Friedrich erwartet von Ukraine Anerkennung der Opposition über Fall Timoschenko hinaus
Archivmeldung vom 05.05.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesregierung erwartet nach den Worten von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) von der Ukraine nicht nur eine Lösung des Falles Timoschenko, sondern eine Beachtung der Menschenrechte im Umgang mit allen Oppositionellen. "Uns geht es um eine Normalisierung des Umgangs mit der Opposition in der Ukraine insgesamt. Sollten wir hier in den kommenden Wochen Fortschritte erleben, wäre das ein gutes Zeichen", sagte Friedrich "Bild am Sonntag" und fügte hinzu: "Unsere Erwartungen an die Ukraine sind klar: Die Menschenrechte müssen im Umgang mit Inhaftierten gewahrt bleiben."
Die Boykott-Drohungen gegen die Fußball-Europameisterschaft begrüßte Friedrich ausdrücklich: "Die ukrainische Führung weiß, Europa schaut auf sie und insofern ist die aktuelle Debatte im Sinne unseres Anliegens durchaus hilfreich", so der Innenminister. "Wenn sich ein Land um ein internationales Sportereignis wie die EM bewirbt, dann auch deshalb, um in einem positiven Licht zu erscheinen." Ob er selbst Spiele der Fußball-EM besuchen werde, sei offen, so Friedrich: "Über die Teilnahme von Regierungsmitgliedern an den EM-Spielen in der Ukraine werden wir in den kommenden Wochen im Lichte der Entwicklung dort entscheiden."
Skeptisch reagierte Friedrich auf Forderungen, die Spiele aus der Ukraine in ein anderes Land zu verlegen: "Wir müssen aufpassen, dass wir den Sport an dieser Stelle nicht überfordern. Sport soll die Völker verbinden, Politik muss das ihrige tun."
Zu Drohungen aus Kiew mit wirtschaftlichen Konsequenzen gegen Deutschland im Falle eines EM-Boykotts sagte der Innenminister: "Das ist innenpolitisches Wortgeklingel, das sollte man nicht überbewerten."
Nato-Generalsekretär Rasmussen wegen Fall Timoschenko "tief besorgt"
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die Ukraine ermahnt, im Fall der inhaftierten erkrankten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten. Der "Bild"-Zeitung sagte Rasmussen: "Ich bin tief besorgt, wie die ukrainische Regierung Frau Timoschenko behandelt." Im Dialog mit ukrainischen Partnern habe er klargemacht, "dass die Einhaltung der Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet werden muss", sagte Rasmussen weiter.
Auf die Frage, ob er sich dem Boykott der EU-Spitze anschließe und keine Spiele der Fußball-EM in der Ukraine besuchen werde, sagte Rasmussen: "Ich habe im Juni und Juli wahrscheinlich keine Zeit für Reisen zur EM."
Steinmeier lehnt Totalboykott der Fußball-EM in der Ukraine ab
Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, hat einen Totalboykott der Fußballeuropameisterschaft in der Ukraine strikt abgelehnt. In einem Interview mit den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe sagte er: "Die sportlichen Wettbewerbe sollten nicht in den Dienst der Politik gestellt werden. Die Europameisterschaft sollte stattfinden. Sie sollte auch in der Ukraine stattfinden". Damit würde auch den deutschen Spielern die Möglichkeit gegeben werden, "offen die Meinung zu sagen".
Steinmeier kritisierte allerdings den Umgang der Regierung in Kiew mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. "Wir können es nicht hinnehmen, wenn sie unter unakzeptablen Bedingungen inhaftiert ist". Es sei deshalb von Bundespräsident Joachim Gauck "konsequent" und richtig gewesen, die Reise zur Fußball-EM in der Ukraine abzusagen.
Ukraine droht Deutschland bei EM-Boykott mit Sanktionen
Die Ukraine hat Deutschland mit Sanktionen im Falle eines möglichen Boykotts der Fußball-Europameisterschaft gedroht. "Mir scheint, dass der Fall Timoschenko für einige Politiker im Westen einen sehr persönlichen Charakter trägt", sagte der für Außenpolitik zuständige Vize-Präsident der ukrainischen Regierungspartei, Leonid Koschara, gegenüber "Spiegel Online". Sollte das momentan stillliegende EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine durch die gegenwärtigen Konflikte scheitern, sei mit wirtschaftlichen Konsequenzen zu rechnen. "Ohne Abkommen wird der deutsche Zugang zum ukrainischen Markt begrenzt sein", so Koschara. "Deutsche Hersteller werden verlieren."
