Deutsche Politiker fordern Aufklärung über Abhörprogramme
Archivmeldung vom 24.06.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtPolitiker aller Parteien sind empört über die Abhörprogramme der Geheimdienste aus den USA und Großbritannien und fordern eine umfassende Aufklärung. Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sagte der "Welt": "Wenn die bekannt gewordenen Vorwürfe zutreffen, dann muss innerhalb Europas zwischen den Diensten und ihren Regierungen Klarheit geschaffen werden über Regeln und bürgerrechtliche Grenzen ihres Agierens." Vor allem systematische Amtshilfe zu Lasten befreundeter Staaten dürfe es nicht geben. "Das massenhafte Ausspähen von Deutschen ist durch nichts gerechtfertigt."
Konstantin Notz, der Sprecher für Innen- und Netzpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion sieht eine Gefahr für den Rechtsstaat: "Vieles spricht dafür, jetzt mit der Kombination aus Prism und Tempora von einer ernsten Krise des Rechtsstaates und auch der Verfassung der EU zu sprechen. Wir befinden uns an der Schwelle zu wohlmeinend autoritären Demokratien westlicher Prägung. Unser Rechtsstaat ist durch diese Entwicklung ernsthaft bedroht."
Michael Kretschmer (CDU), stellvertretender Fraktionschef der Union im Bundestag will auf jeden Fall verhindern, dass das Internet ein "rechtsfreier Raum für die Geheimdienste" wird. Die Nachricht von den Abhörprogrammen bediene den Fatalismus vieler Menschen, im Internet würde doch ohnehin alles überwacht." Er erwarte, dass die Bundesregierung für die geltenden Rechtsnormen im internationalen Raum eintritt: "Wir Deutsche reiben uns verwundert die Augen, welche Handlungsmacht andere Demokratien ihrer Geheimdiensten ermöglichen."
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der "Welt am Sonntag", der Kampf gegen den internationalen Terrorismus rechtfertige keine "systematische und flächendeckende Überwachung unser aller Kommunikation durch Geheimdienste, egal ob amerikanische oder britische". Der Kampf gegen den Terror werde nur unter Wahrung der demokratischen Rechte zu gewinnen sein, und dazu gehöre das Recht auf Privatheit. "Dazu passt keine Totalkontrolle".
Der britische Geheimdienst GCHQ zapft nach Recherchen des "Guardian" Telefon- und Internetkabel an und gibt gewaltige Mengen persönlicher Informationen an die US-Behörde NSA weiter. Das Programm "Tempora? soll seit eineinhalb Jahren bestehen. Die britische Zeitung beruft sich auf Dokumente, die ihr vom früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden zugespielt wurden.
Regierung und Opposition fordern Aufklärung über britisches Spähprogramm
Regierung und Opposition verlangen Aufklärung über Berichte, wonach Großbritannien ein noch viel umfangreicheres Abhörprogramm betreiben soll als die USA. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte die britische Regierung auf, Deutschland und die europäischen Partner "umfassend und schnell" zu unterrichten. "Wenn das berichtete Ausmaß der Datenüberwachung so stimmt, wäre dies nicht akzeptabel", sagte Kauder der "Welt am Sonntag". Zur Abwehr terroristischer Gefahren seien große Anstrengungen notwendig. "Auf der anderen Seite müssen die Rechte der Bürger gewahrt werden."
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger appellierte an die deutschen Sicherheitsbehörden, deutsche Gesetze zu beachten. Sie müssten sicherstellen, dass sie "nicht an Überwachungsprogrammen beteiligt sind", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende der "Welt am Sonntag".
Spähprogramm "Tempora": Rösler fordert von britischer Regierung Aufklärung
FDP-Chef Philipp Rösler hat sich entsetzt über Berichte gezeigt, wonach Großbritannien ein noch viel umfangreicheres Abhörprogramm betreiben soll als die USA. "Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre das nicht hinnehmbar. Die Privatsphäre darf nicht immer mehr aufgeweicht und Freiheitsrechte beschnitten werden", sagte der Vizekanzler dem "Handelsblatt".
Rösler forderte umgehend Aufklärung über das britische Spähprogramm Tempora: "Jetzt ist die britische Regierung gefragt, schnell Transparenz zu schaffen." Auch in Brüssel gehöre das Thema auf die Tagesordnung, damit Europa in dieser Frage mit einer Stimme spreche und handele, sagte Rösler
BND rechtfertigt Internet-Programm
Der Auslandsnachrichtendienst BND wehrt sich gegen den Vorwurf, eine geplante Aufstockung in Millionen-Höhe für sein Internet-Programm nutzen zu wollen, um flächendeckend E-Mails abzufangen und auszuwerten. Die zugesagten Mittel von bislang fünf Millionen Euro für die Ausweitung der Internet-Fähigkeiten sollen vielmehr dafür eingesetzt werden, Cyberangriffe noch im Ausland zu lokalisieren und abzuwehren, berichtet die "Welt" unter Berufung auf ranghohe BND-Kreise.
Mehrere Mitarbeiter erklärten im Gespräch mit der Zeitung, dass die Abteilung "Technische Aufklärung" des BND bislang unzureichend ausgestattet sei, um etwa staatlich gesteuerte Hackerangriffe aus dem Ausland aufzuklären und abzuwehren. "Als einzige deutsche Sicherheitsbehörde verfügt der BND über die Möglichkeit, schon im Ausland Cyberangriffe zu erkennen", sagte ein BND-Mitarbeiter der Zeitung.
Mangels entsprechender Ressourcen sei dies allerdings bislang nur ansatzweise gelungen. Daher sei es erforderlich, in moderne Technik und qualifiziertes Personal zu investieren. Der Ausbau der Cyberfähigkeiten habe zum Ziel, Schadsoftware im weltweiten Datenverkehr möglichst früh zu erkennen und zu bekämpfen.
Der BND könne nur so seine Frühwarnfunktion wahrnehmen und gefährdete Einrichtungen wie Ministerien oder auch Technologie-Unternehmen frühzeitig informieren, erfuhr die "Welt" aus dem Umfeld des BND-Präsidenten.
"Wir müssen in der Lage sein, gefährdete Einrichtungen, etwa Ministerien oder Technologie-Unternehmen, frühzeitig zu warnen", sagte ein Mitarbeiter des Nachrichtendienstes. Mit flächendeckender Online-Überwachung wie im Fall des amerikanischen Geheimdienstprogramms "PRISM" hätten die Pläne des BND nichts zu tun, betonen Mitarbeiter der in Pullach angesiedelten Abteilung "Technische Aufklärung"
Quelle: dts Nachrichtenagentur