Oettinger fordert Erdogan persönlich zur "Mäßigung" auf
Archivmeldung vom 14.11.2016
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Freigeschaltet durch André OttAngesichts des anhaltenden massiven Vorgehens der türkischen Regierung gegen Regierungsgegner und kritische Journalisten hat EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan persönlich zur "Mäßigung" aufgefordert. "Ich erwarte von Präsident Erdogan, dass die Instrumente zur Terrorabwehr in der Türkei, die durchaus ihre Berechtigung haben, nicht so missbraucht werden, dass es unschuldige Menschen trifft und rechtsstaatliche Grundsätze immer wieder verletzt werden", sagte Oettinger der "Welt am Sonntag".
Erdogan solle "sich mäßigen und mit demokratischen Mitteln sein Land regieren". Er gefährde mit seiner Politik auch die wirtschaftliche Prosperität seines Landes. "Ausländische Unternehmen werden mit weiteren Investitionen in der Türkei zögern, wenn die politischen Rahmenbedingungen unkalkulierbar bleiben", sagte Oettinger.
Trotz des Drucks aus Ankara schließt der EU-Kommissar eine Einigung auf ein Ende der Visumspflicht für türkische Staatsbürger bis zum Jahresende aus: "Wir lassen uns in dieser wichtigen Frage nicht unter Druck setzen. Ich gehe nicht davon aus, dass die Türkei noch in diesem Jahr die Visafreiheit erhalten wird. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit." Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte in der vergangenen Woche schnelle Fortschritte bei der Visafreiheit angemahnt und mit einer Aufkündigung des Flüchtlingspakts mit der EU gedroht.
"Um Visafreiheit zu erhalten, muss die Türkei noch fünf Bedingungen erfüllen, darunter vor allem die Gesetze zur Anti-Terror-Bekämpfung. Ich sehe in dieser Frage bisher keine Bewegung", so Oettinger. Wenn Ankara "nicht glaubhaft seine Gesetze zur Anti-Terror-Abwehr ändert, so dass sie nicht mehr willkürlich angewendet werden können, wird es von Kommission und Parlament keine Zustimmung zu Reisen ohne Visum für türkische Staatsbürger geben", kündigte der EU-Kommissar an.
Unmittelbar vor den Gesprächen der EU-Außenminister über die Entwicklungen in der Türkei am Montag in Brüssel l! ehnte Oe ttinger Forderungen nach Sanktionen oder einer Unterbrechung der Beitrittsgespräche strikt ab: "Trotz der jüngsten gefährlichen Rückschritte in der Türkei bei den demokratischen Grundwerten und der Rechtsstaatlichkeit dürfen die Europäer das Tischtuch des Dialogs nicht zerschneiden.
Die Türkei muss am Verhandlungstisch bleiben, nur so können wir wirksam auf die Regierung in Ankara einwirken." Wirtschaftssanktionen oder ein Einfrieren der Beitrittsgespräche wären "derzeit völlig kontraproduktiv, weil sie unseren Einfluss auf die Türkei in dieser schwierigen Phase schwächen würden", sagte Oettinger weiter. Die EU habe andere Instrumente, wie beispielsweise die Gewährung der Visafreiheit, um der Türkei deutlich zu machen, dass man den derzeitigen politischen Kurs nicht akzeptiere.
Quelle: dts Nachrichtenagentur