Merkel pocht auf Einhaltung des griechischen Sparprogramms
Archivmeldung vom 18.06.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach ihrer Ankunft im mexikanischen Nobel-Badeort Los Cabos, wo derzeit ein Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) stattfindet, auf die Einhaltung des Sparprogramms für Griechenland gepocht. Die noch zu bildende neue griechische Regierung müsse die Verpflichtungen, die Griechenland im Gegenzug für internationale Hilfsgelder eingegangen ist, "auch umsetzen", betonte die Kanzlerin am Montag.
"Dazu muss die Troika jetzt möglichst schnell nach Griechenland reisen und dann einen Statusbericht erstellen. Alles Weitere werden wir dann mit der zukünftigen Regierung besprechen", so Merkel weiter. Spekulationen bezüglich eines weiteren Hilfspakets für Griechenland erteilte Merkel in Los Cabos eine Absage. "Ich spreche ausdrücklich nicht über ein neues Hilfspaket, und ich sage auch, dass ich jetzt keine Spekulationen anstelle", erklärte die deutsche Regierungschefin. Wichtig sei vielmehr, dass die neue Regierung die Verpflichtungen, die Griechenland mit der internationalen Staatengemeinschaft eingegangen ist, auch einhält. "Die Geldleistungen, die wir zur Verfügung gestellt haben, sind umfassend."
Merkel stellte allerdings "zusätzliche Wachstumsimpulse" für Griechenland in Aussicht. "Wir werden mit Griechenland natürlich darüber sprechen, ob zusätzliche Wachstumsimpulse im Rahmen unseres Wachstumsprogramms, das wir für die ganze Europäische Union auflegen, möglich sind", sagte die Kanzlerin. Dies ändere aber nichts an den Bedingungen des Rahmenprogramms, über das auch im Bundestag abgestimmt wurde, betonte Merkel.
Europapolitiker Brok spricht sich für Investitionen in Griechenland aus
Elmar Brok (CDU), Chef des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, hat sich für Direkt-Investitionen der EU in Griechenland ausgesprochen. "Wenn die Verwaltung in Athen nicht in der Lage ist, sinnvolle Projekte auf den Weg zu bringen, müssen wir die Dinge von Brüssel aus ankurbeln. Ich möchte in Griechenland Bagger sehen. Wir sollten Geld in Infrastruktur-Maßnahmen stecken, wir sollten den Tourismus wettbewerbsfähig machen und den Aufbau eines Katasteramtes beschleunigen", sagte Brok der "Neuen Westfälischen" (Dienstagausgabe).
Er sehe zudem gegenwärtig keine Möglichkeiten, Griechenland "auf der Zeitachse" entgegen zu kommen, wie es Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in einem Interview suggeriert hatte. Wichtiger als eine Streckung bei der Kredit-Zurückzahlung sei es, so Brok, wenn die EU jetzt zeige, "dass das Leben für die Griechen leichter werden kann". Die 16 Milliarden Euro an ungenutzten Strukturfonds-Mitteln, die noch in Brüssel liegen, angereichert mit Mitteln der Europäischen Investitionsbank, müssten jetzt in Griechenland investiert werden, forderte der Europapolitiker.
CSU-Wirtschaftsflügel fordert Härte gegen Griechenland
Der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss und Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, hat eine Lockerung der Sparauflagen für Griechenland strikt abgelehnt. Mit Blick auf entsprechende Äußerungen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach Michelbach von einem falschen Signal. "Der Plan für die Sanierung Griechenlands ist gut durchdacht. Jetzt daran zu rütteln, bedeutet, neue Unsicherheiten zu schaffen. Das dient weder Griechenland oder anderen Mitgliedstaaten noch der Gemeinschaft insgesamt", sagte der Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels "Handelsblatt-Online". Athen müsse jetzt endlich handeln, statt nur zu reden. "Daran hängt auch die weitere Freigabe von Hilfsgeldern."
