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So erlebte Wochenblick-Reporter Kurt Guggenbichler den EU-Beitrittskandidaten Albanien: "Skipetaren noch nicht reif für eine EU-Aufnahme"

Archivmeldung vom 04.08.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.08.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: Guggenbichler /WB / Eigenes Werk
Bild: Guggenbichler /WB / Eigenes Werk

Seit der EU-Gipfel der Ukraine den Status eines Aufnahmekandidaten verlieh, drängen nun auch die im Vorhof der EU verharrenden Balkanstaaten in die „europäische Familie“ (Außenminister Alexander Schallenberg). Große Hoffnungen macht sich das mehrheitlich muslimische Albanien, das aber bei näherer Betrachtung durch den Wochenblick wie auch nach der Analyse von Experten keinesfalls reif für einen Beitritt ist. Dies berichtet das Magazin "Wochenblick.at".

Weiter berichtet das Magazin: "Auch wenn Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama kürzlich für die weite Öffnung seines Landes seit dem Hinscheiden von Diktator Enver Hoxha schmeichelte, ist Albanien doch noch weit entfernt davon, alle Hausaufgaben erledigt zu haben, auch wenn dies der österreichische EU-Parlamentarier Andreas Schieder (SPÖ) behauptet. Wenn er sich da nur nicht irrt!

Denn gerade bei Albanien – wie auch Nordmazedonien, Serbien und Montenegro – habe man in den vergangenen vier Jahren keine nennenswerten Fortschritte bei der Eindämmung der Korruption und der Durchsetzung europäischer Standards erzielt, konstatiert das Nachrichtenportal „Euroaktiv“.

Bei den unerledigten Hausaufgaben geht es nicht nur um die formale Erfüllung des „Acquis communautaire“, womit die Summe aller Gesetzesvorschriften in der EU gemeint ist. Sehr vielmehr käme es darauf an, Schattenwirtschaft und Kriminalität in Albanien auszuschalten und illegale Parallelstrukturen zu zerschlagen. Davon aber ist dieses Land, das ich mit anderen Österreichern Ende Mai eine Woche lang bereiste, noch weit entfernt.

Korruption ist ein Problem

Nach wie vor ist es nämlich möglich, viel Geld ins Land zu bringen (bis zu zwei Millionen Euro), ohne dessen Herkunft nachweisen zu müssen, berichtet unser Tour-Guide Sabri Ismailati, der gut Deutsch spricht, weil er viele Jahre lang in Köln gelebt und gearbeitet hat. Man müsse von der transferierten Summe nur sieben Prozent an den Staat abführen und alles ist gut.
Korruption und organisierte Kriminalität sind eben noch immer ein großes Problem im Land der Skipetaren, wo es nach wie vor nicht nur an ordentlichen Strukturen fehlt, sondern auch an Personal, das Geldwäsche, Drogengeschäfte und Cyber-Kriminalität erfolgreich bekämpfen könnte. Im aktuellen Korruptionsindex von Tranparancy International liegt der Adria-Staat auf Platz 110 von 180 untersuchten Ländern.

Dass in Albanien nicht alles mit rechten Dingen zugehen kann, zeigt auch die hohe Dichte der Nobelkarossen in diesem Staat. Kleine Mittelklassewagen finden sich überwiegend auf Alteisenplätzen und Autofriedhöfen, was auf der Straße rollt, sind die neuesten Modelle von Audi, Mercedes und BMW, auch Maseratis, Ferraris und Bentleys sind zu sehen.

Uni verkaufte Diplome

In Shkodra, der zweitgrößten Stadt Albaniens, zog ein aufgemotzter „Hummer“ mit zwei Fake-Maschinengewehren auf der Kühlerhaube alle Blicke der Passanten auf sich. Wem mag der wohl gehören? So eine Luxuskarosse in einem der ärmsten Länder Europas, in dem der Pro-Kopf-Verdienst zwischen 300 und 600 Euro liegt, mutet schon seltsam an. So viele Oligarchen kann es dort gar nicht geben. Der Verdacht liegt nahe, dass auch sehr viele normale Menschen fleißig die Hände aufhalten und viel Reibach machen, indem sie Geld für gewünschte Gefälligkeiten kassieren.

Was die schönen Autos betrifft, will auch die Polizei in Tirana nicht im Abseits stehen. Als wir mit unserem Tour-Guide am Polizeihauptquartier vorüberfahren, stechen uns dort zehn nagelneue, weiße Range-Rover ins Auge, die noch über keine Polizeibemalung und Blaulichter verfügen. Sabri macht uns grinsend und kopfschüttelnd auf den neuen Fuhrpark der Sicherheitsorgane aufmerksam.

