat der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General a.D. Klaus Naumann, die Regierungen der NATO-Staaten wegen ihrer Afghanistan-Politik scharf kritisiert. Ihre Politik verhindere mögliche militärische Erfolge.
Naumann sagte, die nationalen Kontingente der in Afghanistan
stationierten Truppen seien fast alle an politische Auflagen
gebunden. Für die rund 31.000 NATO-Soldaten gäbe es über 100
nationale Sonderregelungen. "Der eine darf nicht dort hin, der andere
darf nicht da hin, der eine darf zu dem Auftrag nicht eingesetzt
werden, der andere zu jenem nicht. Dann sind natürlich die 31.000
Mann eine fiktive Zahl, mit der man im Grunde nicht richtig operieren
kann." Solche politisch motivierten Einsatzbeschränkungen, die
sogenannten ‚caveats’, verstießen "gegen jegliche Grundsätze der
Operationsführung", so Naumann weiter und machten es "nahezu
unmöglich, einen militärischen Erfolg zu erzielen."
Zu Forderungen aus NATO-Kreisen, das Einsatzgebiet der deutschen Truppen auch in den Süden zu verlagern, meinte Naumann gegenüber "Frontal 21", dass schon das jetzige Mandat Kampfeinsätze der Bundeswehr auch im Süden nicht ausschließe. Die ablehnende Haltung der Bundesregierung kommentiert Naumann gegenüber "Frontal 21" so: "Deutschland wird am Hindukusch verteidigt – das war eine politische Aussage, keine militärische. Da musste man sich darüber im Klaren sein, dass dieser Satz heißt, dass deutsche Soldaten dann auch am Hindukusch kämpfen müssen, denn sonst macht Verteidigung keinen Sinn."
Auch der ehemalige Heeresinspekteur der Bundeswehr, General a.D.
Helmut Willmann, hält einen Kampfeinsatz der Bundeswehr in den
südlichen Kampfgebieten Afghanistans, in denen bislang vor allem
amerikanische und kanadische Truppen in heftige Gefechte mit Taliban-
Milizen verwickelt sind, für möglich. Das könne sogar schon "im
Frühjahr nächsten Jahres auf uns zu kommen, wenn die Lage in
Afghanistan sich kritisch entwickeln sollte".
Der Bundesregierung wirft er vor, dass sie die Öffentlichkeit aus politischem Kalkül über einen solchen – womöglich schon bald notwendigen – Einsatz nicht vorbereite. Willmann gegenüber "Frontal 21": "Man kann nicht von einem Bürger erwarten, dass er einen Kampfeinsatz der Armee unterstützt, wenn ihm bisher keiner dieses Risiko aufgezeigt hat."
Quelle: Pressemitteilung ZDF