Eine Verlängerung der Zeitschiene für die griechischen Reformen wäre zudem "ein Schlag ins Gesicht der hochverschuldeten Länder, die sich unter großen Opfern ihrer Bevölkerung ernsthaft um eine Konsolidierung bemühen", sagte Michelbach weiter. Portugal beispielsweise zeige dabei, dass man auch rascher Erfolge erzielen könne, als im Fahrplan vereinbart. "Was hindert Griechenland an gleichen Anstrengungen?"
Gleichwohl bewertete Michelbach den Wahlausgang als "gutes Signal für Griechenland und die EU". Das Land brauche jetzt "nach den quälenden Vorläufen" schnell eine handlungsfähige Regierung. "Es kann auch nicht sein, dass beim nächsten EU-Gipfel wieder nur ein geschäftsführender Regierungschef aus Griechenland mit am Tisch sitzt, der keine Prokura hat." Die "Zeit für taktische Spielchen", wie sie jetzt wieder von Pasok initiiert würden, sei abgelaufen. "Die Vorstellung, die Linksradikalen in eine proeuropäische Regierung einbinden zu können, ist völlig irreal." Die Griechen hätten sich in ihrer Mehrheit für den Euro entschieden. "Notwendig ist jetzt bei den griechischen Parteien die Bereitschaft zur Verantwortung."
Unionsfraktionsvize Fuchs gegen Zugeständnisse an Athen
Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) hat sich nach den Parlamentswahlen in Griechenland gegen Reformzugeständnisse an die künftige griechische Regierung ausgesprochen. "Die Sparbeschlüsse und Strukturreformen müssen durchgesetzt werden. Da darf es kein Pardon geben", sagte Fuchs der "Saarbrücker Zeitung" (Dienstagausgabe). Fuchs ergänzte jedoch: "Wenn man sieht, dass die Griechen es ernst meinen, könnte man ihnen bei der Rückzahlung von Krediten zeitlich entgegenkommen." Entscheidend bleibe aber, dass die Troika nach Bildung einer neuen Regierung "nach Athen reist und die Fortschritte begutachtet".
Mit Blick auf den griechischen Wahlausgang sagte der Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels: "Das Wahlergebnis ist unter allen schlechten das Beste."
Ökonomen stützen Westerwelles Griechenland-Vorstoß
Die Äußerungen von Außenminister Guido Westerwelle, wonach über den Zeitplan für die Reformen in Griechenland geredet werden könne, stoßen bei Ökonomen auf Zustimmung. Die von Westerwelle angekündigte Korrektur der Auflagen durch Streckung des Konsolidierungskurses sei "eine zu begrüßende Einsicht", sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, "Handelsblatt-Online". "Nur indem die Konsolidierung langsamer angegangen wird und zum Beispiel der Aufbau eines wirksamen Steuersystems beschleunigt wird, kann sich Griechenland von der Krise befreien."
Ähnlich äußerte sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. "Freilich kann man bei grundsätzlicher Akzeptanz der Sparauflagen über das Timing und über einzelne Instrumente sprechen", sagte Hüther "Handelsblatt-Online" mit Blick auf das griechische Reformprogramm. "Das sture Festhalten an den Vorgaben für die Defizitquote käme einem Hinterhersparen hinter der Konjunktur gleich, und die Erhöhung der Mehrwertsteuer war sicher nicht klug." Aber ebenso gelte, fügte Hüther hinzu, dass kein Land bisher so viel solidarische Hilfe erhalten habe wie Griechenland. "Es muss nun endlich ernsthaft privatisiert werden", sagte er. Und es müsse nun endlich die staatliche Verwaltung auf Effizienz getrimmt werden.
Als "gute Nachricht" wertete Hüther, dass die Regierungsbildung auf jene Parteien hinauslaufe, die sich grundsätzlich zur Sparpolitik bekennen würden. "Griechenland würde dann die Geschäftsgrundlage der EU-Krisenpolitik - Geld gegen Auflagen einhalten", sagte er und fügte hinzu: "Die Ausstiegszenarien wären damit vorübergehend obsolet." IMK-Chef Horn unterstrich, dass es bei der Wahl in Griechenland anders als von vielen dargestellt nicht um ein Für oder Gegen den Euro gegangen sei. Die Griechen hätten immer signalisiert, dass sie den Euro als Währung behalten wollten. "Es ging allerdings sehr wohl um den geeigneten Weg die griechischen Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen", sagte Horn. "Hier ist zunächst festzuhalten, dass der bisherige Austeritätskurs gescheitert ist, weil er ökonomisch nicht funktioniert." Dies sei ein Versagen der europäischen Politik, allen voran der Bundesregierung.