Um den Verkehr in Tirana scheint sich die Polizei nicht zu kümmern. „Hier fährt jeder, wie er kann und will“, bestätigt Sabri angesichts des Verkehrs-Tohuwabohus in der Hauptstadt, wo es auch viele nicht fertig gestellte Häuser gibt. Diese Bauruinen, deren genaue Zahl nicht bekannt ist, ziehen sich durch das ganze Land und könnten leicht mit der großen Zahl von Betonbunkern konkurrieren, die der frühere Diktator Enver Hoxha errichten ließ, nachdem er das Land in eine radikale Autarkie geführt hat.

„Warum stehen derart viele Hausskelette in der Landschaft?“, frage ich Sabri, der mit den Achseln zuckt. Nach einigem Zögern aber sagt er, dass damit wohl „schwarzes Geld“ gewaschen wird. Das leuchtet ein. Jede Menge schwarzes Geld könnte in Albanien auch mit dem Anbau von Haschisch lukriert worden sein, das in großem Umfang in der Nähe jenes Ortes angebaut wurde, an dem der antike griechische König Pyrrhus einst eine Schlacht geschlagen haben soll.

Das Schlachtfeld gibt es noch, die Haschischfelder nicht mehr – angeblich. Sie seien von der Polizei geschlossen worden, sagt unser Tour-Guide. Seine Botschaft höre ich wohl… Ich höre von Sabri aber auch, dass es in der geschichtsträchtigen Stadt Berat einmal eine Universität gab, die ebenfalls geschlossen wurde, weil man dort gefakte Diplome verkaufte. Dieser Skandal habe damals in der EU große Wellen geschlagen.

Blutrache gibt es noch

Die Hotels, die unsere Gruppe bei der Durchquerung des Landes bewohnt, sind überraschenderweise durchwegs in gutem Zustand. Alle Zimmer und Bäder sind modern, sauber, klimatisiert und kostengünstig (ca. 25 bis 35 Euro pro Nacht), doch mit der Software, dem Dienstleistungsangebot, in den jeweiligen Häusern hapert es noch gewaltig.
Besteckwechsel nach den jeweiligen Gängen scheint in Albanien noch Luxus zu sein und wer sein Messer und seine Gabel vor dem Abservieren nicht schnell genug selbst vom Teller nimmt, für den erledigt dies der Kellner, der das Besteck mit den daran klebenden Essensresten kurzerhand auf das Papiertischtuch wirft. Auch Freundlichkeit scheint im albanischen Fremdenverkehr nicht oberste Priorität zu haben. Auf diesem Gebiet hinkt man den EU-Standards jedenfalls noch weit hinterher.

Der Wechseltrick ist in Albanien ebenfalls noch en vogue. Wer in der Landeswährung Lek bezahlt und beim geistigen Umrechnen nicht fix genug ist, findet sich schnell in einem Verwirrspiel wieder, dass mit Sicherheit der Einheimische zu seinen Gunsten entscheidet.
In einem kleinen Café in der hübschen Bergstadt Kruje habe ich einen Mocca um 360 Lek geordert. Beim Bezahlen rundete ich den Preis auf 400 Lek auf und drückte dem Kellner einen 500er-Schein in die Hand. Auf das Restgeld brauchte ich dann nicht mehr zu warten. Ich hätte es kategorisch zurückverlangen müssen, um es zu erhalten, worauf ich bei diesem geringen Betrag aber verzichtete (1 Euro sind etwa 116 Lek).

„Sag mal“, frage ich Sabri Ismailati gegen Ende unserer Reise, „gibt es bei euch noch Blutrache?“ Er denkt eine Weile nach, schüttelt dann treuherzig und verneinend den Kopf. „Die gibt es nicht mehr“, sagt er und ergänzt, dass seine Landsleute im Ausland oft nur deshalb das Gegenteil behaupten würden, um Asyl zu erhalten. Für Albanien-Experten ist klar, dass es Blutrache zumindest in den Bergen des Landes noch gibt. Die islamische Tradition sei trotz des temporären Verbots in vielen Gesellschaftsbereichen noch tief verankert, heißt es, was Reformen – etwa bei der mangelnden Gleichberechtigung der Geschlechter – nach wie vor sehr erschweren dürfte."

Quelle: Wochenblick

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