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte zuvor, dass dieses nicht ratifiziert werden könne, wenn es in der Ukraine keine Rechtsstaatlichkeit gebe.
Deutsche Wirtschaft über Ukraine-Streit besorgt
Die deutsche Wirtschaft ist besorgt über die Zuspitzung im Streit mit der Ukraine über den Umgang der Regierung mit der kranken und inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. "Eine Eskalation der politischen Spannungen könnte die dynamische Handelsentwicklung bremsen und würde beide Länder treffen", warnte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Volker Treier in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Der industrienahe Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft appellierte an die Regierung in Kiew, Frau Timoschenkos Haftbedingungen zu verbessern und sie zur gesundheitlichen Betreuung gegebenenfalls nach Deutschland ausreisen zu lassen. "Die Ukraine selbst sollte ein Interesse am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen haben und die guten Beziehungen nicht aufs Spiel setzen", sagte Geschäftsführer Rainer Lindner. Er reagierte damit auf Drohungen aus Kiew.
Deutsche Unternehmen in der Ukraine bewerten die wirtschaftliche Lage laut einer unveröffentlichten Umfrage der Außenhandelskammer bei einem Handelsaustausch von 7,2 Milliarden Euro eher positiv. Größte Investitionshemmnisse seien Bürokratie, Korruption und fehlende Rechtssicherheit. Die Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Kiew, Karin Rau, sagte, dass die Chancen für Betriebe in der Ukraine unverkennbar seien. Nur müsse mehr für die Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen getan werden. "Vertrauen, Verlässlichkeit und Transparenz in den Spielregeln sind angebracht, um neue Investoren ins Land zu bringen", so Rau.
Außenhandels-Präsident Börner unterstützt Position der EU-Länder zum EU-Assoziierungsabkommen mit Ukraine
Der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen, Anton F. Börner, hat die Position der EU-Länder, das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nur nach Fortschritten bei der Rechtsstaatlichkeit zu ratifizieren, unterstützt. "Damit dieses Abkommen unterzeichnet werden kann, muss das Land die Mindestvoraussetzungen erfüllen", sagte Börner "Handelsblatt-Online". Jedes Land, das sich enger an die Europäische Union binden will, müsse gleichzeitig die europäischen Grundwerte in Sachen Freiheit und Rechtsstaatlichkeit respektieren. "Diese Werte stehen nicht zur Disposition", stellte Börner klar. Daher liege die Politik "richtig, wenn sie deutlich macht, dass sie hiervon keine Abstriche macht".
Fortschritte beim Assoziierungsabkommen mit der Ukraine müssten von Fortschritten bei der Rechtsstaatlichkeit abhängig gemacht werden, sagte der Außenhandelspräsident weiter. "Das Verhalten im Fall Timoschenko ist hierfür ein Testfall." Die Ukraine gehöre geografisch, geschichtlich und kulturell zweifellos zu Europa, fügte Börner hinzu. Daher würde er sich wünschen, "dass das Land bald wieder auf einen proeuropäischen Kurs einschwenkt."
Börner wies in diesem Zusammenhang auf die wirtschaftliche Bedeutung der Ukraine für Deutschland hin. Das Land sei mit einem Volumen von 7,2 Milliarden Euro, davon 5,3 Milliarden deutscher Ausfuhren, für die Bundesrepublik der wichtigste osteuropäische Handelspartner hinter Russland. "Im bilateralen Außenhandel liegen sogar noch erhebliche Potentiale brach", sagte Börner. Gemessen an der Einwohnerzahl von 45 Millionen Einwohnern sei die Handelsverflechtung "noch unterdurchschnittlich". Das Assoziierungsabkommen mit der EU würde daher "zur Dynamisierung des Handels zum gegenseitigen Vorteil beitragen".
Fall Timoschenko: Westerwelle erleichtert über Verlegung
Bundesaußenminister Westerwelle ist erleichtert, dass die inhaftierte ukrainische Oppositionspolitikerin Timoschenko in ein Krankenhaus verlegt wird. "Ich bin erleichtert, dass ein erster Schritt gemacht ist. Jetzt muss die Gesundheit von Julia Timoschenko im Mittelpunkt stehen", sagte Westerwelle in New York. Zuvor hatte die erkrankte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko einer Behandlung im Beisein deutscher Ärzte in der Ukraine zugestimmt. Sie soll nun am kommenden Dienstag in ein Krankenhaus in Charkow verlegt und dort von einem Arzt der Berliner Charité sowie einem ukrainischen Kollegen behandelt werden, bestätigte der Chef der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl.
Quelle: dts Nachrichtenagentur