In Koalitionskreisen stieß Westerwelles Ankündigung hingegen auf Kritik. "Westerwelle darf Brüderle und der Bundeskanzlerin, die bisher stets auf strikte Vertragseinhaltung gepocht haben, mit seinem unbegründeten Nachgeben nicht in den Rücken fallen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch "Handelsblatt-Online". Willsch sieht daher auch keine Veranlassung einer neuen Regierung in Athen entgegenzukommen. "Nachdem den Griechen seit 2010 schon mehrfach die Zinsen abgesenkt wurden, muss die Troika und die Eurogruppe jetzt Kurs halten: es darf weder am Zins, noch an der Laufzeit rumgefummelt werden", unterstrich er. Griechenland müsse endlich Ergebnisse liefern für die Milliarden an deutschen Steuergeldern, die es inzwischen erhalten habe. "Es kann doch wohl keinen Rabatt geben dafür, dass Kommunisten oder Rechtsradikale nicht noch mehr Stimmen bekommen haben."
Ähnlich äußerte sich der Finanzexperten der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler. "Griechenland hat die Troika-Maßnahmen nicht umgesetzt, daher darf die nächste Tranche über 31,2 Milliarden Euro Ende Juni nicht bewilligt werden." Unabhängig vom Wahlausgang müsse der Euro-Club glaubhaft bleiben.
Westerwelle: "Für Griechenland geht die Arbeit jetzt erst richtig los"
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat nach dem Ausgang der Wahlen in Griechenland angemahnt, dass die Arbeit an den Reformen jetzt erst richtig losgehen müsse. "Wir wollen, dass Griechenland Teil der Euro-Zone bleibt. Aber das setzt voraus, dass das Reformprogramm ohne Abstriche auch umgesetzt wird", sagte Westerwelle im Deutschlandfunk. Jetzt sei es die Aufgabe der Troika, mit der neuen griechischen Regierung den Fahrplan für die Zeit nach der Wahl zu erörtern, so Westerwelle weiter. "Sie wissen, dass sie nur dann wieder aus diesem Tal herauskommen, wenn sie jetzt mutig und kraftvoll die Reformpolitik umsetzen", mahnte der FDP-Politiker. Andererseits könne weder das Vertrauen in Griechenland, noch in Europa zurückkehren, so Westerwelle weiter.
EU-Kommission will bei Griechenland hart bleiben
Die EU-Kommission will gegenüber Griechenland hart bleiben und dem hochverschuldeten Land bei seinen Sparauflagen nicht entgegenkommen. "Wir wollen helfen und Griechenland in der Euro-Zone halten. Aber wir haben schon äußerste Flexibilität angewandt gegenüber Athen", sagte EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski im "Handelsblatt".
Indessen ist das Ergebnis der Parlamentswahl europaweit mit Erleichterung aufgenommen worden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sicherte Griechenland nach der Wahl seine Unterstützung zu. Man werde der griechischen Regierung bei der Schaffung finanzieller Stabilität und Wirtschaftswachstum sowie neuer Arbeitsplätze zur Seite stehen, hieß es in einer Erklärung. Das Europaparlament bot der neuen Regierung eine "konstruktive Zusammenarbeit" an. "Wenn Griechenland zu seinen Verpflichtungen steht, dann wird die EU prüfen, was zur Überwindung der Krise noch getan werden kann", heißt es in einer Erklärung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
Am Wochenende ist die konservative Nea Dimokratia mit 29,66 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Sie würde mit der Pasok (12,28 Prozent) eine Mehrheit im Athener Parlament bilden. Zweitstärkste Kraft wurde dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge die Syriza mit 26,89 Prozent. Nun beginnen in Athen die Sondierungsgespräche.
Quelle: dts Nachrichtenagentur