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Vorwärts in die Vergangenheit? Im russischen Norden erschafft man Mammut-Welten neu

Archivmeldung vom 05.07.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.07.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Mammuts (Symbolbild) Bild: Sputnik / RIA Nowosti
Mammuts (Symbolbild) Bild: Sputnik / RIA Nowosti

Dieses fantastische Projekt wurde bereits zu Sowjetzeiten genehmigt, und erlebt nun einen zweiten Aufschwung: Es wird versucht, ein uraltes Ökosystem aus der Zeit der Mammuts im Permafrostboden Sibiriens wiederherzustellen – der Umwelt zuliebe. Dies berichtet das Magazin "RT DE".

Weiter berichtet RT DE: "Wenn alles gut geht, wird Sibirien in einigen Jahrzehnten wieder von Mammuts und arktischen Kamelen bewohnt, der Boden wird fruchtbar und der Permafrost bedroht nicht mehr das globale Klima. Vater und Sohn Simow sind sich dessen sicher – seit mehr als dreißig Jahren arbeitet die wissenschaftliche Familiendynastie an einem einzigartigen Projekt im russischen Norden. Und zwar an dem sogenannten Pleistozän-Park, der nichts Geringeres zum Ziel hat, als die längst untergegangene Welt der Mammuts wiederherzustellen.

Ende der 1980er Jahre schlug Sergei Simow, ein Umweltwissenschaftler aus Wladiwostok, den sowjetischen Behörden vor, die vor 10.000 Jahren verschwundene Mammutsavanne in Sibirien wiederherzustellen. Anstelle unrentabler Rentierfarmen hätte der Staat dann Weiden voller Wild zur Verfügung, glaubte er. Überraschenderweise stimmten die sowjetischen Behörden zu – und so entstand eines der erstaunlichsten und ehrgeizigsten wissenschaftlichen Experimente der modernen Welt. "Ein solch unglaublicher Plan zur Umgestaltung der Natur konnte wohl nur in der UdSSR geboren werden", schreibt darüber Moskvich.mag und erklärt:

"Der Permafrost bedeckt ein Viertel der Landmasse und 60 bis 65 Prozent des Gebietes Russlands. Im Sommer taut die oberste Schicht auf, aber das Wasser kann nirgendwo hin: Von unten stützt es sich auf einen festen Boden aus einer Mischung aus Eis und gefrorenen Steinen. Auf der weichen, teppichartigen, mehrere Zentimeter dicken Oberfläche wachsen Moose, Sträucher und Lärchen. Nur die anspruchslosesten Pflanzen haben gelernt, auf dieser kalten Wassermatratze unter dem stechenden arktischen Wind zu leben. Die fruchtbare Schicht hat keine Zeit, sich zu bilden. Die Pflanzen nehmen Stickstoff aus dem Boden auf, nutzen ihn für Wachstum und Photosynthese, können ihn aber nicht wieder in den Boden einbringen: In dem kalten Klima sind die organischen Zersetzungsprozesse extrem langsam. Umgefallene Baumstämme und trockenes Gras bleiben jahrelang an der Oberfläche liegen. Die karge Vegetation kann niemanden ernähren, und die eintönigen Dickichte der Zwergbirken- und Lärchentaiga sind so unansehnlich und leer wie zu Anbeginn der Zeit."

Vor Jahrtausenden sahen die Dinge anders aus: Auf jedem Quadratkilometer dieser Gegend weideten Mammuts, Bisons, Wildpferde, Wölfe, und Höhlenlöwen jagten Rentiere. "Trotz der Kälte glichen die Ebenen und Plateaus Sibiriens einer afrikanischen Savanne. Millionen von Mägen erledigten die Arbeit, die der nördliche Boden nicht leisten kann: Sie verdauten organisches Material und gaben es in Form von stickstoffreichem Dünger in den Boden ab", so die Zeitung. Da wuchsen kalorienreiche Getreidesorten, entzogen dem Boden Feuchtigkeit und verhinderten, dass er sich in einen Sumpf verwandelte.

Gegenwärtig bedroht der Permafrost die Erde und die Menschheit, denn er hat das Potenzial, das Klima in Rekordzeit zu verändern. "Der Permafrost ist eine Tausend-Megatonnen-Bombe", sagt der Wissenschaftler Nikita Simow, der mit seinem Vater an dem ehrgeizigen Projekt arbeitet. "Am Grund von Seen führt die Zersetzung von organischem Material ohne Zugang zu Sauerstoff zur Bildung von Methan. Dessen Treibhauseffekt ist 23 Mal größer als der von Kohlendioxid. Jedes Jahr werden mehr und mehr Gase in die Atmosphäre freigesetzt. Dies wird als positive Rückkopplung bezeichnet. Schon bald könnte dies zu katastrophalen Veränderungen des Klimas auf unserem Planeten führen, an die sich niemand mehr rechtzeitig anpassen kann."

