Bitkom-Präsident: Acht-Punkte-Katalog zur Aufklärung der Spähaffäre reicht nicht aus
Archivmeldung vom 19.07.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigte Acht-Punkte-Katalog zur Aufklärung der Spähaffäre reicht nach Ansicht des Präsidenten des Hightech-Verbands Bitkom, Dieter Kempf, nicht aus.
"Es ist höchste Zeit, dass die Politik konkrete Schritte zur Aufklärung der Ausspähaffäre unternimmt. Der heute von der Bundeskanzlerin angekündigte 8-Punkte-Katalog ist dazu ein Anfang, er reicht aber noch nicht aus", sagte Kempf am Freitag in Berlin. "Wir brauchen dringend schnelle und umfassende Transparenz."
Zudem benötige die Wirtschaft Rechtssicherheit, betonte Kempf. "Eine europäische und transatlantische Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Geheimdienste ist dringend notwendig." Zugleich dürfe der Schutz vor Ausspähung nicht allein den Unternehmen aufgebürdet werden, so der Bitkom-Präsident weiter.
Bei der von der EU-Kommission ins Spiel gebrachten Aufkündigung des Safe-Harbor-Abkommens mit den USA sei Vorsicht geboten. "Wird diese Rechtsgrundlage für den Datenverkehr zwischen Europa und den USA ohne bessere Alternative überhastet abgeschafft, stellt das fast die gesamte europäische Wirtschaft vor kaum lösbare Probleme", warnte Kempf.
NSA-Affäre: FDP will Sicherheitszusammenarbeit überprüfen
Der Obmann der FDP im Parlamentarischen Kontrollgremium, Hartfrid Wolff, will angesichts der NSA-Affäre die internationale Sicherheitszusammenarbeit überprüfen. "Bestehende Verträge aus dem Geist des ehemaligen Besatzungsregimes müssen seitens der Bundesregierung gegebenenfalls gekündigt werden", sagte Wolff am Freitag in Berlin.
Zudem müsse der Bau von neuen Spionagezentralen durch US-Geheimdienste auf deutschem Boden überprüft werden, sollten sich die USA nicht zu einer Offenlegung ihrer gegen Deutschland gerichteten Abhöraktionen entschließen. "Die Einhaltung der deutschen Rechtsordnung auf deutschem Boden ist essentiell. Insofern brauchen wir klare und überprüfbare Vereinbarungen mit den Amerikanern, um das bei den Einrichtungen amerikanischer Geheimdienste in Deutschland sicher zu stellen", forderte Wolff.
NSA-Affäre: Merkel verspricht Aufklärung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in der NSA-Affäre Aufklärung darüber versprochen, ob und in welchem Umfang die Daten der Bundesbürger vom US-Geheimdienst NSA ausgespäht worden sind. Auf ihrer Sommer-Pressekonferenz am Freitag in Berlin kündigte die Kanzlerin einen Acht-Punkte-Katalog an, mit dem der Datenschutz verbessert werden soll. Als ersten Punkt des Maßnahmen-Katalogs nannte Merkel Verhandlungen des Auswärtigen Amtes mit den USA über die Aufhebung einer Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 1968, die vorsieht, dass US-Abhörmaßnahmen in Deutschland nicht von der sogenannten G-10-Parlamentskommission genehmigt werden müssen. Überdies sollen die Gespräche mit den USA über die "eventuelle Datenabschöpfung" fortgesetzt werden.
Auch wolle die Bundesregierung nach den Worten Merkels den Datenschutz auf europäischer Ebene vorantreiben. Die Prüfung, ob und in welchem Ausmaß der US-Geheimdienst NSA die Daten von Bundesbürgern abschöpfe, dauere noch an. "Wir prüfen, was da geschieht."
Die Kanzlerin betonte auf der Pressekonferenz erneut, dass auf deutschem Boden deutsches Recht gelten müsse. "Bei uns in Deutschland und in Europa gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts", so Merkel.
Steinmeier: Auswärtiges Amt hat Geheimdienst-Informationen bei Entführungsfällen nicht auf NSA-Ursprung überprüft
Das Auswärtige Amt und sein Krisenstab haben nach den Worten des früheren Außenministers FrankWalter Steinmeier (SPD) nicht geprüft, ob vom US-Geheimdienst NSA abgefangene Daten genutzt wurden, um im Ausland entführte Deutsche zu befreien.
"Die Menschen erwarten zu Recht, dass die Regierung alles tut, um die Entführten zu befreien und zu ihren Angehörigen nach Hause zu bringen. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes arbeitet in solchen Fällen eng und gut mit Vertretern des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes zusammen, hat aber weder die Möglichkeiten noch die Aufgabe, deren Quellen zu überprüfen", sagte der heutige SPD-Fraktionschef der "Bild-Zeitung".
