Italien rettet Banken mit 17-Milliarden-Spritze: „Ein ganz schlimmes Zeichen“
Archivmeldung vom 27.06.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit 5,2 Milliarden Euro Soforthilfe und weiteren 12 Milliarden in Garantien rettet die italienische Regierung die Geldinstitute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza vor der Pleite.
Der Finanzexperte Hans-Joachim Dübel warnt im Sputnik-Interview vor einem Schaden für die Bankenunion insgesamt. Es habe zwei Alternativen gegeben, um den Fall der Pleite-Banken zu lösen, erklärte Dübel, Gründer und Leiter der Finanzberatungs-Firma Finpolconsult.
„Das eine wäre gewesen, die Bank über den Single Resolution Board (deutsch: Einheitlicher Bankenabwicklungsmechanismus – SRM) zusammen mit der italienischen Regierung abzuwickeln, so dass die Bond-Kreditgeber der Bank beschnitten werden und die Verluste mit tragen. Es ist aber das zweite Modell gewählt worden, nämlich diese Banken in die Insolvenz gehen zu lassen und vom Markt zu nehmen.“
Wenn aber Banken vom Markt genommen werden, hebele das die Staatshilferegeln in der Europäischen Union (EU) aus. In dem Fall dürfe die Regierung die Investoren subventionieren, hob der Experte hervor.
Der ehemalige Finanz-Analytiker bei der Weltbank betont, dass es nicht das Ziel eines Staates sein könne, für bestimmte Partikularinteressen – in diesem Fall Investoren in Bankschuldverschreibung – als Retter zuständig zu sein. Natürlich habe die italienische Regierung das Systemrisiko im Auge. Das heiße, dass andere Investoren in ungesicherten italienischen Banken unruhig werden. Dübel fragt sich aber, warum mit dieser Aktion so lange gewartet wurde. Es sei ja schon vor zwei Jahren klar gewesen, dass es diesen Banken nicht gut gehe. Dies sei aber aus seiner Sicht durch manipulative Bilanzierung verkleistert worden. Die Zeitungen hätten dennoch von den Problemen dieser Banken berichtet.
Wenn die Banken vor zwei Jahren über ein marktwirtschaftliches Konzept abgewickelt worden wären, so der Finanzexperte, hätte das diese Investoren mit weniger Verlusten belastet. Nun seien nur noch deutlich weniger Investoren im Risiko, aber diese würden deutlich höhere Verluste haben. Dass gewartet wurde, um Investoren den Ausstieg aus den Banken zu ermöglichen, sei aus marktwirtschaftlicher Sicht unakzeptabel. Dübel erläuterte:
„Das ist ein Problem für die Bankenunion, weil damit eigentlich Regeln der Bankenunion — die Investorenbeteiligung — ausgehebelt werden. Für Italien ist es auch fiskalpolitisch eine Katastrophe.“
Das Preis- und Verlustrisiko liege dann beim Staat, der die Rechnung an die Investoren zahle. Am Ende werde der italienische Steuerzahler dafür haften.
So oder so sei dies ein „ganz schlimmes Zeichen“ für die fiskalpolitische Konstitution Italiens, stellte der Fachökonom klar. Die Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza seien nicht die letzten Banken in Italien, die Probleme haben werden. Es gebe einen hohen Berg von sogenannten nichteinbringlichen Krediten oder Kreditproblemen. Dem Staat würden dann an anderen Ecken Gelder fehlen, um Impulse zu setzen, damit die Wirtschaft wieder stärker wächst.
Die italienische Staatsverschuldung liegt laut Dübel ohnehin schon im Bereich von 130 Prozent des Bruttosozialproduktes (BSP). Dies sei eine Höhe von der namhafte Ökonomen sagen: „They never come back.“ „Das heißt, Staaten mit solch hohen Verschuldungsquoten würden irgendwann mal in den Ausfall gehen.“
Eigentlich sollten die Regeln der europäischen Bankenunion aber dazu dienen, eine Entkopplung zwischen Staatshaushalt und Banken herzustellen, so der Experte, damit sich der Staat nicht weiter verschulden könne. Er nannte als Vergleichsbeispiel Spanien. Das südeuropäische Land sei mit 60 Prozent des BSP in die Krise gestartet und habe danach 90 bis 95 Prozent gehabt. Das sei zwar immer noch ein Wert, der zu hoch sei, den Spanien aber noch bewältigen könne. Italien würde mit über 100 Prozent des BSP Staatsverschuldung in eine Bankenkrise starten, „die sicher noch nicht beendet“ sei. Es könne sich aber diese Strategie nicht leisten.
Der Fachökonom warnte: „Bei Italien ist absehbar, dass es zu einer neuen fiskalischen Krise kommt. Wenn es zu so einer Krise kommt, dann ist der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), so wie er im Augenblick konstituiert ist, zu klein dimensioniert. Italien braucht viel mehr potenzielles Geld von den Kreditgebern. Dann werden wir wirklich nochmal eine Eurokrise erleben, die sich gewaschen hat. Das muss nicht automatisch passieren, aber es ist aus Sicht der Gesamtgesundung des Systems und auch aus Sicht der Eurostabilität ein wirklich negatives Signal was hier gesendet wird.“
Quelle: Sputnik (Deutschland)