Experte: Berlin will Kosovo nach DDR-Muster
Archivmeldung vom 16.08.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Idee der Revision der Grenzen zwischen Serbien und dem Kosovo liegt in der Luft. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht sich aber deutlich dagegen aus. Der serbische Journalist Nenad Radicevic hat gegenüber Sputnik diese Stellungnahme sowie Deutschlands Rolle auf dem Balkan und in der Kosovo-Frage kommentiert.
Weiter heißt es auf der deutschen Webseite des russischen online Magazins: "Auf dem jüngsten Treffen mit dem Vorsitzenden des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdic, sagte Merkel, die territoriale Integrität der Staaten des westlichen Balkans sei „unantastbar“. „Man muss das immer wieder sagen, weil es immer wieder Bestrebungen gibt, vielleicht doch noch einmal über Grenzen zu reden“, betonte sie.
Laut der US-Zeitung „ Politico “ ist Merkels Erklärung auf eine Einstellung der Gespräche über eine mögliche Teilung des Kosovos gezielt. In letzter Zeit äußerten sich der serbische Staatschef, Aleksandar Vucic , und Kosovos Präsident, Hashim Thaci , zu einer möglichen „Korrektur“ der Grenzen zwischen Serbien und der selbsterklärten Republik. Mit der Grenzrevision meint Pristina die Eingliederung von südserbischen Gemeinden mit albanischer Bevölkerung in den Kosovo – und zwar von Presevo, Bujanovac und Medvedja. Belgrad strebt nach einer Eingliederung vom Nordkosovo in Serbien, wo ethnische Serben die Mehrheit der Bevölkerung bilden.
Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, eines der beiden Teile von Bosnien und Herzegowina, sagte mehrmals, die Republika Srpska werde ihre Unabhängigkeit erklären, falls der Kosovo der Uno beitreten werde.
Nenad Radicevic, Sonderkorrespondent des serbischen Senders RTS in Deutschland, sagte gegenüber Sputnik, trotz der Tatsache, dass Merkels Position auf der innenpolitischen Bühne nach den letzten Wahlen weniger sicher sei, bleibe ihr Einfluss auf die Politik der Europäischen Union entscheidend. „Die Tatsache, dass Merkel Schwierigkeiten mit der Bildung ihrer derzeitigen Regierung hatte, erschütterte ihre Positionen in der EU nicht so stark“, glaubt er.
„In der EU gibt es keinen stärkeren Spieler als Deutschland. Die große Frage ist, wer in der EU überhaupt die Idee einer Grenzrevision auf dem Balkan unterstützen könnte. Vielleicht wurde Merkels Einfluss in einigen anderen Fragen schwächer, aber gerade zu diesem Thema wird in Brüssel niemand etwas sagen, was ihren Worten widersprechen würde. Ich glaube, dass ihre Stellung großes Gewicht hat und die gemeinsame Haltung der EU gänzlich widerspiegelt“, so Radicevic.
Als Antwort auf die Vermutungen der balkanischen Politiker, dass nicht „Regionalmächte“, sondern die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates das Schicksal des Kosovos entscheiden würden, erinnert Radicevic daran, dass Deutschland im Juni den nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für 2019-2020 erhalten hätte. Falls Deutschland eine Regionalmacht sei, werde dies eine entscheidende Rolle auf dem Westbalkan spielen.
„Deutschland genießt keinen großen Einfluss in Südostasien, aber in Europa ist dessen sehr groß, und man soll das anerkennen. Wenn die Rede von den serbischen Grenzen und von der Kosovo-Frage ist, ist Deutschlands Einfluss enorm. Dieser basiert auf der Wirtschaftskraft und auf der Tatsache, dass Deutschland der wichtigste Investor für die serbische Wirtschaft ist, was Berlin bestimmte Einflusshebel auf Belgrad gibt“, glaubt der Experte.
Laut dem serbischen Experten teilte Vucic während seines letzten Telefongesprächs mit Merkel vor einem Monat offenbar seine Ansichten zur möglichen Abgrenzung mit dem Kosovo. Es scheine aber, sie hätten zu keiner Einigung kommen können.
Radicevic erinnert an das Modell zweier deutscher Staaten: Die BRD sei auf den UN-Beitritt der DDR eingegangen und hätte deren Tätigkeit in den internationalen Organisationen nicht behindert.
„Deutschland erwartet von Serbien eine ähnliche ‚kreative Lösung‘. Berlin will, dass Belgrad der Mitgliedschaft vom Kosovo in den internationalen Organisationen nicht entgegentritt, unter anderem in der Uno. Eine solche Stellung wird vielleicht nicht so deutlich publik gemacht, sie wird aber auf den Treffen mit den Vertretern der balkanischen Länder klar angesprochen“, betonte Radicevic.
Der Experte ist sich nicht sicher, ob Deutschland jedem zwischen Belgrad und Pristina geschlossenen Abkommen zustimmen würde, falls dieses von den USA unterstützt würde. Er erinnert an Berlins Reaktion auf den US-Ausstieg aus dem Atom-Deal mit dem Iran und auf die Verhängung der Sanktionen gegen Teheran, was die EU ohne Begeisterung aufnehmen werde.
„Ich bin mir nicht sicher, ob Europa die Rolle eines „Dieners von Amerika“ spielen wird. Ich kann nicht sagen, ob Europa unbedingt etwas zustimmen wird, falls die USA diesem zustimmen werden. Ich bin auch nicht sicher, dass Russland die Revision der Grenzen zwischen Serbien und dem Kosovo begrüßen wird“, so Radicevic."
Quelle: Sputnik (Deutschland)