BP-Ölpest: Profitgier und technischer Pfusch schuld
Archivmeldung vom 10.06.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Explosion und der dramatische Untergang der Ölplattform "Deepwater Horizon" vor sieben Wochen ist die Folge verantwortungslosen Risikomanagements der Betreiber Halliburton, Transocean und BP. Das geht aus teilweise vertraulichen Informationen hervor, die pressetext vorliegen.
Bereits drei Wochen nach Beginn der
Bohrungen im Oktober 2009 haben BP-Techniker festgestellt, dass in 4.000
Metern Tiefe unerwartet Gas vom Gestein in die Bohrung drang. Nachdem
eine Mess-Sonde im Bohrloch steckenblieb und dann im geneigten Winkel
bis auf 5.600 Meter weiter gebohrt wurde, nahm BP bewusst unzureichende
Rohrabdichtungen in Kauf und verzichtete aus Kostengründen auf den
zeitintensiven Einsatz einer Zement-Sonde des Ölfeld-Dienstleisters
Schlumberger.
Risiken bewusst in Kauf genommen
"Der Erfolgs- und Kostendruck war immens", sagt der Erdöl-Experte Paul Fink gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext. "Der BP-Konzern hat für die Bohranlage eine Tagesmiete von fast einer halben Mio. Dollar an Transocean gezahlt, mit Nebenkosten sogar eine Mio. Dollar pro Tag", sagt Fink, Vorstandsmitglied des börsennotierten Öl- und Gasexplorationsriesen AuDAX Resources. BP hat Gefahren bewusst in Kauf genommen, Mitarbeiter unter Druck gesetzt und das Risiko unterschätzt. Laut Kapitel 2.7 der Bohrpläne hielten die Techniker eine Eruption sogar für unmöglich.
Die Unbekümmertheit von BP überrascht selbst eingefleischte
Branchenkenner wie Fink: "Es ist mir ein Rätsel, warum BP trotz der
Kenntnis über weitaus mehr gelöstes und volatiles Gas als gedacht, so
leichtsinnig gehandelt hat." Beim Zementieren des Bohrlochs stieß
Halliburton unerwartet auf schwierige Bedingungen und empfahl BP
nachzubessern, um die Abdichtung durch den Zement sicherzustellen. Trotz
Sicherheitsbedenken hat BP auch die Empfehlungen Halliburtons in den
Wind geschlagen. Statt der empfohlenen 21 Zentrierungs-Tools
installierte das BP-Bohrteam nur sechs Stück. Laut Fink operierte der
Ölmulti damit "hart am Limit".
Erdgas am tiefsten Punkt übersehen
Die Pannenserie begann aber bereits vor der Zementierung. Die Verantwortlichen pfuschten bei der Spülung in der Nähe des Reservoirs, um sicherzugehen, dass diese auch frei von Gas ist. Erst dann kann ein sicherer Zementabdichtungsjob durchegführt werden, so Fink. Bei dem Zirkulationsvorgang - auch "bottoms up" genannt - wird der schwere Bohrschlamm nach oben gebracht und auf Gasgehalt überprüft. Erst dann sollte mit dem Zementieren begonnen und schließlich der schwere Bohrschlamm nach und nach mit leichtem Wasser ersetzt werden. Danach kann die Bohrung sicher auf Öl und Gas getestet werden.
pressetext vorliegenden Dokumenten nach hätte dieser Arbeitsschritt etwa zwölf Stunden - oder eine halbe Mio. Dollar mehr - gedauert. Laut dem Bohrbericht beendete BP den Vorgang am 19. April aber bereits nach 30 Minuten. So wurde Gas am tiefsten Punkt der Bohrung übersehen. Obwohl noch keine offiziellen Untersuchungsergebnisse vorliegen, hält Fink den enormen Zeit- und Kostendruck bei allen Beteiligten, der das bewusste Eingehen von Risiken scheinbar rechtfertigte, als Hauptgrund für die Katastrophe.
Denn als Anschluss zu den benachbarten Feldern war der Erdölfund namens "Macando" äußerst lukrativ. Außerdem hatte BP wahrscheinlich den Ehrgeiz, die Vormachtstellung im Golf von Mexiko gegenüber Rivalen wie Exxon Mobil zu verteidigen. Fink im pressetext-Gespräch: "BP operiert dort seit seit 15 Jahren äußerst aggressiv und hält Explorationslizenzen wie kein zweiter Ölförderer. Allein aus den Feldern, die BP dort betreibt, werden täglich 400.000 Barrel Öl produziert - mit Partnern sogar noch mehr."
Quelle: pressetext.austria Florian Fügemann