Mit der Ausrottung der Tierherden von Sibirien habe der Mensch die Voraussetzungen für die Katastrophe geschaffen, meint sein Vater Sergei Simow. Nun sei es an die Zeit, sie zu verhindern – "indem man den Boden wieder mit großen Tieren besiedelt." Die Hoffnung: Sie werden die Ökosysteme wiederherstellen, die in Sibirien seit Hunderttausenden von Jahren existieren und in der Lage sind, Klimaschwankungen weltweit abzufedern. Moskvich.mag erklärt:

"Die Herden stampfen den Schnee in den Boden, kühlen ihn ab und verhindern die Degradation des Permafrosts. Sie werden diese Wüste düngen, und es werden wieder Gräser darauf wachsen. Deren Photosynthese wird das überschüssige CO2 absorbieren und es wieder sicher in den unterirdischen 'Gefrierschränken' des Permafrosts speichern. Die Tundra der russischen Arktis wird wieder der Serengeti-Savanne mit ihren Antilopen- und Giraffenherden ähneln."

Heute leben im Pleistozän-Park der Wissenschaftler elf Arten pflanzenfressender Säugetiere. Viele von ihnen hatten jedoch Probleme, sich an die arktischen Bedingungen anzupassen. Die aus dem Naturschutzgebiet Prioksko-Terrasny eingeführten Wisente zum Beispiel haben sich schlecht akklimatisiert. Den Steppenwisenten, die auf einem Bauernhof in Dänemark gekauft wurden, ging es da wesentlich besser. Im Jahr 2021 brachte Nikita schließlich zweihöckrige Kamele in den Park. "Diese Tiere werden mit heißen Wüsten in Verbindung gebracht, aber Paläontologen haben vor langer Zeit herausgefunden, dass ihre Vorfahren in der Arktis lebten", führt Moskvich.mag aus. "Jetzt streifen sie stolz durch das Moos, als hätten sie die Pause von Zehntausenden von Jahren nicht bemerkt."

Nur mit den Mammuts gibt es natürlich noch Probleme. Der amerikanische Genetiker George Church, der von dem Projekt der Simows fasziniert war, hat ihnen versprochen, dass im Jahr 2027 das erste Mammut aus komplexen genetischen Experimenten hervorgehen wird. Die Zeitung erzählt:

"Der amerikanische Genetiker hat festgestellt, dass es möglich ist, das Genom eines modernen asiatischen Elefanten so zu verändern, dass es sich nicht von dem eines echten Mammuts unterscheidet. Zumal die DNA dieser Arten zu 99,6 Prozent übereinstimmt."

"Im Jahr 2022 erhielt Churchs Startup 60 Millionen US-Dollar, um das Mammut neu zu erschaffen. Nun verspricht der Wissenschaftler, den Menschen bereits im Jahr 2027 den ersten behaarten Elefanten seit 10.000 Jahren zu zeigen."

Allerdings war das alles vor den Sanktionen. Ob die Simows jetzt ihr Mammut bekommen, ist ungewiss.

Aber auch ohne Mammut ist schon jetzt klar, dass es ihnen gelingt, ein neues Ökosystem zu schaffen, das sich drastisch von den Permafrostgebieten unterscheidet. "Als mein Vater anfing, unterschied sich der Park nicht von der umgebenden Landschaft: Dasselbe undurchdringliche Dickicht, Gebüsch, Sumpf", erzählt Nikita gegenüber der Journalisten. "Jetzt ist alles anders. Die Vegetation verändert sich: Jedes Jahr wird das Gras höher und das Land trockener".

Auch ohne Mammuts können sich 3 Millionen Quadratkilometer in 70 Jahren in eine blühende Savanne verwandeln, sagt Nikita Simow überzeugt. Und fügt hinzu:

"Das ist ein Drittel des russischen Permafrosts. Wenn das passiert, wird Russland doppelt so viel Kohlenstoff aufnehmen, wie es verbrennt. Die Rückstrahlkraft wird zunehmen. Der Permafrost wird sich stabilisieren. Und der Effekt wird sich überall auf der Erde auf dem Thermometer bemerkbar machen."

Quelle: RT DE

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