Integrationsbeauftragte Özoguz kritisiert "Völkermord"-Abstimmung
Archivmeldung vom 30.05.2016
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWenige Tage vor der geplanten Abstimmung über eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern hat die Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz, deutliche Kritik an dem Vorhaben geäußert. Es sei "zu erwarten, dass durch diese Abstimmung Türen eher zugeschlagen und die geschichtliche Aufarbeitung zwischen der Türkei und Armenien sogar verhindert wird", sagte Özoguz dem ARD-Hauptstadtstudio.
Nach Auskunft der SPD-Abgeordneten sei der Druck von Lobbyorganisationen "vor der Armenien-Abstimmung nicht massiver als sonst. (...) Aber es ist in diesem Fall deutlich emotionaler, weil wir ja darüber abstimmen, was in der Türkei einst geschah ohne vernünftige Aufarbeitung."
Damit geht Özoguz auch zur eigenen Fraktionsführung auf Distanz, die den gemeinsamen Antrag mit ausgearbeitet und einen Völkermord an den Armeniern für erwiesen hält. Das bekräftigte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich heute ebenfalls noch einmal gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio.
Zugleich unterstellt Özoguz den Initiatoren der Abstimmung politische Motive: "Die Instrumentalisierung dieses Themas ärgert mich." Zugleich kündigte sie aber ihre Zustimmung zu dem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen im Bundestag an. Warum sie dies trotz ihrer deutlichen Kritik an der Resolution vorhat, sagte sie nicht.
Armenien-Antrag: Grünen-Chef Özdemir kritisiert Özoguz
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, einer der Initiatoren des geplanten Armenien-Antrags des Bundestages, hat die Kritik von Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) an dem Antrag scharf zurückgewiesen. "Die anstehende Verabschiedung der Armenier-Resolution durch den Bundestag kann keine geschichtliche Aufarbeitung zwischen der Türkei und Armenien verhindern, da es diesen Prozess auf ausdrückliche Intervention von Erdogan hin nicht gibt", sagte Özdemir der "Süddeutschen Zeitung".
Obwohl eine Aussöhnung im türkischen Interesse wäre, habe der türkische Präsident "zuletzt beispielsweise das `Züricher Protokoll` verhindert". Mangelnde Aufarbeitung sei "also gerade kein Argument gegen die Resolution, sondern eines dafür", sagte Özdemir. Der Armenien-Antrag unterstütze "die Aussöhnung, indem er unter anderem den Mut der türkischen Zivilgesellschaft ausdrücklich betont".
Mit Blick auf die Kritik von Staatsministerin Özoguz sagte Özdemir: "Weniger Mut sollten frei gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, die im Gegensatz zu den Menschen in der Türkei nicht um ihre Sicherheit und ihren Beruf fürchten müssen, nicht haben."
Özoguz verteidigt ihre kritische Haltung zur Armenien-Resolution
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hat ihre kritische Haltung zur geplanten Armenien-Resolution des Bundestags verteidigt. "Die Türkei muss Verantwortung für den Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg übernehmen", sagte Özoguz der "Süddeutschen Zeitung". Das schulde "sie nicht nur sich selbst, sondern ganz besonders der armenischen Minderheit im Land". Deshalb werde sie dem Antrag im Bundestag zustimmen.
Gleichzeitig bekräftigte Özoguz jedoch: "Ich halte aber den Fakt, dass wir im Deutschen Bundestag eine solche Abstimmung durchführen, trotzdem für den falschen Weg. Denn jene, die meinen, mit dem einen Begriff würde automatisch eine Aufarbeitung in der Türkei einhergehen, irren sich. Durch diese Abstimmung wird das eigentliche Ziel der Aufarbeitung erneut in weite Ferne gerückt", sagte Özoguz der SZ. "Der Bundestag kann diese Resolution verabschieden, aber er ist nun mal kein Strafgerichtshof."
Für die Menschen, für betroffene Familien werde sich "dadurch nichts verbessern - ganz im Gegenteil: Ultranationalisten und Staatspräsident Erdogan erhalten einen riesigen Auftrieb, denn sie werden die Resolution als einen weiteren Angriff des Westens gegen die Türkei instrumentalisieren. Die vernünftigen, nachdenklichen Stimmen werden isoliert und auf längere Zeit keine Chance auf Gehör haben."
Der Bundestag will in dieser Woche die planmäßige Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischer Armenier durch das jungtürkische Regime als Völkermord verurteilen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur