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160 Ökonomen rufen zum Euro-Protest auf

Archivmeldung vom 05.07.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

In einem öffentlichen Aufruf haben 160 deutschsprachige Wirtschaftsprofessoren die Beschlüsse des EU-Gipfeltreffens der vergangenen Woche als falsch verurteilt und rufen zum Euro-Protest auf. "Wir sehen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge", heißt es in dem Aufruf, über den die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (F.A.Z .) berichtet.

Deutschland und die soliden Länder würden gepresst, ihre Haftungssummen immer weiter auszudehnen. "Streit und Zwietracht mit den Nachbarn sind dann vorprogrammiert. Weder der Euro noch der europäische Gedanke als solcher werden durch die Erweiterung der Haftung auf die Banken gerettet", warnen die Ökonomen laut F.A.Z.

Initiator des Protestbriefes ist der Dortmunder Wirtschaftsstatistiker Walter Krämer. Er hat den Aufruf zusammen mit dem Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn verfasst, der seit längerem zu den scharfen Kritikern der Euro-Rettungspolitik zählt. Der Massenappell prominenter Ökonomen verleiht dem nun mehr Gewicht.

Zu den Unterzeichnern zählen etwa Kai Konrad, der Vorsitzende des Wissenschaftlerbeirats von Finanzminister Wolfgang Schäubles, der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, der frühere DIW-Präsident Klaus Zimmermann, der ehemalige sächsische Ministerpräsident und Finanzprofessor Georg Milbradt, der österreichische Wirtschaftsberater Bernhard Felderer. Auch mehrere deutsche Professoren, die im Ausland lehren wie der Makroökonom Harald Uhlig von der Universität Chicago, haben unterschrieben.

Die Ökonomen wollen die Bürger und die Politik aufrütteln, welche Gefahren drohten. Die Bankschulden seien fast dreimal so groß wie die Staatsschulden. "Es ist schlechterdings unmöglich, die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas für die Absicherung dieser Schulden in die Haftung zu nehmen, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind", heißt es in dem offenen Brief an die "lieben Mitbürger".

Nach Einschätzung der Ökonomen werden nicht der Euro, sondern die Gläubiger der maroden Banken gerettet. Beim EU-Gipfel hatten besonders Spanien und Italien starken Druck auf Deutschland ausgeübt zuzustimmen, dass der künftige Euro-Krisenfonds ESM auch direkt Kapital an angeschlagene Banken vergeben kann. Zudem sollen Krisenländer Hilfskredite ohne besondere Auflagen erhalten dürfen. Diese Entscheidungen, "zu denen sich die Kanzlerin ... gezwungen sah", seien falsch und gefährlich, warnen die 160 Wirtschaftsprofessoren, wie die F.A.Z. schreibt. "Die Politiker mögen hoffen, die Haftungssummen begrenzen und den Missbrauch durch eine gemeinsame Bankenaufsicht verhindern zu können. Das wird ihnen aber kaum gelingen, solange die Schuldnerländer über die strukturelle Mehrheit im Euroraum verfügen." Von den Gipfelbeschlüssen, so die Unterzeichner, profitierten vor allem Investoren an den angelsächsischen Finanzplätzen wie der Wall Street oder der Londoner City sowie marode in- und ausländische Banken. Die "Sozialisierung der Schulden" löse nicht dauerhaft die aktuellen Probleme.

Ökonomen-Protest gegen Euro-Retter stößt auf breite Zustimmung

Der Protestaufruf Dutzender renommierter Ökonomen gegen die jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise ist auf breite Zustimmung gestoßen: Sowohl Politiker von Union und FDP als auch der Steuerzahlerbund unterstützen die Initiative. "Es ist gut, dass die vereinigte ökonomische Kompetenz des deutschsprachigen Raums mahnend die Stimme erhebt", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch dem "Handelsblatt-Online". "Die Politik muss nun nur noch darauf hören." Gemeinsam mit anderen Gegnern des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM habe er bereits deutlich gemacht, warum der eingeschlagene Kurs ein "Irrweg" sei. "Der Euro-Raum ist nicht Europa, und ohne die Möglichkeit, den Zuschnitt des Währungsraumes zu verändern, wird es keine Lösung der Probleme geben", sagte Willsch.

Auch der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler sieht sich durch den Ökonomen-Aufruf in seiner Kritik an der Rettungspolitik bestätigt. "Alle Dämme haben bisher nicht gehalten, sondern die Schuldenflut hat alles hinweggefegt", sagte Schäffler. "Politik fortgesetzt gegen die Grundgesetze der Ökonomie zu machen, funktioniert nicht, sie ist verantwortungslos."

Die Vorsitzende der Hamburger FDP, die Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel, teilt ebenfalls die Einschätzung der Ökonomen. "Deutschland kann in Krisensituationen helfen, aber nicht grundsätzlich für die Fehler anderer Länder in Haftung genommen werden", sagte Canel. "Die Entscheidungen des EU-Gipfels in der vergangenen Woche bestätigen die Befürchtungen aller, die der Rettungsschirmpolitik kritisch und Europa positiv gegenüberstehen."

Ähnlich äußerte sich der neue Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. "Wenn zahlreiche Top-Ökonomen die Politik dazu auffordern, einen anderen Weg bei der Bewältigung der Schuldenkrise in Europa einzuschlagen, dann müssen die verantwortlichen Personen reagieren", sagte Holznagel "Handelsblatt-Online". Zumal der "Ökonomen-Aufstand" die Probleme und Risiken der aktuellen Politik von CDU/CSU, FDP und auch von SPD und Grünen abermals ans Tageslicht bringe. Der Euro-Kurs der Bundesregierung und der Opposition sei "grob fahrlässig und nicht demokratisch", unterstrich Holznagel. "Die Bürger sollen nämlich glauben, dass sie mit der Übernahme von Haftungsrisiken solidarisch mit Spanien, Griechenland oder Portugal sind. Tatsächlich geht es mittlerweile aber auch noch um Rettungsmaßnahmen für marode Banken, und das wollen die Bürger beziehungsweise die Steuerzahler nun wirklich nicht mehr mittragen."

In ihrem öffentlichen Aufruf prangern die Ökonomen die falschen EU-Beschlüsse an. Insbesondere sehen sie "den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge". Denn es sei "schlechterdings unmöglich, die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas für die Absicherung dieser Schulden in die Haftung zu nehmen, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind".

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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