Steinmeier besorgt über Lage in Ostukraine
Archivmeldung vom 08.04.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.04.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich tief besorgt über die sich deutlich verschärfende Lage im Osten der Ukraine gezeigt. "Tägliche Meldungen von Erhöhungen des wirtschaftlichen Drucks durch Russland und die Besetzung öffentlicher Gebäude führen zu neuen Verhärtungen", sagte Steinmeier der "Bild-Zeitung". "Unsere Aufforderung geht an alle, Nerven zu bewahren und jetzt nicht noch Öl ins Feuer zu gießen. Unruhestiftern, von wem auch immer sie ihre Aufträge erhalten, darf das Feld nicht überlassen werden."
Der Außenminister dringt zugleich weiter auf seinen Plan, eine internationale Kontaktgruppe zu errichten. "Jeden Tag wird umso deutlicher, dass ohne direkte Gespräche zwischen Russland und der ukrainischen Regierung keine Stabilisierung der Ukraine gelingt. Europa ist bereit, mit anderen solche Gespräche zu begleiten. Die internationale Kontaktgruppe muss ohne Zeitverzug auf den Weg kommen, bevor die Entwicklungen unumkehrbar werden", sagte Steinmeier zu "Bild".
Ukraine-Krise: Lawrow telefoniert mit Steinmeier
Angesichts der jüngsten Entwicklungen in der Ukraine hat der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier telefoniert. In dem Telefonat habe Lawrow einen nationalen Dialog in der Ukraine gefordert, teilte das russische Außenministerium mit. Dieser müsse mit internationaler Hilfe bald beginnen. Alle politischen Kräfte und Regionen müssten dabei eingebunden werden. Ziel sollte eine Verfassungsänderung in der Ukraine sein. Steinmeier habe Bereitschaft zu einer engen Zusammenarbeit Beilegung der Krise signalisiert.
Merkel wegen Lage in der Ostukraine alarmiert
Die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist wegen der sich zuletzt zuspitzenden Lage in der Ostukraine alarmiert. Regierungssprecher Steffen Seibert erinnerte am Montag in Berlin daran, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Merkel telefonisch zugesichert habe, einen Teil der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine abzuziehen. "Wir müssen heute feststellen, dass es immer noch darum geht, dass dieser Rückzug auch nachweisbar umgesetzt wird." Das Verhalten Moskaus sei enttäuschend, so Seibert weiter.
Unterdessen haben pro-russische Demonstranten in der ostukrainischen Stadt Donezk eine "souveräne Volksrepublik" ausgerufen, die von der Regierung in Kiew unabhängig sein soll. Zuvor waren in Donezk sowie in den Städten Charkow und Lugansk mehrere öffentliche Gebäude gestürmt worden.
Der ukrainische Interims-Regierungschef Arsenij Jazenjuk sagte mit Blick auf die Proteste in der Ostukraine, diese zielten darauf ab, einen Einmarsch ausländischer Truppen zu provozieren. Russische Truppen stünden 30 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, so der ukrainische Übergangs-Regierungschef. Kiew werde nicht zulassen, dass ausländische Truppen einmarschierten und ukrainisches Gebiet besetzten, betonte Jazenjuk. In der Ostukraine ist der Anteil der russischsprachigen Bevölkerung ähnlich hoch wie auf der Krim.
Klitschko warnt vor russischer Invasion in Ostukraine
Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko hat vor einer russischen Invasion in der Ostukraine gewarnt und den Westen zu entschiedenem Handeln aufgefordert. "Die westliche Welt muss jetzt entschiedener reagieren als zu Beginn der Krim-Krise", schreibt Klitschko in einem Gastbeitrag für die "Bild-Zeitung". "Ich erinnere mich noch gut, wie westliche Politiker damals auf die Lügen Russlands hereingefallen sind. Putin sagte, dass Russland Keine Truppen auf die Krim geschickt habe - und die USA und Europa wollten ihm glauben", so Klitschko. "Wir brauchen jetzt neben der Androhung von weiteren Sanktionen ein geschlossenes Handeln. Der Westen muss deutliche Worte finden und weitere Zeichen der Unterstützung, wenn Russland mit den zehntausenden Soldaten an der Grenze zur Ukraine tatsächlich den Einmarsch planen sollte."
Klitschko schreibt in dem Beitrag weiter: "Wenn ich die Bilder aus der Ostukraine sehe, dann denke ich sofort an die Krim: Das, was im Februar mit vermeintlichen Protesten begann, war in Wahrheit eine russische Invasion - und die befürchten wir jetzt auch in Donezk, Charkiw und Lugansk." Die Kämpfer, die am Sonntag in ukrainische Regierungsgebäude eingedrungen sind, gingen wie ausgebildete Soldaten vor, taktisch perfekt geschult, vermummt und mit Kalaschnikows bewaffnet. "Wir müssen also davon ausgehen, dass erneut die russische Regierung dahinter steckt. Und sie wie auf der Krim mit gezielten Provokationen ukrainisches Territorium erobern will", schreibt Klitschko. "Die Strategie ist dabei die gleiche: Sie sorgen für Unruhe, wollen ein illegales Referendum und tun dann so, als hätten sie die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich."
Bild: Ukraine laut von der Leyen nicht reif für NATO
Ein Beitritt der Ukraine zur NATO kommt nach Überzeugung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht in Frage. "Das ist zurzeit kein Thema. Das Land erfüllt nicht die Grundvoraussetzungen, um der NATO beizutreten", sagte die Ministerin in einem Interview mit der Zeitung "Bild". Die Ukraine habe enorme wirtschaftliche Probleme. "Das Land kämpft mit Korruption, muss ein demokratisches Staatswesen erst noch aufbauen. Dabei wollen wir helfen", sagte von der Leyen.
Zugleich sieht von der Leyen das Verhältnis zu Russland durch die Krim-Krise als längerfristig beschädigt an. Der russische Präsident Wladimir Putin habe "mit der Annexion der Krim viel Vertrauen zerstört. Es wird lange dauern, das wieder aufzubauen. Voraussetzung dafür ist vor allem anderen, dass Russland dazu beiträgt, dass sich die Lage wieder entspannt". Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland lehnte von der Leyen strikt ab. Auf die Frage, ob die Bundesregierung im Falle einer militärischen Eskalation der Krise wieder die Wehrpflicht einführen müsse, sagte von der Leyen: "Nein. Die Aussetzung der Wehrpflicht war richtig. Die Bundeswehr braucht heute mehr Qualität als Masse."
Schäuble: Ukraine-Krise könnte Sparziele der Regierung gefährden
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht davon aus, dass die Ukraine-Krise die Sparziele der Bundesregierung gefährden könnte. Die Chancen für einen ausgeglichenen Haushalt im kommenden Jahr stünden zwar gut, so Schäuble in einem Interview mit der "Bild-Zeitung". Garantien könne er jedoch nicht geben. "Zum Beispiel weiß heute doch niemand, wie es in der Ukraine weitergeht."
Einen Krieg um die Ukraine schloss Schäuble aus. "Militärische Hilfe steht nicht zur Debatte", sagte er der Zeitung. "Die Ukraine muss wirtschaftlich und politisch stabilisiert werden."
Auswärtiges Amt rät deutschen Diplomaten von Reisen auf die Krim ab
Das Auswärtige Amt rät deutschen Diplomaten von Reisen auf die Krim ab und will damit verhindern, dass Deutschland versehentlich den Anschluss der Krim an Russland völkerrechtlich anerkennt. Das geht aus einem "Handelsblatt-Online" vorliegenden Schreiben der deutschen Botschaft in Moskau an alle deutschen Staatsangehörigen mit dauerhaftem Aufenthalt in der Russischen Föderation hervor.
Vor allem von Reisen auf die Krim wird abgeraten: "Insbesondere sollten solche Reisen nicht mit einem eventuell vorhandenen Diplomaten- oder Dienstpass unternommen werden", heißt es in dem Brief des Leiters der Rechts- und Konsularabteilung der Botschaft. Zur Begründung wird angeführt, dass Deutschland die Abspaltung der Krim von der Ukraine und ihre Aufnahme in den russischen Staatsverband völkerrechtlich nicht anerkenne, sondern darin einen Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot sehe. "Wir dürfen daher nichts tun, was als (auch implizite) Anerkennung des so geschaffenen Zustandes durch Deutschland verstanden werden müsste oder könnte", betont die Botschaft und fügt hinzu: "Dies gilt auch für Personen, deren Verhalten nach den äußeren Umständen Deutschland zugerechnet werden würde."
Hintergrund ist, dass für Reisen auf die Krim ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis benötigt wird. Bei Diplomaten sei dies notwendigerweise der Diplomatenpass. Ein Ausweichen auf einen "normalen" Reisepass sei nicht möglich, da sich in ihm kein Visum und keine Aufenthaltserlaubnis befänden. "Damit", warnt die Botschaft, "gibt der Reisende aber jedem, dem er diesen Pass vorlegt (Hotel, Fahrkartenverkauf, örtliche Polizeikontrollen etc.), unmissverständlich seine Stellung als nach Russland entsandter Diplomat, Lehrer etc. zu erkennen." Und das bedeute, dass sein oder ihr Handeln, also auch eine Reise auf die Krim, Deutschland zugerechnet werde. "In dem dabei unvermeidbaren Umgang mit den örtlichen russischen Behörden wird die russische Seite eine Bestätigung der Legitimität dieser Behörden sehen." Das gelte auch für regierungsferne deutsche Institutionen. "Aus Sicht großer Teile des Auslandes repräsentieren solche Einrichtungen Deutschland nicht minder als die Botschaft."
Umfrage: 81 Prozent halten Hitler-Putin-Vergleich für unzulässig
81 Prozent der Deutschen halten einen Vergleich zwischen Russlands Präsident Putin und Adolf Hitler grundsätzlich für unzulässig. Nur 13 Prozent sind anderer Ansicht. Das ergab eine repräsentative Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" unter 500 Befragten am vergangenen Freitag. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wehrt sich seit Tagen gegen den Vorwurf, er habe Putin mit Hitler verglichen. Der Minister hatte am Montag letzter Woche vor Berliner Schülern den Anschluss der Krim an Putins Russland mit der Annexion des Sudetenlandes durch Hitler 1938 in Verbindung gebracht.
Quelle: dts Nachrichtenagentur