Darfur: Erneute Gewalt bedroht weltweit größten Hilfseinsatz
Archivmeldung vom 16.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür fast eine halbe Million Menschen ist seit Anfang Dezember der Zugang zu humanitärer Hilfe infolge militärischer Angriffe, Überfälle durch kriminelle Banden und unmittelbarer Gewalt gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zunehmend gefährdet.
Die bedrohliche
Sicherheitslage hat dazu geführt, dass 250 Helfer aus zentralen Orten
in ganz Darfur, die rund 480.000 Menschen versorgten, vorübergehend
evakuiert werden mussten. Die Helfer stehen größten Schwierigkeiten
gegenüber, bei ständig ansteigenden humanitären Anforderungen.
Eine Gruppe führender internationaler Hilfsorganisationen, die in
der Konfliktregion aktiv sind - Concern Worldwide, Goal,
International Rescue Committee (IRC), Norwegian Refugee Council,
Oxfam International und World Vision - fordert: "Alle
Konfliktparteien müssen dringend eine sofortige Waffenruhe
vereinbaren und einhalten. Sie müssen sicherstellen, dass humanitäre
Helfer in der Lage sind, die hilfsbedürftigen Menschen zu erreichen."
"Wenn sich die Situation weiter verschlechtert, könnten die Folgen
für die Zivilbevölkerung verheerend sein. Im Fall erneuter
Vertreibungen und Angriffe ist die Präsenz von Hilfsorganisationen
wichtiger denn je. Zugleich müssen wir bei unseren Hilfsanstrengungen
Tag für Tag Rückschläge hinnehmen", so Paul Smith-Lomas,
Regionaldirektor von Oxfam.
Während der humanitäre Zugang gegenwärtig ohnehin einen Tiefpunkt
erreicht hat, litten fünf Regionen allein in der ersten Dezemberwoche
unter den Auswirkungen des umfassenden Abzugs von Mitarbeitern von
Hilfsorganisationen: El Fasher und Kutum in Nord-Darfur; El Daein und
Shearia in Süd-Darfur; und Kulbus in West-Darfur. Wenngleich sie
hoffentlich nur vorübergehend sind, werden solche Evakuierungen immer
häufiger. Der umfangreiche Hilfseinsatz in dieser Region, in der
gegenwärtig fast vier Millionen Menschen auf Hilfsorganisationen
angewiesen sind, um Zugang zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser und
Gesundheitsversorgung zu erhalten, wird dadurch erheblich
eingeschränkt. Hilfsorganisationen im Ost-Tschad sind in ihren
Aktivitäten ebenfalls beeinträchtigt.
"Die Situation in der gesamten Region wird immer komplexer und
unsicherer. Obwohl wir die Menschen in Darfur mit ganzer Kraft
unterstützen, erschweren die häufigen Evakuierungen die wirksame
Versorgung mit Hilfe erheblich. Dafür ist jedoch nicht nur eine
bestimmte Gruppe verantwortlich. Alle, die in diesen Konflikt
involviert sind, müssen die Hilfsaktivitäten respektieren", so Patty
Swahn, Regionaldirektorin des International Rescue Committee.
Seit Anfang Dezember hat sich die Gewalt in der gesamten Region
ausgeweitet:
In Süd-Darfur:
- in Shearia stellte eine Hilfsorganisation ihre Aktivitäten zur
Versorgung von 130.000 Menschen ein, nachdem Mitarbeiter von
bewaffneten Männern überfallen und drei Fahrzeuge gestohlen wurden.
- El Daein erlebte in letzter Zeit einen Zustrom von 20.000
Neuankömmlingen, die vor Kämpfen flohen - zusätzlich zu den 30.000
Binnenflüchtlingen, die bereits vor Ort sind. Die
Hilfsorganisationen, die sie sonst unterstützen würden, waren jedoch
zum Abzug gezwungen, da Rebellen und Regierungstruppen ihre
Militäroffensiven verstärkten.
In Nord-Darfur:
- Gewalt in und um EL Fasher behinderte Helfer beim Zugang zu den
Camps, in denen über 100.000 Menschen untergebracht sind.
- Hilfsorganisationen mussten einen Großteil der Mitarbeiter aus
Kutum, wo 140.000 Menschen versorgt wurden, abziehen. Die Umgebung
erlebte in den vergangenen Monaten einige der schwersten Kämpfe und
Angriffe auf Zivilisten.
In West-Darfur:
- In der Gegend von Kulbus mussten Helfer aufgrund zunehmender Gewalt
entlang der Grenze zum Tschad aus einem Gebiet, in dem zigtausende
Menschen versorgt werden, evakuiert werden.
- Hilfsfahrzeuge wurden entführt und Mitarbeiter schwer misshandelt.
Ein Hilfstransport wurde überfallen; mindestens 31 zivile Passagiere
wurden erschossen und verbrannten.
In den letzten Monaten hatten es die Hilfsorganisationen zunehmend
schwer, die Hilfsbedürftigen zu erreichen. Im November konnte eine
der Hilfsorganisationen 19 ihrer 22 Programmstandorte nicht mehr
erreichen; hiervon waren 175.000 Menschen betroffen. Im
Flüchtlingslager Kalma in Süd-Darfur, in dem 90.000 Menschen
untergebracht sind, verlieren die Organisationen aufgrund zunehmender
Gewalt innerhalb des Camps wöchentlich einen Arbeitstag.
Seit der Unterzeichnung des Darfur-Friedensabkommens im Mai hat die Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen zugenommen, und über 200.000 weitere Menschen sind in die Flüchtlingslager Darfurs geflohen. Diese Camps sind oft die letzte Zuflucht für die Zivilbevölkerung. Allerdings sammeln sich dort auch immer mehr Waffen und bewaffnete Gruppen an. Die Zivilbevölkerung leidet doppelt - sie ist unmittelbar der Gewalt ausgesetzt, und Hilfsorganisationen sehen sich immer weniger in der Lage, die Grundversorgung sicherzustellen.
Quelle: Pressemitteilung Oxfam Deutschland