Nach Informationen der Zeitung wurde bei Entführungsfällen von deutschen Staatsbürgern im Ausland, die vom Krisenstab betreut wurden, auch auf Verbindungsdaten zugegriffen, die zuvor vom US-Geheimdienst NSA abgefangen worden waren.
Zu den fraglichen US-Aufklärungsprogrammen sagte Steinmeier, der von 1998 bis 2005 Kanzleramtschef war: "Die fraglichen Programme, Prism und Tempora, gab es damals nicht. Sie basieren auf einem technologischen Quantensprung, verfolgen das Ziel einer Totalüberwachung des gesamten Internetverkehrs. Selbstverständlich müssen alle Staaten um den Schutz ihrer Bürger besorgt sein, zumal die USA nach dem 11. September. Aber eine flächendeckende Abhörpraxis ist ein anderes Kaliber. Hier werden Freiheitsrechte offenbar vollständig ausgehebelt."
Merkel fordert europäischen Datenschutz nach deutschem Standard
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert einen europäischen Datenschutz nach deutschem Standard. Mit Blick auf das US-Abhörsystem "Prism" sagte die Bundeskanzlerin in einem Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger", gebraucht würden nun "dringend internationale Vereinbarungen, die sowohl dem Schutz der Privatsphäre eines jeden als auch dem Schutz vor vielfältigen Bedrohungen" dienten. Ziel sei ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen.
In einer EU-Datenschutzrichtlinie, über die "sehr engagiert verhandelt" werde, müsse Berlin durchsetzen, dass es "keine qualitativen Abstriche von unseren Standards gibt, sondern ein qualitativ hochwertiger, gemeinsamer, anspruchsvoller EU-Datenschutzstandard entsteht, der für uns von hohem Wert wäre", betonte die Kanzlerin. Deutschland werde sich bei den Verhandlungen "entschieden dafür einsetzen, dass in Europa ansässige Internetfirmen Auskunft darüber geben müssen, an wen sie Daten weitergeben." Bis jetzt habe darüber keine Einigung mit den Unternehmen erzielt werden können.
Merkel forderte, dass die Fakten der Abhöraffäre aufgeklärt würden. Sie machte dabei klar, was für "mich als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Priorität hat, und das ist, dass auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten werden muss, auch von den Nachrichtendiensten befreundeter Staaten."
Nato: "Prism" in Afghanistan rettete Menschenleben
Nato-Kreise wollen die Aufregung in Deutschland um das "Prism"-Spähprogramm für Afghanistan nicht nachvollziehen: Für die Isaf-Soldaten sei diese ab 2011 auch von der Bundeswehr genutzte Datensammlung häufig sogar lebensrettend gewesen, berichtet die "Rheinische Post". Bevor zum Beispiel eine Patrouille die Route Kundus - Masar-i-Sharif befahre, werde routinemäßig "Prism" abgefragt, ob eventuell Erkenntnisse über geplante Bombenanschläge oder Hinterhalte vorlägen.
Hinter dem "Prism"-System für Afghanistan, mit dem gezielt der Internetdaten-, Telefon- und Funkverkehr in dieser Region ausgewertet wird, stehen demnach ebenfalls amerikanische Stellen. Der ständig aktualisierten Datensammlung lieferten auch die Geheimdienste anderer Nationen Informationen zu. Offenbar fließen außerdem Erkenntnisse aus der Überwachung Verdächtiger ein, beispielsweise Taliban-Führer oder Drogenschmuggler.
NSA-Affäre: Steinmeier verlangt von Merkel umfassende Aufklärung
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unmittelbar vor ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz an diesem Freitag zu umfassender Aufklärung in der NSA-Affäre aufgefordert. "Was weiß die Regierung? Läuft das Programm noch? Was tut Merkel, um deutsche Interessen zu wahren? Darauf müssen jetzt Antworten her", sagte Steinmeier der "Bild-Zeitung".
Das Absaugen und Speichern vollständiger Datenströme sprenge alle Grenzen und müsse "gestoppt" werden. Es reiche nicht aus, sich in Washington nur lieb Kind machen zu wollen. Steinmeier wörtlich: "Eine Partnerschaft auf Augenhöhe verlangt eine selbstbewusste deutsche Politik, die sich ein eigenes Urteil zutraut und das massenhafte Ausspähen unbescholtener Bürgerinnen und Bürger nicht einfach hinnimmt." Notwendig sei ein klares Nein zu systematischen Verletzungen von Bürgerrechten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur