DIHK warnt vor Lockerung der EU-Sparpolitik
Archivmeldung vom 20.06.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat sich gegen den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ausgesprochen, die EU-Sparpolitik zu lockern. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" warnte DIHK-Präsident Eric Schweitzer vor einer erneuten Aufweichung des Stabilitätspakts. Solche Lockerungen hätten die Staatsschulden- und Finanzkrise maßgeblich mit verursacht.
Zu der Forderung Gabriels, Krisenstaaten wie Frankreich oder Italien für den Defizitabbau mehr Zeit zu lassen, sagte Schweitzer: "Reformen liegen im ureigensten Interesse jedes einzelnen Landes. Sie schlagen sich mittlerweile in fast allen EU-Staaten auch in Wachstum und Steuermehreinnahmen nieder." Als Vorwand für nachlassende Sparanstrengungen dürfe die Reformpolitik nicht herhalten, so der DIHK-Präsident weiter.
Altkanzler Schröder unterstützt Gabriel-Vorstoß zur Lockerung der EU-Sparpolitik
In der Diskussion um den EU-Stabilitätspakt springt der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder dem amtierenden Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) bei: Es sei "im deutschen Interesse, unseren Partnern in Europa durch eine Flexibilisierung der Austeritätspolitik mehr Zeit für Reformen zu lassen", schreibt Schröder in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" (Freitagausgabe).
"Daher ist der Vorstoß von Vizekanzler Sigmar Gabriel und der europäischen Sozialdemokraten richtig, den krisengebeutelten Staaten mehr Zeit und mehr haushaltspolitische Flexibilität bei der Umsetzung der Reformpolitik zu gewähren", unterstreicht der Alt-Bundeskanzler.
Schröder verwies in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen mit der Agenda 2010 in Deutschland: "Es wäre politisch nicht durchsetzbar gewesen, neben schwierigen, politisch und gesellschaftlich umstrittenen Strukturreformen noch Milliardeneinsparungen vorzunehmen und den Haushalt zu sanieren."
Damals hätten Deutschland und Frankreich eine Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes durchgesetzt. "Diese Reform weichte die Grenzwerte für die Haushaltsdefizite nicht auf, sondern flexibilisierte ein zu statisches Regelwerk. Sie eröffnete Deutschland die Möglichkeit zu Strukturreformen auch in einer schwierigen Haushaltslage."
Weiter schreibt Schröder: "Nur deshalb war es möglich, die Agenda 2010 zu realisieren." Der Altkanzler sieht viele Krisenstaaten heute in einer ähnlichen Lage. Auch sie müssten schwierige Reformen in Angriff nehmen, die ihre Wirkung erst in einigen Jahren entfalten würden. Diese Zeit müsse überbrückt werden "durch Wachstumsprogramme, aber auch durch Programme, die die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen", fordert Schröder. "Dafür brauchen Staaten finanzielle Spielräume, die sie unter der Bedingung bekommen müssen, dass sie die notwendigen Strukturreformen auch wirklich anpacken."
Mit Blick auf die Gewinne der populistischen Parteien bei der Europawahl warnte Schröder: Gebe man den Krisenstaaten keine Spielräume, "ist ein Scheitern der europafreundlichen Parteien in den Südländern programmiert. Wenn dann die Grillos und Le Pens das Sagen haben, dann hat die EU keine gute Zukunft mehr."
Der Altkanzler fordert: "Wenn wir Deutschen wollen, dass das Projekt Europa nicht zerstört wird, dann müssen wir die gemäßigten politischen Kräfte in den Südländern stärken, die für Demokratie, Soziale Marktwirtschaft und europäische Integration stehen."
IW-Chef Hüther gegen Gabriel-Vorstoß zur Lockerung der EU-Sparpolitik
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat sich gegen den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ausgesprochen, die EU-Sparpolitik zu lockern. Es sei misslich, dass Gabriel für mehr Zeit bei der Konsolidierung der Haushalte werbe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse aufpassen, "dass ihre richtigen und wertvollen Bemühungen für die Neuaufstellung der Euro-Zone am Ende nicht durch den Koalitionspartner zu Schaden kommen", sagte Hüther "Handelsblatt-Online".
Mit großer Sorge sieht der IW-Chef zudem, dass innerhalb der EU beispielsweise Frankreich und Italien auf eine flexiblere Auslegung der Euro-Stabilitätsregeln dringen. "Die verstärkten Bestrebungen einiger Länder, vor allem aber auch Frankreichs und Italiens, können sich zu einem neuen Sprengsatz für die Euro-Zone auswachsen", sagte der IW-Chef. "Angesichts einer sich verbessernden Konjunktur schwindet gerade die Basis für die Forderung, mehr Zeit für die Konsolidierung zu gewähren."
Jetzt sei vielmehr der Zeitpunkt für eine "disziplinierte" Umsetzung der Reformen und eine Fortsetzung der Konsolidierung, so Hüther. "Die Besserung der gesamtwirtschaftlichen Lage in den Krisenländern zeigt doch, dass die Sanierung Erfolge bringt, und zwar schneller als seinerzeit erwartet", gab Hüther zu bedenken. "Misslich ist es, dass mit Frankreich ein wirklicher Problemfall, der noch keinerlei Reformen auf den Weg gebracht hat und keine Konsolidierungsfortschritte aufweist, sich an die Spitze der Aufweicher setzt." Hier liege das große Problem Europas, so Hüther.
DIHK: Weniger EU-Bürokratie könnte eine Milliarde Euro sparen
Eine angemessene und praxisnahe EU-Gesetzgebung könnte deutsche Unternehmen um mindestens eine Milliarde Euro jährlich entlasten: Zu diesem Ergebnis kommt eine Bestandsaufnahme zur Vereinfachung des EU-Rechts, die der Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK) Anfang Juli vorstellen will. "Der Binnenmarkt könnte an etlichen Stellen mit weniger Regeln genauso gut funktionieren wenn nicht manches mal sogar besser", heißt es in dem Papier, das dem "Handelsblatt" vorliegt.
Die neue EU-Kommission, die im Herbst ihre Arbeit aufnimmt, müsse dem Abbau bürokratischer Lasten besonderes Augenmerk widmen, fordert Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben: "Mehr Mut zu weniger Regeln." Bemühungen der EU-Kommission, die Gesetzgebung mit ihrem "Refit"-Programm effizienter zu gestalten, sind für den Verband ein Versprechen, das es einzulösen gilt. "Noch immer befasst sich das EU-Recht mit zu vielen Details. Glühbirnen, Gurken oder Duschköpfe sind nur die plakativen Beispiele für die überbordende Regelungsverliebtheit", sagte Wansleben der Zeitung.
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft nehmen die Verpflichtungen zu Information und Dokumentation überhand. "Komplizierte Mehrwertsteuerregelungen oder Finanzkontrollen in der Realwirtschaft rauben den Unternehmen Zeit, sich um das Geschäft zu kümmern", moniert Wansleben und mahnt Abhilfe an.
Der DIHK macht nun 18 Vorschläge zur Entlastung der Unternehmen in der neuen Legislatur. Sie reichen von einer Vereinfachung der Meldepflichten mittlerer Unternehmen bei außerbörslichem Derivatehandel über die Reduzierung der Einzelbelegnachweispflichten zugunsten von mehr Pauschalen bei der Unternehmensförderung aus EU-Fonds bis hin zur Warnung, die Ökodesign-Richtlinie auf die Ressourceneffizienz von Produkten auszuweiten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur