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Russland und China erörtern neue Spielregeln in Weltwirtschaft

Archivmeldung vom 04.09.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Cover des Buches „Drachensturm – Wie China und Co. den Westen erobern“
Cover des Buches „Drachensturm – Wie China und Co. den Westen erobern“

Wenn Russland und China auf dem Östlichen Wirtschaftsforum in der fernöstlichen Stadt Russlands Wladiwostok (03.–05.09) an die neuen Spielregeln in der Weltwirtschaft denken, so bedeutet das neue Umgangsformen, wie Markus Gärtner, Online-Redakteur beim Kopp-Verlag und Autor des Buches „Drachensturm – Wie China und Co. den Westen erobern“ äußert.

„Heute haben wir eine Situation, wo ein großes Land alle anderen überschattet, sich als Weltpolizist benimmt und versucht, die Bedingungen und die Spielregeln zu diktieren — die USA“, sagte Gärtner in einem Sputniknews-Interview mit Nikolaj Jolkin. „Wir gehen aber einer multipolaren Welt entgegen. In diese Richtung soll es auch beim Forum gehen, wenn ich das richtig verstehe, wo dann mehr Länder — in diesem Fall natürlich Russland und China — Einfluss auf die Ausgestaltung von Spielregeln haben. Im Westen haben wir jetzt mit dem neoliberalen Wirtschaftsmodell zu tun, das praktisch gescheitert ist. Das ist der Raubtier-Kapitalismus. Wir brauchen aber einen pfleglicheren Umgang in den Handelsbeziehungen, mehr Diplomatie miteinander und weniger Diktat. Dabei hilft uns, wenn wir mehrere Dreh- und Angelpunkte in der Welt haben und nicht nur einen.“

Der Experte sieht die fernöstliche Region Russlands als eine Drehscheibe für den Handel und den Kapital- und Güteraustausch in Asien und am Pazifik, „wenn man das geschickt anstellt und sich in die langen Lieferketten einklinkt, die China dort aufgebaut hat. Da hat Russland Rohstoffvorkommen, es gibt auch die Agrarindustrie. Man kann dort nach chinesischem Vorbild Industriezentren und Gewerbeparks aufbauen, die spezialisiert sind und Investitionen anziehen. Da aber China im Augenblick langsamer wächst, wird das etwas Geduld kosten.“

China baue die Seidenstraße, und Russland liege genau mitten in diesem eurasischen Wirtschafts- und Entwicklungsgebiet, sodass es zur Drehscheibe im ganzen logistischen Bereich aufsteigen könne, ist sich Markus Gärtner sicher, „da geht es um Güteraustausch zwischen Asien und Europa, um chinesisches Kapital und Wirtschaftsverbindungen und hilft sicher Russland auf Dauer, wenn es gute Beziehungen zu China aufgebaut hat und sie auch in Richtung Westen vermittelt. Ganz einfach gesagt, diese Mittelposition in der eurasischen Landmasse kann Russland gut nutzen.“

Nach der strategischen Energie-Allianz Russland-China befragt, sagt der Experte, dass Russland schon viel Energie nach Europa geliefert habe. „Wenn jetzt China als Abnehmer stärker ins Spiel kommt, ist das natürlich eine Verteilung von Liefer- bzw. Verkaufsrisiken aus der Sicht von Russland. Für China bedeutet es die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen. Beide Länder haben aus strategischen Gründen großes Interesse daran, die Zusammenarbeit in diesem Bereich zu vertiefen.“ Gärtner schaut aber hinter die Kulissen und sagt, dass „der große Energiedeal, der im Mai 2014 zwischen Russland und China mit den Gaslieferungen aus Sibirien nach China geschlossen wurde, das Problem hat, dass es aus russischer Sicht nicht mehr so profitabel ist, wenn die Energiepreise so niedrig bleiben. Da muss man mal sehen, ob danach verhandelt wird oder ob sich nicht in den nächsten zwei bis drei Jahren die Energiepreise wieder erholen. Das vermag niemand so richtig zu sagen. Auf kurze Sicht von zwei, drei, vier Jahren steht da ein Fragezeichen, aber langfristig ist das sicher eine gute Kooperation.“

Durch ihre Kooperation schaffen China und Russland aus der Sicht des Experten Alternativen zu dem amerikanisch dominierten System in der Welt. Z.B. die chinesische Entwicklungsbank, die mit einem 100-Milliarden-Kapital entsteht. Sie wird in vielen Fällen Kredite vergeben, ohne Bedingungen zu diktieren. „Da schafft man eine Alternative zu Weltbank und IWF. Entscheidend ist, dass man mehr kooperiert und dadurch ein stärkeres Gegengewicht zu den USA und den Bedingungen, die von dort aus diktiert werden, schafft.“

Der Anteil an der Weltwirtschaft sei in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht nur von Russland und China größer geworden, sondern von der ganzen asiatischen Region, so Gärtner weiter. „Die Seidenstraße ist z.B. das größte Wirtschaftsprojekt der nächsten ein bis zwei Generationen auf dieser Landmasse. Und wenn man so starke Karten in der Hand hat, dann hat man mehr Einfluss auf das, was in der Welt passiert. Nehmen wir die Reformen, die für den IWF vor einigen Jahren beschlossen worden sind. Seitdem verhindert der US-Kongress, dass sie umgesetzt werden. Diese Reformen wären zum Vorteil von großen Schwellenländern wie Russland und China. Das wird im Augenblick einfach blockiert. Und je mehr der Einfluss wird, den Asien mit China an der Spitze und Russland haben, desto einfacher wird dann sein, bessere Bedingungen für andere Länder durchzusetzten und nicht nur für die USA.“

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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